Thüringen: Wie sich ein Bündnis gegen Tommy Frenck und Co. wehrt
Der Neonazi Tommy Frenck ist am Sonntag im Landkreis Hildburghausen in die Stichwahl eingezogen. Er holte bei der Landratswahl fast ein Viertel der Stimmen. Doch vor Ort gibt es auch lauten Protest, und das schon seit 2016.
Seit acht Jahren ist Thomas Jakob mit dabei. Auf Podien, bei Veranstaltungen oder im Superheldenkostüm auf der Straße. Denn der Sozialdemokrat sagt: „Protest muss Spaß machen. Die Leute müssen es gerne machen wollen.“ 2016 stieß er zum ein Jahr zuvor gegründeten „Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra“, weil er etwas gegen die zunehmenden Rechtsrockkonzerte in seiner Heimat tun wollte. 2017 war der Höhepunkt: 6.000 Neonazis aus ganz Europa reisten nach Thüringen, Bilder von Hitlergruß zeigenden Glatzen gingen um die Welt.
Inzwischen gibt es sie nicht mehr, was auch ein Verdienst des Bündnisses ist, das den Handlungsradius der Rechtsextremen durch kluge Ideen immer weiter einschränkte. „Wir haben über die Jahre hinweg gemerkt, wir müssen uns trauen, nahe an diese Events heranzugehen.“ Das Bündnis meldete beispielsweise eine Gegenveranstaltung in unmittelbarer Nähe an, erhöhte so auch den Handlungsdruck auf die Polizei. Diese verhängte für das Rechtsrockkonzert schärfere Auflagen, inklusive Alkoholverbot. Das Bündnis konnte auch ohne Alkohol Spaß haben, die Nazis ärgerten sich. Auf einmal kamen nur noch circa 800 Personen zu deren Versammlung.
Keine Angst vor Nazis
„Es hat sehr nachhaltig auf die Nazis gewirkt, dass wir uns nicht haben einschüchtern lassen. Sie haben gemerkt, dass die Angst- und Drohkulisse, mit der sie sonst agieren, auf einmal gar nicht mehr greift. Deswegen war bei uns gute Stimmung und auf der anderen Seite nicht so“, berichtet Jakob. Es habe immer mal wieder Pöbeleien oder Beschimpfungen seitens der Rechten gegeben, aber das halte sich glücklicherweise in Grenzen. Er selbst schränke sich insofern ein, dass er bestimmte Dorffeste, bei denen er Schwierigkeiten für sich befürchtet, nicht mehr besucht. „Ich muss mich an der einen oder anderen Stelle einschränken, um gut raus zu kommen“, sagt er.
Wichtig sei daher auch die gute Zusammenarbeit mit der Polizei. Denn Jakob sagt: „Es ist etwas anderes, ob ich mit 10.000 Leuten in Berlin auf die Straße gehe oder in einem kleinen Ort mit 90 oder 100 Leuten und tausend Nazis gegenüberstehe. Das muss einfach safe sein an der Stelle. Da kann man niemanden in Gefahr bringen.“
Der Kampf geht weiter
Die Rechtsextremen wie Tommy Frenck, der in diesem Jahr im Kreis Hildburghausen als Landrat kandidierte und im ersten Wahlgang auf 24,9 Prozent der Stimmen kam, setzen mittlerweile auf kleinere Formate. Der Protest des Bündnisses ist geblieben, wie zum Beispiel vor wenigen Wochen gegen das rechtsextreme Vernetzungstreffen „Thing der Titanen“. Öffentlichkeitswirksam demonstriert Thomas Jakob gemeinsam mit dem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel und dem Thüringer SPD-Chef Georg Maier vor einem Plakat mit der Aufschrift „#NoTHING“.
Doch dem Bündnis ist es wichtig, nicht nur gegen etwas zu protestieren, sondern den Menschen in der Region im positiven Sinne etwas zu bieten. Ob Konzerte, Lesungen, Bildungsveranstaltungen oder auch Unterstützungsangebote für ukrainische Geflüchtete, seit 2019 waren es mehr als 100 Veranstaltungen, die das Bündnis mit einer hauptamtlichen Kraft und einem Stamm von 20 bis 25 Ehrenamtlichen auf die Beine stellte. Für ihr Engagement wurden sie im Jahr 2019 auch mit dem Regine-Hildebrandt-Preis der SPD ausgezeichnet. „Wir wollen, dass uns die Bevölkerung so wahrnimmt: Die tun was für die Region“, sagt Jakob.
Klage gegen den Landkreis
Darüber hinaus läuft zurzeit noch eine Klage des Bündnisses gegen den Landkreis, mit der er notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen will. „Wir bezweifeln, dass die Veranstaltung der Nazis 2019 eine Versammlung war.“ Jakob erhofft sich eine rechtliche Präzisierung, wo die Grenze zwischen einer Vergnügung und einer Versammlung abläuft. „Die Nazis nutzen diese Grauzone, um ihre Veranstaltung kostengünstig und mit geringeren Auflagen durchzuziehen.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo