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Engagementstrategie: Wie der Bund die Zivilgesellschaft beflügeln will

Freiwilliges Engagement gehört zu den Fundamenten der Demokratie. Doch im Alltag stoßen Initiativen und Verbände auf viele Hindernisse. Mit einer neuen Engagementstrategie will die Bundesregierung für Erleichterungen sorgen.

von Nils Michaelis · 15. Februar 2024
Engagement für Demokratie und Vielfalt in Gotha

Das Engagement für Demokratie und Vielfalt wird von vielen Menschen tragen, die sich ehrenamtlich engagieren. So wie hier im thüringischen Gotha.

Ob im Kampf gegen Rechtsextremismus, beim Umweltschutz oder im Sportverein: Wer sich ehrenamtlich engagiert, trägt dazu bei, das gesellschaftliche Miteinander und damit auch die Demokratie zu stärken. Fast 29 Millionen Menschen in Deutschland leisten auf diese Weise einen Dienst am Gemeinwesen.

Dieses Engagement wird allerdings an vielen Stellen ausgebremst. Bei einer Vorlesung zur Krise des Ehrenamtes an der Technischen Hochschule Aschaffenburg nannte Bürgermeister Eric Leiderer (SPD) vier Handlungsfelder: Bürokratie, Digitalisierung, das Ehrenamt als Zielscheibe von Beleidigungen und Hatespeech sowie Anerkennung und Wertschätzung. Ähnlich äußern sich viele weitere Akteur*innen schon seit Jahren. 

Bei der Bundesregierung ist die Botschaft angekommen. Um ehrenamtliches Engagement zu beflügeln, erarbeitet sie eine Engagementstrategie des Bundes. Diese soll das freiwillige Engagement erleichtern, die Rahmenbedingungen für bürgerschaftlich Engagierte verbessern und damit die Widerstandskraft der Zivilgesellschaft stärken. Die Federführung hat das von Lisa Paus (Grüne) geführte Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Bestmögliche Rahmenbedingungen schaffen

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ariane Fäscher gestaltet diesen Prozess mit. Als Vorsitzende des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement will sie bestmögliche Rahmenbedingungen für Zivilgesellschaft und Ehrenamt in der Bundesrepublik auf den Weg bringen. 

Um die Bedarfe zu ermitteln, wurden im Ausschuss Sachverständige gehört, außerdem gab es Besuche bei bürgerschaftlichen Initiativen. Mehr als 10.000 Eingaben von Engagierten sind in die Arbeit an der Engagementstrategie eingeflossen. Mehr als 200 Verbände haben sich eingebracht. 

Fäscher begrüßt, dass die gegenwärtigen Proteste gegen Rechtsextremismus viele Menschen zusammenführen, die öffentlich Haltung zeigen. „Viele fragen sich aber auch: Wo und wie kann ich mich dauerhaft einbringen?“, sagt sie. Die Zivilgesellschaft und auch die politischen Parteien seien gefragt, um diesen Menschen eine Orientierung für ihr Engagement zu geben. Genau diesen Effekt erhoffen sich viele von der künftigen Engagementstrategie. Deren Elemente werden den Charakter von Empfehlungen haben.

"Engagement muss krisenfest werden"

„In einem ersten Schritt müssen wir schauen: Wo steht ehrenamtliches Engagement jetzt? Was braucht es?“, sagt Fäscher über den Stand der Vorbereitungen. Sie nennt ähnliche Handlungsfelder wie der Bürgermeister von Aschaffenburg. Zum Beispiel die Finanzierung. „Die üblicherweise auf ein Jahr beschränkte Projektförderung ist ein Problem“, sagt sie. „Wir brauchen Modelle für eine mittel- und langfristige Absicherung ehrenamtlicher Initiativen. Engagement muss krisenfest werden.“ 

Deshalb müsse der Bund auch die hauptamtlichen Strukturen stärken. Ob direkt in einzelnen Verbänden oder in zentralen Anlaufstellen, sei noch zu klären „Ohne Hauptamt kein Ehrenamt“, betont die Bundestagsabgeordnete, die in ihrem Brandenburger Wahlkreis verschiedene zivilgesellschaftliche Projekte und Vereine unterstützt. 

 

Ariane Fäscher

"Engagementpolitik ist Demokratiepolitik"

Zudem nennt Fäscher die digitale Transformation zivilgesellschaftlicher Initiativen, unter anderem im Bereich der Mitgliederverwaltung. Es gehe aber auch um digitales Engagement an sich, zum Beispiel ehrenamtliche Webseitenprogrammierung.

Auch der Bürokratieabbau sei von zentraler Bedeutung. „Stiftungs- und haftungsrechtliche Fragen oder auch Förderrichtlinien machen vieles sehr kompliziert.“ 

Ehrenamt muss neu gedacht werden

Hinzu kommen rechtliche Fragen, die Schaffung von Schnittstellen zwischen Zivilgesellschaft und Staat sowie zwischen den staatlichen Ebenen und schließlich die Etablierung von grenzüberschreitenden Engagementformen. 

Fäscher macht deutlich, dass ehrenamtliches Engagement neu gedacht werden müsse. „Viele Menschen arbeiten heute lieber in Projekten mit, anstatt einem Verein beizutreten." 

Zudem brauche es mehr Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement, an einigen Stellen auch im finanziellen Sinne. „Bislang muss man sich Engagement leisten können“, sagt sie. „Wir müssen es jedoch jeder und jedem ermöglichen, mitzumachen, das ist eine Frage gesellschaftlicher Teilhabe und des Gefühls von der Gemeinschaft gewollt und gebraucht zu werden.“ Auch hierfür müssten Netzwerke aufgebaut werden. 

„Engagementpolitik ist Demokratiepolitik“, so Fäscher. Sie rechnet damit, dass die Engagementstrategie im kommenden Herbst vom Bundeskabinett beschlossen und zum Deutschen Engagementtag vorgestellt wird.

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2 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Fr., 16.02.2024 - 06:41

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alle Bürger, die sich dem demokratischen Staat verpflichtet sehen, auch finanziell unter die Arme greifen. Engagement muss man sich nämlich leisten können, und da liegt der Hase im Pfeffer. Wir brauchen einen Zuschlag zum Bürgergeld, damit alle teilnehmen können an den Demonstrationen zum Erhalt unserer Demokratie. Geschieht dies nicht, bleiben wesentliche teile der Bevölkerung dort ungehört, und als Demokraten gerieren sich dann nur noch die Bessergestellten- die ohnehin schon von allem zuviel haben, während diejenigen, die sich die Teilnahme nicht leisten können, stigmatisiert werden. Sie sind im schlimmsten Fall dem Verdacht ausgesetzt, die Werte nicht zu teilen, für die demonstriert wird. Sie sind dann nicht nur benachteiligt, sie gelten auch noch als rechts. Das dürfen wir nicht zulassen

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 16.02.2024 - 09:44

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Die Abwendung vieler Bürger vom herrschenden System Richtung rechts hat sehr viel mit der verlorenen Glaubwürdigkeit der Politik zu tun. Erhöhte Steuern auf primärenergieträger sollten durch ein Energiegeld kompensiert werden - ja wo bleibt es denn vorm StNimmerleinstag ? Bildung, Rente .... vergiss es, das Geld wird gebraucht für Aufrüstung, Militarismus, Krieg. Leid und Tod, und wer dagegen ist ist ein Antidemokrat - ein Putinist ..... . Jaja, das 2%-Ziel. Der Herr Biden begrenzt den LNG-Export aus USA - wie war das nochmal mit der einseitigen Abhängigkeit ?
Heute wird für Regierungsdemonstrationen gegen Rechts geworben, aber es ist noch nicht 10 Jahre her als antifaschistische Demonstranten (z.B. in Dresden) zusammengeknüppelt wurden. Wer soll denn einer solchen Regierung noch irgendetwas glauben ????