Programm für die Bundestagswahl: Was die SPD für Städte und Gemeinden will
Bei der Bundestagswahl am 23. Februar geht es auch für die Kommunen um viel. In ihrem Wahlprogramm nennt die SPD konkrete Punkte, die sie für Städte und Gemeinden verbessern will. Ein Überblick
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Freudenberg im Siegerland: Für Städte und Gemeinden hat die SPD einiges in ihrem Wahlprogramm.
In knapp zwei Monaten wird der Bundestag neu gewählt. Die SPD wirbt mit einem 63 Seiten umfassenden Wahlprogramm um Stimmen. Einige der darin enthaltenen Ideen wären, wenn sie umgesetzt werden, auch für die Situation der Kommunen in Deutschland von Bedeutung.
Strukturreformen für medizinische Versorgung und Pflege
Das gilt zum Beispiel für die medizinische Versorgung und den Pflegebereich. Laut ihrem Wahlprogramm strebt die SPD einen schnellen Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung – unabhängig von Wohnort oder Einkommen – durch eine stärkere Regionalisierung an. Dafür brauche es jedoch Strukturreformen, „um die medizinische Versorgung in strukturschwachen Regionen zu sichern“, heißt es im Programm der Sozialdemokrat*innen. Zu diesem Zweck müsse auch die Zusammenarbeit zwischen Praxen, Krankenhäusern und anderen Versorgern reibungsloser werden – wann immer möglich auch gestützt durch Telemedizin und Telepharmazie.
In der Pflege macht sich die Partei für den Vorrang der häuslichen Pflege stark – pflegende Angehörige sollen dabei laut Wahlprogramm durch Familienpflegezeit und -pflegegeld (analog zu Elternzeit und Elterngeld) entlastet werden. Auch sollen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen künftig bei der Vergabe von Sozialwohnungen bevorzugt werden. Anlaufstellen rund um das Thema Pflege von Angehörigen, die Betroffene beraten und vernetzen, möchte die SPD ausbauen.
Des Weiteren fordern die Sozialdemokrat*innen, dass die Kommunen selber darüber entscheiden können sollen, wo und in welcher Trägerschaft sich Pflegeeinrichtungen und -dienste ansiedeln. Dem Personalmangel in den Einrichtungen soll unter anderem durch bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen entgegengewirkt werden.
Bildung: Mehr Fachkräfte und das Startchancenprogramm für Kitas
Auch Kitas und Schulen sind vom Fachkräftemangel betroffen. Um den Ganztags-Anspruch umzusetzen und Betreuungszeiten auszubauen, sei es umso wichtiger, offensiv Fachkräfte anzuwerben. Dafür wolle man beispielsweise mehr Ausbildungskapazitäten schaffen und verstärkt Quereinsteiger*innen ansprechen. Auch solle das Bundesprogramm „Junges Wohnen“ fortgesetzt und aufgestockt werden, um bezahlbaren Wohnraum während der Ausbildung oder des Studiums zu ermöglichen.
Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm zudem die Ausweitung des Startchancenprogramms auf weitere Schulen und ein eigenes Startchancenprogramm für Kitas. Trägern von Bildungseinrichtungen sollen zudem Anreize für Sanierungen und Neubauten von Kita- und Schulgebäuden nach bestmöglichen Standards gesetzt werden.
Mehr Wohnraum und Vorrang für öffentlichen Verkehr
Laut SPD-Wahlprogramm sollen auch für den Bau von Wohnraum stärkere Anreize gesetzt werden. „Wir wollen den akuten Wohnraummangel mit einer Investitions-, Steuer- und Entbürokratisierungsoffensive überwinden“, heißt es darin. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen künftig weniger Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem sollen der soziale Wohnungsbau und die Genossenschaftsprogramme nachhaltig gestärkt werden. Die Mietpreisbremse soll unbefristet gelten und nicht mehr durch beispielsweise befristete Vermietung umgangen werden können.
Gleichzeitig stellt die Partei mehrere Ideen auf, wie die Kommunen wieder mehr Kontrolle über ihren jeweiligen Wohnungsmarkt erlangen können. So soll nach Vorstellung der SPD beispielsweise das Vorkaufsrecht der Kommunen gestärkt werden. Außerdem sollen sie gezielt solche Bauprojekte fördern können, die einen langfristigen Mehrwert für die Menschen vor Ort schaffen – wie Wohnungen für Alleinerziehende, genossenschaftliche Wohnprojekte oder generationenübergreifendes Wohnen. Des Weiteren schlägt die Partei vor, Kommunen künftig beim Aufbau eines Bodenfonds zu unterstützen.
Im Bereich der Mobilität gelte es vor allem, den Verkehr verstärkt von der Straße auf die Schiene oder die Wasserstraße zu lenken. In Ballungsräumen solle der öffentliche Verkehr wo möglich Vorrang erhalten. Zudem fordert die SPD eine gute Erreichbarkeit durch Bus und Bahn sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, sowie dass alle deutschen Großstädte an das Fernverkehrsnetz angeschlossen werden.
Um Mobilität möglichst bezahlbar zu gestalten, will die SPD das Deutschlandticket dauerhaft anbieten und einen transparenten Preismechanismus für mehr Verlässlichkeit entwickeln. Alle Menschen im 17. Lebensjahr sollen einen „Mobilitätspass“ über 500 Euro Guthaben für Führerscheinkosten oder Bahntickets erhalten.
Förderung des ländlichen Raums
Die SPD verspricht in ihrem Regierungsprogramm, den ländlichen Raum zu fördern. Die Daseinsvorsorge vor Ort will sie sichern, zum Beispiel indem das Breitbandinternet weiter ausgebaut und Mobilitätslösungen wie Rufbusse gestärkt werden.
Zudem soll eine Strategie für den Gebäudeleerstand im ländlichen Raum entwickelt werden. Die Partei schlägt spezifische Programme vor, mit denen die Umnutzung von Leerstand zum Wohn- oder Gewerberaum gefördert wird. Allgemein sollen die Bürger*innen in den Kommunen etwa durch Bürgerforen, digitale Plattformen oder kommunale Entwicklungsbeiräte stärker an den Entscheidungsprozessen vor Ort beteiligt werden.
Demokratiebildung und zivilgesellschaftliches Engagement
Demokratiebildung soll künftig stärker gefördert werden, um die Bürger*innen mehr dazu zu „befähigen, aktiv an der Demokratie teilzuhaben“, heißt es im Wahlprogramm. Es gehe unter anderem darum, Mitbestimmung und Verantwortung zu stärken – bereits in Schulen, aber auch später beispielsweise in Betrieben. Denn so werde Demokratie erlebbar.
An einem Demokratiefördergesetz für die nachhaltige Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen, das in dieser Legislaturperiode nicht umgesetzt wurde, hält die SPD weiterhin fest. Zivilgesellschaftliche Beratungsangebote für Betroffene von Diskriminierung sollten außerdem weiter ausgebaut werden.
Schutz vor häuslicher Gewalt, Katastrophen und Angriffen auf die kritische Infrastruktur
Der Schutz der Bevölkerung soll der SPD zufolge auf verschiedenen Ebenen gestärkt und ausgebaut werden. Das gilt auch für den Schutz vor häuslicher Gewalt. Laut dem Wahlprogramm sollen ein bundesweiter Rechtsanspruch auf Zugang zu Schutzunterkünften wie Frauenhäusern oder Beratungsstellen gemeinsam mit dem Gewalthilfegesetz dafür sorgen, dass der Schutz vor häuslicher Gewalt künftig wirksamer funktioniert.
Der Katastrophenschutz soll durch verschiedene Maßnahmen effizienter gestaltet werden. Dazu zählen Aspekte wie mehr Übungen für den Katastrophenfall, ein flächendeckender Ausbau mit Sirenen und die Unterstützung des Technischen Hilfswerks, Freiwilliger Feuerwehren und anderer Einsatzkräfte.
Außerdem, so heißt es im Wahlprogramm, müsse die „Vorsorge“ gegen Klimafolgen, also die Vorbereitung auf Extremwetterphänomene wie Starkregen, Dürre oder Hitzewellen, gestärkt werden. Auch das trage zum Schutz der kritischen Infrastruktur bei. Damit diese jedoch nicht nur vor Extremwetter, sondern auch vor gezielten Angriffen geschützt werde, müssten Kommunen, Länder und Bund enger mit den kommunalen Versorgern und den Betreibern kritischer Infrastruktur zusammenarbeiten.
Verwaltung soll „bürgerfreundlicher“ werden
Die Verwaltung soll künftig effizienter arbeiten – Stichwort Bürokratieabbau –, fordern die Sozialdemokrat*innen. Das Ziel sei ein „bürgerfreundlicherer“ Staat: Antragsverfahren sollen vereinfacht und Leistungen aufeinander abgestimmt oder, beispielsweise im Fall des Kindergeldes, sogar automatisch gewährt werden. Allgemein sollen Anträge aller Art künftig automatisch genehmigt werden, wenn die Behörden nicht innerhalb einer gesetzten Frist reagieren.
Zudem will sich die SPD dafür einsetzen, dass neue Gesetze und größere Novellierungen künftig vor ihrer Verabschiedung auf ihre Wirksamkeit, Bürgernähe, Praxis- und Digitaltauglichkeit getestet werden. Die neue Bundesregierung soll auf einem „Praxisgipfel“ mit Vertreter*innen der Wirtschaft, den Ländern und den Kommunen zusammenkommen, um über Nutzen und Effizienz verschiedener Vorhaben zu beraten.
Bürokratie soll auch in den mit Migration befassten Verwaltungsbereichen abgebaut werden. Eine verstärkte Zentralisierung und Digitalisierung soll Asylverfahren beschleunigen, sodass Anträge innerhalb von sechs Monaten bearbeitet werden können. Geflüchteten mit abgelehntem Antrag soll unter bestimmten Voraussetzungen dann der Wechsel in die Fachkräfteeinwanderung ermöglicht werden. Ein Partizipationsgesetz soll Geflüchteten mehr gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen und so auch die Integration stärken.
Lösung der Altschulden-Problematik
Die finanzielle Situation vieler Kommunen ist dramatisch. Die SPD will das ändern und gleichzeitig Investitionen ermöglichen. Im Wahlprogramm ist die Rede von „einem gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern und Kommunen“ – nötig sei dafür jedoch auch eine Reform der Schuldenbremse.
Außerdem schreiben die Sozialdemokrat*innen: „Es bedarf endlich einer Lösung des spezifischen Problems der kommunalen Altschulden“. Das sei ein wichtiger Schritt – denn der anstehende Strukturwandel fordere umfangreiche Investitionen von der kommunalen Ebene.