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Gestaffelter Mutterschutz nach Fehlgeburten: Neue Rechte seit dem 1. Juni

Frauen, die vor der 24. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erlitten, hatten bislang in der Regel keinen Anspruch auf Mutterschutz. Seit dem 1. Juni ist das anders. Maßgeblich dafür gekämpft hat eine Sozialdemokratin.

von Jonas Jordan · 2. Juni 2025
Natascha Sagorski steht mit verschränkten Armen in einer schwarzen Lederjacke vor einer zweieinhalb Meter hohen leeren Krippe auf dem Marienplatz in München.

Ihr Kampf hat sich ausgezahlt: Natascha Sagorski steht vor einer zweieinhalb Meter hohen leeren Krippe, mit der sie für den gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten geworben hat.

„Hinter uns liegen drei Jahre Kampf und Engagement. Es war ein wirklich langer Weg“, sagt Natascha Sagorski und blickt zufrieden in die Gesichter ihrer Mitstreiterinnen. Die 40-jährige Sozialdemokratin steht an einem Dienstagmittag Ende Mai auf einem kleinen Podest auf dem Münchner Marienplatz. Rechts neben dem Podest steht eine zweieinhalb Meter hohe Wiege. Sie ist leer. Das symbolisiert das, was Sagorski 2019 erlebte und was statistisch gesehen jeder dritten Frau in Deutschland widerfährt: eine Fehlgeburt. Diese hätten viel mit Schuld und Scham zu tun und seien immer noch ein riesiges Tabu-Thema, erläutert Sagorski in ihrer kurzen Ansprache.

Bislang galt bei Fehlgeburten vor der 24. Schwangerschaftswoche zudem: Es gab für die betroffenen Frauen in der Regel keinen Anspruch auf Mutterschutz. Keine Zeit, das Erlebte, den Verlust körperlich wie mental zu verarbeiten. Im Zweifel mussten sie schon am nächsten Tag wieder arbeiten gehen. So wie Natascha Sagorski 2019. Drei Jahre später schrieb die Autorin ein Buch zu diesem Thema und erfuhr, wie vielen Frauen es genauso ging. „Zwischen null Tagen und 18 Wochen Mutterschutz liegen aktuell weniger als 24 Stunden. Das ändert sich am Sonntag“, sagt Sagorski in München.

Neue Regeln seit dem 1. Juni

Denn seit dem 1. Juni gibt es den gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutz bei Fehlgeburten. Ab der 13. Schwangerschaftswoche sind es zwei Wochen, ab der 17. Woche sind es sechs Wochen und ab der 20. Schwangerschaftswoche haben Frauen einen gesetzlichen Anspruch auf acht Wochen Mutterschutz. Sagorski selbst hätte das 2019 nicht geholfen. Denn sie erlebte ihre Fehlgeburt in der zehnten Schwangerschaftswoche. Auch deshalb fordert sie perspektivisch Nachbesserungen am Gesetz. Denn 80 Prozent der Fehlgeburten passierten im ersten Trimester, also in den ersten zwölf Wochen.

Doch erst einmal ist die neue Gesetzeslage ein großer Erfolg, der maßgeblich von Sagorski selbst ausging. 2022 startete sie eine Petition für eben jene Veränderung, die von mehr als 75.000 Menschen unterschrieben wurde. Doch würde das auch ausreichen, um den Bundestag zu einer Gesetzesänderung zu bewegen? Die Mehrheit schien schon sicher, als die Ampel-Koalition zerbrach. Ein weiterer Anlauf sollte im Januar folgen. Just in jener Woche verabschiedete die Union schließlich einen Entschließungsantrag gemeinsam mit der rechtsextremen AfD. Ein Vorgang, der alles dominierte. Dennoch gelang es, in der selben Woche das sogenannte Mutterschutzanpassungsgesetz im Parlament einstimmig zu verabschieden.

Mutterschutz bekannter machen

„Ich bin erleichtert, glücklich und dankbar“, sagt Sagorski angesichts der neuen Rechtssprechung im Gespräch mit dem „vorwärts“. Nun gelte es, die neue Gesetzeslage entsprechend bekannt zu machen, damit sie von möglichst vielen Frauen in Anspruch genommen werden könne. Hilfreich sei aus ihrer Sicht, den Satz „Wir werden eine Aufklärungskampagne zum Mutterschutz umsetzen“ in den Koalitionsvertrag von Union und SPD hineinzuverhandeln.

Natascha Sagorski ist Sozialdemokratin und hat erfolgreich für gestaffelten Mutterschutz bei Fehlgeburten gekämpft.
SPDings – der „vorwärts“-Podcast

SPDings – der „vorwärts“-Podcast, Folge 39 mit Natascha Sagorski

2022 startete Natascha Sagorski eine Petition für gestaffelten Mutterschutz, im Januar 2025 wurde daraus im Bundestag ein Gesetz. Auch deshalb ist die Sozialdemokratin überzeugt: „Frauen können verdammt gut Politik machen.“

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Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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