Inland

Nach Eklat auf Sylt: Warum „Ausländer Raus“-Rufe allein nicht strafbar sind

Die rassistischen Gesänge „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ im „Pony-Club“ auf Sylt können straf- und arbeitsrechtliche Folgen haben – aber nur unter bestimmten Bedingungen.

von Christian Rath · 27. Mai 2024
Sylt

Ein Plakat mit der Anspielung auf das rassistische Gegröle Mitte Mai auf Sylt.

 

Das Video sorgt bundesweit für Diskussionen. Junge Menschen grölen im Sylter „Pony-Club“ zu einem Lied des italienischen Musikers Gigi D’Agostino „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“. Einer deuten einen Hitler-Gruß an. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Vorgänge als „ekelig“ und „nicht akzeptabel“. Inzwischen wurde bekannt, dass es weitere Vorfälle wie den auf Sylt gab. Doch ist die Parole auch strafbar? Und wenn ja: Welche Strafe droht bei der Benutzung?

Das Zeigen des Hitlergrußes ist grundsätzlich strafbar. Es gilt als Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation. Es droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, so das Strafgesetzbuch (§ 86a). Nicht strafbar ist dagegen das Andeuten eines Hitler-Bärtchens. Das schmale Hitler-Bärtchen ist ein Kennzeichen von Adolf Hitler, aber nicht der NSDAP. 

Nicht alle Parolen strafbar

Parolen wie „Ausländer raus“ gelten nicht per se als strafbar. Um eine strafbare Volksverhetzung anzunehmen müssen weitere Begleitumstände hinzutreten, etwa die Verwendung von NS-Kennzeichen. Dies entschied schon 1984 der Bundesgerichtshof.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verurteilte 2001 einen Rechtsextremisten wegen Volksverhetzung, weil er in Guben in einer etwa 50-köpfigen Gruppe mitging, aus der heraus unter anderem „Ausländer raus“ gerufen wurde und er selbst eine Reichskriegsflagge trug. Die Gruppe, der auch junge Männer in Bomberjacken und mit Springerstiefeln angehörten, habe so bedrohlich gewirkt, dass mehrere Anwohner*innen die Polizei riefen. Vor dem Hintergrund von zuvor erfolgten rechtsextremen Gewalttätigkeiten gegen Ausländer*innen in Guben und ganz Brandenburg sah das OLG hier gleich zwei Formen der Volksverhetzung erfüllt, zum einen die Aufstachelung zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, zum anderen die Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen. 

Berufliche Konsequenzen

Das Bundesverfassungsgericht erinnerte 2010 daran, dass die bloße Forderung nach „Ausländerrückführung“ auf einem Plakat nicht zwingend strafbar ist, auch nicht mit dem Zusatz „für ein lebenswertes Augsburg“. Die bayerischen Gerichte hatten das Plakat so ausgelegt, dass eine Stadt mit Ausländer*innen dabei als „nicht lebenswert“ dargestellt werde. Das Verfassungsgsgericht hielt das Plakat aber für mehrdeutig. Denkbar sei auch, dass Ausländer*innen zwar als Problem verstanden, „nicht aber notwendig als verächtlich hingestellt werden“. Das Verfassungsgericht hob die Verurteilung wegen Volksverhetzung auf, da sie die Meinungsfreiheit verletzte.

Eine arbeitsrechtliche Kündigung wegen Grölens von „Ausländer raus“-Parolen in der Freizeit ist nicht möglich. Das politische Verhalten in der Freizeit geht Arbeitgeber*innen nichts an, auch wenn sie sich selbst als weltoffen und tolerant verstehen. Erforderlich wäre eine nachhaltige Störung des Betriebsfriedens, wenn die Parole etwa auf einer Betriebsfeier in Anwesenheit von ausländischen Beschäftigten skandiert wurde. 

Strenger ist die Rechtslage im öffentlichen Dienst, insbesondere bei Beamt*innen. Diese müssen sich auch außerdienstlich mäßigen und zeigen, dass sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einstehen.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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