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Rassismus hat Folgen: Weshalb die AfD unter Beobachtung bleiben darf

Der Verfassungsschutz hat das Recht, die AfD-Bundespartei auch weiterhin zu beobachten. Das hat auch mit dem Menschenbild der Partei zu tun, so das Oberverwaltungsgericht Münster.

von Christian Rath · 13. Mai 2024
Roman Reusch und Peter Boehringer vom AfD-Bundesvorstand

Haben eine Schlappe vor Gericht erfahren: Roman Reusch, Beisitzer im Bundesvorstand der AfD, und Peter Boehringer, Stellvertretender Bundessprecher der AfD (von links).

Die AfD-Bundespartei darf auch weiterhin im Visier des Verfassungsschutzes bleiben. Es bestehen Anhaltspunkte, dass die Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Zu diesem Schluss kam das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster am Montag und bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln aus dem März 2022

In diesem Verfahren ging es nur um die Frage, ob ein begründeter Verdacht gegen die AfD-Bundespartei vorliegt. Denn bisher hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD im Bund nur als Verdachtsfall eingestuft. Hiergegen klagte der AfD-Bundesverband. 

Laut OVG gibt es Anhaltspunkte, dass sich die Politik der AfD gegen die Menschenwürde bestimmter Gruppen und das Demokratieprinzip richtet. So wollten maßgebliche Teile der Partei den Deutschen mit Migrationshintergrund „nur einen rechtlich abgewerteten Status zuerkennen", sagte der Vorsitzende Richter Gerald Buck. 

Verdacht: AfD missachtet die Menschenwürde

Trotz deutscher Staatsbürgerschaft werde ihre „vollwertige Zugehörigkeit zum deutschen Volk in Frage gestellt." Konkrete Aussagen der AfD hierzu nannte Buck nicht, dies soll erst im ausführlichen schriftlichen Urteil erfolgen. Die Vorinstanz hatte zum Beispiel einen Beitrag der AfD Stuttgart zitiert, in dem es hieß: „Kater, die in einem Pferdestall zur Welt kommen, sind Kater und keine Pferde".

Außerdem gebe es den Verdacht, dass sich die AfD-Politik gegen die Menschenwürde von Flüchtlingen und Muslimen richte. Auch hier verzichtete Buck auf konkrete Beispiele. Er betonte jedoch, dass auch radikale Kritik an der aktuellen Migrations- und Asylpolitik zulässig sei.

Das Argument der AfD, es seien nur Einzelpersonen, die „Blech" redeten, ließ Richter Buck aber nicht gelten: „Wenn solche Einzelpersonen in herausgehobene Ämter gewählt werden, rechtfertigt das den Verdacht, dass ihre Ansichten in der Partei auf Zustimmung stoßen."

Demokratiefeindliche Bestrebungen in der AfD

Schließlich gebe es auch „demokratiefeindliche Bestrebungen" in der AfD, so Buck, „allerdings nicht in der Häufigkeit und Dichte" wie vom Verfassungsschutz angenommen. Auch hier nannte Buck keine Beispiele. 

Das OVG wies alle Versuche der AfD zurück, Parteien gegenüber dem Verfassungsschutz einen Sonderschutz zuzubilligen. So müssten Spitzel in der Partei nicht abgeschaltet werden, wenn diese vom Verfassungsschutz überwacht wird. Dies gelte nur bei einem Parteiverbotsantrag, um ein faires Verfahren zu gewährleisten. 

Auch dürfe der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit darüber informieren, so Richter Buck, dass eine Partei ein extremistischer Verdachtsfall ist. Es müsse aber immer deutlich werden, dass der Verdacht noch nicht erwiesen ist. 

Wovor der Richter warnt

Neben der AfD-Bundespartei durfte der Verfassungsschutz auch die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als Verdachtsfall einstufen. Auch bei ihr gebe es Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Beim ehemaligen „Flügel" um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke sei sogar die 2020 erfolgte Hochstufung zur gesichert extremistischen Bestrebung rechtmäßig gewesen. 

Buck betonte zu Beginn der Urteilsverkündung, dass das OVG das Verfahren „strikt nach Recht und Gesetz" handhabe. Auch beim Verfassungsschutz sehe er keine Indizien für „sachwidrige und parteipolitische Motive". 

Der Richter warnte allerdings davor, aus der Bejahung eines Verdachts zu weitgehende Schlüsse zu ziehen. Als Beispiel nannte er einen Rauchmelder. Wenn dieser Alarm melde, müsse man eben nachschauen: „Ist das ein Brand oder Rauch um nichts?". Es gebe „keinen Automatismus vom Verdacht zum Erwiesensein". 

Extremistische Landesverbände

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD-Bundespartei bisher nicht als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft, prüft dies jedoch. Erst wenn das Bundesamt die AfD als gesichert extremistisch einstuft, kann die AfD dagegen klagen. 

Im jetzigen Verfahren musste das OVG also nicht entscheiden, ob die AfD gesichert extremistisch ist. Bisher sind AfD-Landesverbände in den Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als extremistisch eingestuft. Dort laufen aber auch noch Gerichtsverfahren.

Das OVG Münster hat nun bis zu fünf Monate Zeit, das Urteil ausführlich zu begründen. Revision hat das OVG zwar nicht zugelassen, weil der Fall keine neuen grundsätzlichen Rechtsfragen aufwerfe. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Die AfD kann und will noch eine Nicht-Zulassungsbeschwerde einlegen. 

So reagiert die AfD

Vor dem Gerichtssaal betonte der AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer: „Heute ist nicht viel passiert, es wurde nur ein Verdacht festgestellt.“ Das AfD-Vorstandsmitglied Roman Reusch kritisierte das Gericht, weil es fast 500 Beweisanträge der AfD abgelehnt hatte. „Das Gericht war nicht an einem Gesamtbild interessiert". 

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte fest: „Die Bewertung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall wurde sorgfältig begründet und ist nun durch das Oberverwaltungsgericht Münster bereits in zweiter Instanz für rechtmäßig befunden worden." Faeser betonte sowohl die Unabhängigkeit der Gerichte als auch die Eigenständigkeit der Verfassungsschutzbehörden.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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