Pläne der Union: Wer von „Mehr Netto vom Brutto“ profitiert – und wer nicht
Arbeitgeber fordern die Deckelung der Sozialabgaben – angeblich zum Nutzen der Beschäftigen. Die Forderung ist nicht neu und es ist auch kein Zufall, dass sie im Wahlprogramm von CDU/CSU steht. Wer von der Sparaktion wirklich profitiert, wird aber verschwiegen.
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Seit Januar liegen die Ausgaben aller Sozialabgaben bei 41,9 Prozent. Davon zahlen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen jeweils die Hälfte
Wenn die Union in ihrem Wahlprogramm von der „Agenda für die Fleißigen“ spricht, geht es ihr nicht etwa um bessere Arbeitsbedingungen oder höhere Löhne. Ein besseres Arbeitsentgelt soll laut Union über niedrigere Steuern und Beiträge für Kranken-, Pflege – und Rentenversicherung erzielt werden. Die Summe der Abgaben an die Sozialversicherungen, die seit Januar bei 41,9 Prozent des Bruttolohns liegt und jeweils zur Hälfte von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen bezahlt werden, soll wieder Richtung 40 Prozent gehen. Mehr Netto vom Brutto lautet die Devise.
Es überrascht wenig, dass die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) hinter dieser Forderung steht. Ihr Vorsitzender, Steffen Kampeter, forderte am Mittwoch gegenüber der „Bild“ die nächste Bundesregierung dazu auf, Schluss zu machen „mit diesem Nettoklau“ – zum Wohle der Beschäftigten, wird zugefügt.
Mehr Netto vom Brutto ist so 1996
Was im ersten Moment schlüssig scheint, ist eine Forderung aus der Regierungszeit Helmut Kohls und stammt aus dem Jahr 1996. Und sie leitete in der Folge u.a. Gesundheitsreformen ein, die mit Leistungskürzungen und erhöhten Zuzahlungen z.B. für Arzneimittel einhergingen.
Das Sparen an den Sozialbeiträgen hat damit Folgen, die von Union und Arbeitgeberverband aus guten Gründen verschwiegen werden. Fast könnte man von einer optischen Täuschung sprechen. Denn mehr Netto vom Brutto heißt eben auch Kürzungen bei Rente oder Gesundheitsvorsorge oder weniger Leistungen in der Pflege- oder Arbeitslosenversicherung, gekoppelt mit privat zu zahlenden Zusatzversicherungen. Bereits im vergangenen Jahr erklärte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, dass mit einer Rückkehr zur 40-Prozent-Grenze „insgeheim die Forderung nach Leistungskürzungen für Versicherte und Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung“ einhergehe.
Minusgeschäft für Arbeitnehmer*innen
Tatsächlich finden sich im Wahlprogramm der Union keine Vorschläge, wie sich die Leistungen der sozialen Sicherung mit weniger Geld finanzieren lassen. Stattdessen kündigt die CDU in ihrem Grundsatzprogramm eine für alle verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge an. Die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte mit 45 Beitragsjahren steht auf der Kippe. Hinzu kommen Pflegezusatzversicherungen, die laut Wahlprogramm die „Finanzierungslücke in der Pflege schließen“ sollen. Nicht unwahrscheinlich ist, dass es sich hierbei um privat zu zahlende Zusatzversicherungen handelt. Im Wahlprogramm selbst bleibt die Union wie an vielen anderen Punkten auch unklar.
Mehr Netto vom Brutto könnte also für Beschäftigte am Ende zu einem Minusgeschäft werden. Nicht aber für die Arbeitgeber*innen. Jeweils zur Hälfte sind sie an allen Beitragssätzen der Sozialversicherungen beteiligt, macht in Summe knapp 22 Prozent. Bei einer Reduzierung der Beiträge würden sie also sparen und sich die Differenz gutschreiben.
Arbeitgeber*innen profitieren in jedem Fall
Mit Blick auf die von der Union angekündigten Steuersenkungen, von denen laut Berechnung überwiegend Spitzenverdienende profitieren werden, will das Mehr-Netto-vom-Brutto-Versprechen wohl ebenfalls eine Vermögens-Umverteilung von unten nach oben verbergen.
Um es mit den Worten des amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz zu sagen, der auf dem SPD-Parteipartei im Januar vor den Kapriolen des Oppositionsführers Friedrich Merz warnte: „Ich kann nur sagen: Vorsicht! Vorsicht an der Bahnsteigkante!“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.