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Bund-Länder-Arbeitsgruppe gestartet: Wer bezahlt die Kosten für die Pflege?

Die Reform des Pflegesystems soll schnell gehen. Denn sowohl die Versorgung als auch die Finanzierung geben Anlass zur Sorge. Eine Kommission nahm am Montag hierzu die Arbeit auf, erste Vorschläge liegen vor. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

von Vera Rosigkeit · 8. Juli 2025
Geldscheine mit dem Aufdruck Pflegebeitrag

Der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung wurde zum 1. Januar 2025 von 3,4 auf 3,6 Prozent (Kinderlose zahlen 4,2 Prozent) erhöht.

Die Finanzierung sichern und ambulante und häusliche Pflege stärken, im Koalitionsvertrag ist von einer „großen Pflegereform“ die Rede, die Union und SPD gemeinsam auf den Weg bringen wollen. Eine Bund-Länder-Kommission soll Vorschläge erarbeiten. Am Montag kam sie zu einer ersten Sitzung zusammen. Klar ist: Die Zeit drängt und die Herausforderungen sind groß. 

Wie steht es um die häusliche Versorgung von Pflegebedürftigen?

Aktuell sind rund 5,7 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig, Tendenz steigend. Von ihnen werden 86 Prozent, rund 4,9 Millionen Menschen, zu Hause versorgt. Laut Sozialverband Deutschland (VdK) wenden pflegende Angehörige schon heute 49 Stunden pro Woche für die häusliche Pflege auf. Der Mangel an Fachkräften im Pflegebereich verstärkt den Druck auf die Angehörigen.

Wie entwickelt sich die ambulante Versorgung Pflegebedürftiger?

Die aktuell rund 800.000 Pflegebedürftigen, die in Heimen versorgt werden, müssen einen Teil ihrer Pflege selbst bezahlen. Wie der Verband der Ersatzkassen für 2024 berechnet hat, kostete ein Heimplatz im Juli 2024 im bundesweiten Durchschnitt monatlich rund 2.871 Euro, Tendenz ebenfalls steigend.

Wie hoch ist aktuell der Beitragssatz in der Pflegeversicherung für Beschäftigte?

Der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung wurde zum 1. Januar 2025 von 3,4 auf 3,6 Prozent (Kinderlose zahlen 4,2 Prozent) erhöht. Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen zahlen je zur Hälfte 1,8 Prozent des Grundbetrags.

Welche Probleme gibt es mit der Finanzierung der Pflegeversicherung?

Für das laufende Jahr wird in der Pflegeversicherung ein Minus von 1,65 Milliarden Euro erwartet, das sich 2026 auf 3,5 Milliarden Euro erhöhen könnte, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion Christos Pantazis dem vorwärts. Mit der jüngsten Finanzspritze von 800 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt werde das System nur kurzfristig stabilisiert. 

Wo liegen die Ursachen für die Lücke in der Pflegeversicherung?

Die finanziellen Probleme der Pflegeversicherung lassen sich nicht allein mit dem Anstieg an Pflegebedürftigen erklären. Vielmehr liegt ein Versäumnis auch darin, dass durch die Sparmaßnahmen des ehemaligen Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP) bereits zugesagte Mittel nicht zurück in die Pflegekassen geflossen sind. Er setzte nicht nur den jährlichen Bundeszuschuss zur Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro bis 2027 aus, es wurden auch Mehrkosten durch die Corona-Pandemie, die von der Versichertengemeinschaft getragen wurden, nicht wie eigentlich geplant aus Steuermitteln zurückgezahlt.

Was sind versicherungsfremde Leistungen?

SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt beziffert die Pandemiekosten auf rund 5,4 Milliarden Euro. Sie zählen ebenso zu den versicherungsfremden Leistungen wie beispielsweise Rentenbeiträge, die die Pflegeversicherung für Angehörige zahlt, wenn sie aufgrund einer Pflegetätigkeit weniger arbeiten – laut Schmidt sind das rund 3,6 Milliarden Euro im Jahr.

Was hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Pflege vor?

Um Reformen anschieben zu können, müsse das System zunächst stabilisiert werden, erklärte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) am Montag in einer Pressekonferenz im Anschluss an die erste Sitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Ohne Steuergelder „wird das nicht gehen.“ Die dauerhafte Übernahme versicherungsfremder Leistungen lehnte sie ab, sprach sich aber zugleich für zusätzlich „Kapitaldeckungselemente“ aus, auch vor dem Hintergrund, die Beiträge zur Versicherung begrenzt zu halten. 

Pflege sei ein komplexes Gesetz, „wir wollen sie einfacher gestalten“, betonte Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD). Themen des ersten Gesprächs seien unter anderem gewesen, ob der Eigenanteil in der ambulanten Pflege privat zu finanzieren sei. Zudem soll die Familienzeit eingeführt werden. Auch über eine Verschränkung von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung habe man sich ausgestaucht. Als Beispiel nannte Schlotzhauer Pflegestützpunkte, von deren Angebot auch privat Versicherte profitierten.

Wer ist die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Pflege?

Neben der Gesundheitsministerin im Bund wirken die auf Länderebene für Pflege zuständigen Minister*innen mit. Hinzu kommen Mitglieder des Deutschen Städtetags, des Deutschen Landkreistags und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Wann sind Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu erwarten?

Wie Gesundheitsministerin Nina Warken am Montag erklärte, teilt sich die Arbeitsgruppe in zwei Facharbeitsgruppen auf. Eine wird sich damit beschäftigen, die Versorgung der ambulanten und der häuslichen Pflege zu stärken, die andere damit, eine nachhaltige Finanzierung des Pflegesystems zu sichern. Ergebnisse, so Warken, sollen bereits im Dezember vorliegen, nach dem Jahreswechsel könne man dann in die Gesetzgebung gehen.

Was fordert die SPD im Pflegebereich?

SPD-Gesundheitsexperte Christos Pantazis fordert, dass die Versicherungsbeiträge bezahlbar bleiben und schließt gleichzeitig Leistungskürzungen aus. Außerdem halte die SPD an dem Ziel fest, die Eigenanteile bei den Pflegekosten deutlich zu begrenzen. Eine Deckelung auf 1.000 Euro im Monat sei ein wichtiges Signal für mehr Planungssicherheit und Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen, sagte er dem „vorwärts“. 

Was fordert die SPD zur besseren Finanzierung der Pflege?

Sozialverbände, Gewerkschaften und SPD fordern beispielsweise die Rückzahlung der Pandemiekosten aus Steuermitteln sowie die Übernahme versicherungsfremder Leistungen. Pantazis brachte ebenfalls eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze ins Gespräch. Auch das sei ein Weg die Einnahmeseite zu stärken, sagte er. 

Die Einführung einer solidarischen Pflegeversicherung, in die alle einzahlen, wäre zwar eine konsequent sozialdemokratische Lösung, dafür fehle aktuell aber die parlamentarische Mehrheit. Gemeinsam mit Dagmar Schmidt sprach sich Pantazis im Anschluss an das erste Treffen der Arbeitsgruppe Pflege für ein System aus, „das die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für eine verlässliche pflegerische Versorgung in den Mittelpunkt stellt und in dem sowohl die soziale Pflegeversicherung als auch die privaten Pflegeversicherungen einen fairen und solidarischen Beitrag leisten“.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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