Inland

Einfrieren der Sozialausgaben: Warum SPD und Gewerkschaften dagegen sind

Der Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner zum Einfrieren der Sozialausgaben stößt bei SPD, Gewerkschaften und Sozialverbänden auf Kritik. Die SPD liefert gleich zwei Ideen, wie die Verteidigungsausgaben zu finanzieren sind.

von Vera Rosigkeit · 26. Februar 2024
Sozialausgaben

Die SPD erklärt der Forderung nach Kürzungen bei den Sozialausgaben eine klare Absage

Um Mehr Geld in die Verteidigung investieren zu können, fordert FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner ein Moratorium für Sozialleistungen. Für drei Jahre soll es seiner Meinung nach keine Erhöhungen bei Sozialausgaben geben, ein für ihn „ganz großer Schritt zur Konsolidierung“, wie er vergangene Woche im ZDF-Talk „Maybritt Illner“ erklärte.

Mützenich: „Das lassen wir nicht zu“

Auf diesen Vorstoß reagierte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Sonntag im Bericht aus Berlin und empfahl dem Finanzminister, genau hinzuschauen. Die Sozialdemokratie tue dies, so Mützenich. 

Viele Menschen in Deutschland versuchten, am Ende des Monats über die Runden zu kommen. „Wenn jeder fünfte Arbeitnehmer das Bürgergeld braucht, um seinen Lohn aufzustocken, dann sehen wir wo die Probleme sind“, stellte Mützenich klar. Er halte es für ein großes Problem, „wenn einige meinen, die Ukraine-Hilfe könne gegen soziale und insbesondere gegen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgespielt werden. Das lassen wir nicht zu.“

Als Alternative zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben verwies Mützenich zum einen auf „starke Schultern, die mehr tragen können“. Zum anderen erklärte er, dass die Schuldenbremse immer noch erlaube, für solche außergewöhnlichen Belastungen auch von ihr Gebrauch zu machen.

Esken fordert höhere Steuern für Reiche

Auch SPD-Chefin Saskia Esken erteilte dem Vorstoß Lindners eine klare Absage. „Dafür stehe die Sozialdemokratie nicht bereit“, sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Samstag. Ebenso wie die Sozialverbände VdK und SoVD forderte sie stattdessen höhere Steuern für Reiche. Deutschland sei ein reiches Land, in dem „viele sehr reiche Menschen leben, die einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten können und zum Teil auch bereit dazu sind.“ 

DGB-Chefin Yasmin Fahimi warnte indes davor, „soziale Verwerfungen durch Einsparungsdebatten zu provozieren“. In der Zeitung Bild vom Montag erklärte sie, dass die Sozialausgaben in Deutschland „weder im internationalen noch im historischen Vergleich besonders hoch – und zuletzt auch keineswegs stark gewachsen“ sein. Für sie sei klar, dass die Unterstützung der Ukraine und der Flüchtlinge eine Notlage darstellten und bereits in der Finanzierung des Haushaltes 2024 hätte berücksichtigt werden müssen. Damit verwies Fahimi auf das Instrument der Schuldenbremse, die in Notsituationen ausgesetzt werden kann. 

Dullien: Sozialsausgaben nicht aufgebläht

Auch hatte in der vergangenen Woche eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) gezeigt, dass die Sozialausgaben in Deutschland in den zurückliegenden 20 Jahren ein ganzes Stück langsamer gewachsen seien als in anderen Ländern. Die Studie wurde vom wissenschaftlichen Direktor Sebastian Dullien und der IMK-Fiskalexpertin Katja Rietzle erarbeitet. „Wer von einem ungebremst wachsenden Sozialstaat spricht, oder davon, dass der Staat generell immer weiter aufgebläht werde, verbreitet eine Mär, die nicht durch Fakten gedeckt ist“, erklärte Dullien hierzu.

Auch der Ökonom Marcel Fratzscher wies am Montag auf X (ehemals Twitter) darauf hin, dass fast zwei Drittel des Sozialbudgets für Alter und Gesundheit ausgegeben werde, „dagegen weniger als fünf Prozent für #Bürgergeld und Arbeitslosigkeit“. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung verwies hier auf einen Faktencheck der Bundeszentrale für Politische Bildung

Die gesetzliche Rente kann allerdings beim Vorstoß Lindners nicht gemeint sein. Schon Ende vergangenen Jahres, mit Beginn der Diskussion um den Bundeshaushalt 2024, klärte die Deutsche Rentenversicherung in einem Faktencheck auf, dass die Alterssicherung von Kürzungen nicht betroffen sei. Die Höhe der Renten sei per Gesetz geregelt und es gebe einen Rechtsanspruch darauf. Zuschüsse des Bundes an die Rentenversicherung erfolgten ebenfalls  auf Grundlage von gesetzlichen Regelungen, die ebenso für die jährliche Anpassung der Renten gelte, die überdies einer gesetzlichen Schutzklausel („Rentengarantie“) unterliegt.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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4 Kommentare

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Mo., 26.02.2024 - 15:27

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Es ist selbstverständlich richtig, dass SPD und Gewerkschaften dagegen sind. Aber das reicht nicht aus. Es ist doch offenkundig, dass die Lindner-FDP mit Wissen und Wollen permanente Totalopposition in der Ampel-Bundesregierung betreibt. Wie lange will sich die Partei von Wilhelm Liebknecht, August Bebel, Willy Brandt, Egon Bahr, Rudolf Dressler, Ottmar Schreiner und und und das noch ohne totalen Gesichtsverlust bieten lassen ???

Die Lindner-FDP ist gesellschafts- und wirtschaftspolitisch auf dem Weg zur CDU/CSU. Es könnte zu einer Neuauflage eines 1982-ziger-Erlebnisses kommen. Das hieße dann jetzt "Lindner-Papier" . Wenn es keine direkte Änderung im TUN der Lindner-FDP gibt, muss der Kanzler handeln. Notfalls muss er die FDP-Minister-Riege entlassen.

nachvollzuziehbar, daher bringe ich noch mal die Erwartung zum Ausdruck, dass wir es nicht den andere überlassen dürfen, sozialpolitische Führung zu übernehmen. Mindestlohnerhöhung schreiben sich derzeit die Grünen auf die Fahne, das ist unser Thema für unsere Wähler. Also, rauf mit den Sozialleistungen. Es ist wissenschaftlich unbestritten, dass die Sozialleistungen unmittelbar in den Konsum gehen und damit Wertschöpfung kreiert, die wieder allen zugute kommt. Das gilt auch für Leistungen zugewanderter Männer. Das Geld fliesst zurück in den Kreislauf und stärkt unsere Produktion. Jonatan fährt Audi, und nicht Peugeot- um nur ein Beispiel zu geben

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Di., 27.02.2024 - 08:58

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ich kann mich nur wiederholen:

Wann wird endlich der Lobbyistenknecht Blockade-Lindner gestoppt?

Er verursacht eine schlechte Stimmung gegen die Bundesregierung in der Bevölkerung, er zieht die SPD und Grünen bei den Landtagswahlen herunter, er fördert AfD-Gewinne und missachtet vollkommen seinen Amtseid.

Tagtäglich erleben wir neue Blockaden, sein Generalsekretär plant schon nach dem Vorbild Genschers im Jahre 1982 einen Sturz der Regierung.

Es kann doch nicht so weitergehen, dass eine Mini-Partei die Richtlinien der Politik bestimmt und alles verhindert, was dem Wohl der Bevölkerungsmehrheit dient.