Inland

Juso-Chef Philipp Türmer: Große Erbschaften stärker besteuern

Sollen Superreiche mehr Steuern zahlen? Auf jeden Fall, sagt Juso-Chef Philipp Türmer: Denn in Deutschland würden riesige Vermögen fast steuerfrei vererbt, kritisiert er. Stattdessen fordert Türmer ein „Grunderbe“ für alle ab 18 Jahren.

von Vera Rosigkeit · 2. September 2025
Juso-Chef Philipp Türmer

Reiche sollen einen fairen Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten, sagt Philipp Türmer und fordert eine „wirkliche Reform der Erbschaftsteuer“

Deutschland ist der Staat mit der zweithöchsten Vermögensungleichheit in Europa. Was läuft hier schief?

Was hier schiefläuft, ist ein ganzes System, eines, das Reichtum schützt und Armut zementiert. In Deutschland hängt der eigene wirtschaftliche Erfolg viel zu stark vom Elternhaus ab. Wer reich geboren wird, bleibt es in der Regel. Wer arm aufwächst, hat es deutlich schwerer, Vermögen aufzubauen oder aufzusteigen. Es dauert mehrere Generationen, wenn Menschen aus Armut finanziell aufsteigen können. Diese strukturelle Ungleichheit wurde über Jahrzehnte politisch nicht nur hingenommen, sondern durch Steuergeschenke an Reiche, die Abschaffung der Vermögenssteuer und eine Erbschaftsteuer voller Schlupflöcher für Überreiche sogar noch befördert.

Deutschland besteuert Einkommen sehr stark, Vermögen aber kaum und das ist ein riesiges Gerechtigkeitsproblem. Während Millionen von Menschen trotz harter Arbeit kaum über die Runden kommen, wächst das Vermögen der reichsten zehn Prozent weiter, oft leistungsfrei. Das ist nicht nur ungerecht, das gefährdet auch den sozialen Zusammenhalt.

Philipp 

Türmer

In Deutschland hängt der eigene wirtschaftliche Erfolg viel zu stark vom Elternhaus ab

Was wären erste Schritte in der Steuerpolitik, um für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen?

Dafür sehen wir Jusos klare Handlungsspielräume: Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer: Reiche sollen einen fairen Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Eine sozial gerechte Vermögenssteuer ab einem Nettovermögen von z. B. einer Million Euro pro Person ist überfällig. Eine wirkliche Reform der Erbschaftsteuer: Es kann nicht sein, dass riesige Vermögen leistungslos vererbt werden und fast steuerfrei bleiben, während Arbeit Tag für Tag versteuert wird.

Und fast noch wichtiger: Große Erbschaften müssen stärker besteuert werden. Aktuell zahlen große Erbschaften keine Steuern, während es bei kleineren im Durchschnitt zehn Prozent sind. Das ist nicht nachvollziehbar und ungerecht. Ein weiteres, gewaltiges Problem: Gewinne aus Aktien und Dividenden dürfen nicht länger geringer besteuert werden als Löhne.

Zusätzlich müsste man sich die Abschaffung von ungerechten Subventionen anschauen: Steuerprivilegien für Unternehmen und Vermögende, die keinen gesellschaftlichen Mehrwert bringen, gehören abgeschafft. All das wäre finanzpolitisch machbar, wenn man den politischen Willen dazu aufbringt, sich auch mit mächtigen Interessen anzulegen.

Philipp 

Türmer

Deutschland besteuert Einkommen sehr stark, Vermögen aber kaum und das ist ein riesiges Gerechtigkeitsproblem.

Was hat es mit der Idee des Grunderbes der Jusos auf sich?

Das Grunderbe ist eine Idee, mit der wir Vermögensungleichheit konkret und gerecht bekämpfen wollen. Es geht darum, dass alle Menschen - unabhängig vom Elternhaus - einen gleichen Start ins Erwachsenenleben bekommen. Deshalb fordern wir ein staatlich finanziertes Grunderbe von z. B. 60.000 Euro für jede*n junge*n Erwachsene*n, ausgezahlt mit 18 Jahren.

Finanziert werden soll dieses Grunderbe durch eine Erbschafts- oder Vermögensteuer auf große Vermögen. Damit würden wir sicherstellen, dass nicht mehr allein der Geburtsort oder das Bankkonto der Eltern über die eigenen Chancen im Leben entscheiden. Es geht uns um Gerechtigkeit, Chancengleichheit und echte Freiheit zur Lebensgestaltung, für alle, nicht nur für die oberen ein Prozent.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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