Bürgergeld für ukrainische Geflüchtete: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Erneut wird über das Bürgergeld für Ukrainer gestritten. Die Innenminister wollen ab Mittwoch über das Thema beraten. Das sind die Fakten hinter der Debatte.
IMAGO / Michael Gstettenbauer
Die Bundesregierung will weiterhin an der Bürgergeld-Regelung für ukrainische Geflüchtete festhalten.
Was gilt für ukrainische Geflüchtete in Deutschland?
In Deutschland leben aktuell 1,3 Millionen ukrainische Kriegsgeflüchtete. Seit Juni 2022 haben sie einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung. Darauf hatten sich Bund und Länder nach Kriegsausbruch geeinigt. Ukrainer*innen ohne Arbeit können also Bürgergeld beziehen.
Das Bürgergeld hat zum Januar 2023 das Arbeitslosengeld II abgelöst. Eine Alleinstehende oder ein Alleinstehender bekommt im ersten Jahr 563 Euro im Monat, Menschen in Partnerschaft und Kinder erhalten weniger. Zusätzlich werden die Wohnkosten, Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung sowie Kosten für Schulbedarf übernommen. Außerdem gibt es Zuzahlungen in besonderen Lebenssituationen wie einer Schwangerschaft oder bei einem Umzug.
Warum beziehen ukrainische Geflüchtete Bürgergeld?
Ziel der Bürgergeld-Regeln für ukrainische Geflüchtete war die finanzielle Entlastung der Kommunen, da der Bund die Ausgaben für Leistungen der Grundsicherung wie das Bürgergeld trägt. Auch sollten die Behörden von dem enormen Bürokratieaufwand entlastet werden, der bei Asylverfahren für mehr als eine Million Ukrainer*innen in Deutschland entstanden wäre. Jedes Verfahren wird nämlich einzeln geprüft.
Ein weiteres Argument der Bundesregierung für den Sonderstatus der ukrainischen Geflüchteten ist, dass sie schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Geflüchtete aus anderen Ländern dürfen erst nach Anerkennung ihres Status arbeiten.
Was wird daran kritisiert?
Laut Bundesregierung beziehen rund 1,17 Millionen ukrainische Kriegsgeflüchtete Bürgergeld. Stimmen aus Union und FDP fordern einen Kurswechsel. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) kritisierte, dass auch Ukrainer*innen Bürgergeld bekommen, die in der Ukraine wehrpflichtig sind. „Es passt nicht zusammen, davon zu reden, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen und im gleichen Atemzug fahnenflüchtige Ukrainer zu alimentieren“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Auch Stübgens bayerischer Amtskollegen Joachim Herrmann (CSU) hatte kritisiert, dass Ukrainer im wehrpflichtigen Alter Bürgergeld bekommen. Wie viele tatsächlich wehrpflichtige Ukrainer in Deutschland leben und unterstützt werden, lässt sich allerdings kaum überprüfen - genau wie in Deutschland können Männer im wehrpflichtigen Alter in der Ukraine davon befreit sein. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schloss sich der grundsätzlichen Kritik am Bürgergeld an. Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten stattdessen unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, damit ein Anreiz geschaffen werde, sich Arbeit zu suchen.
Was sagen die Kommunen?
Auf kommunaler Ebene gehen die Meinungen auseinander: Während der Landkreistag eine Ungleichbehandlung der geflüchteten Ukrainer*innen im Vergleich zu anderen Gruppen sieht, sprechen sich der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund für die geltende Regelung aus.
Wie reagiert die Bundesregierung?
Die Bundesregierung erteilte einem Bürgergeld-Stopp eine klare Absage. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Rosemann, begründete das damit, dass ukrainische Bürgergeld-Empfänger*innen bei der Arbeitssuche von der Unterstützung des Jobcenters profitieren.
Was würde eine Änderung hin zum klassischen Asylverfahren bedeuten?
Derzeit gelten Geflüchtete aus der Ukraine als anerkannten Geflüchteten gleichgestellt und erhalten direkt vollen Zugang zum Arbeitsmarkt. Eine Änderung hin zum klassischen Asylverfahren würde das ändern.
Dann müssten Asylbewerber*innen zunächst in behördlich zugeteilten Unterkünften wohnen. Während sie das Asylverfahren durchlaufen, haben sie Anspruch auf Sozialleistungen, die im Schnitt 100 Euro unter dem Bürgergeld liegen. Erst nach Anerkennung ihres Status (im Schnitt nach sechs bis neun Monaten) erhalten sie Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen wie dem Bürgergeld.
Wie ist die Situation in anderen (EU-)Ländern?
Ukrainische Geflüchtete stehen in allen EU-Staaten unter einem vorübergehenden Schutz, der erst kürzlich um ein weiteres Jahr bis März 2026 verlängert wurde. Sie müssen also in der gesamten EU keinen Asylantrag stellen und erhalten direkt einen befristeten Aufenthaltstitel. Damit dürfen sie auch in den anderen EU-Staaten arbeiten und haben gegebenenfalls, wie in Deutschland, Anspruch auf Sozialleistungen.
Aufgrund der unterschiedlichen sozialgesetzlichen Regelungen lässt sich die Situation in den einzelnen Mitgliedsstaaten nur schwer vergleichen. In Belgien liegt die staatliche Sozialhilfe für ukrainische Staatsangehörige mit mehr als 1.200 Euro deutlich über dem deutschen Betrag, in vielen anderen Ländern – wie Italien oder Polen – rangieren die Zahlungen deutlich unter dem deutschen Niveau. Es gibt außerdem große Unterschiede, wenn es um zusätzliche Leistungen wie Krankenversicherung oder Familienzuschläge geht.
Das Bürgergeld ist eine Sozialleistung in Deutschland,
1. Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?Ukrainische Geflüchtete haben Anspruch auf Bürgergeld, wenn sie die folgenden Bedingungen erfüllen:Sie haben eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erhalten.Sie sind in Deutschland gemeldet.Sie sind hilfebedürftig und erwerbsfähig.2. Wie beantragt man Bürgergeld?Der Antrag auf Bürgergeld muss beim Jobcenter gestellt werden. Dazu müssen die notwendigen Formulare ausgefüllt und die erforderlichen Nachweise erbracht werden, wie beispielsweise:AufenthaltserlaubnisMeldebescheinigungNachweis über die Bedürftigkeit (z.B. Kontoauszüge)3. Welche Leistungen umfasst das Bürgergeld?Das Bürgergeld umfasst:Regelbedarf zur Deckung des LebensunterhaltsKosten der Unterkunft und Heizung (Mietkosten)Mehrbedarfe (z.B. bei Schwangerschaft oder Alleinerziehung)Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung4. Wie hoch ist das Bürgergeld?Die Höhe des Bürgergeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Familiengröße, dem Alter der Kinder und den Mietkosten. Der Regelbedarf für Alleinstehende beträgt ab Januar 2024 563 Euro pro Monat.5. Welche Pflichten haben die Leistungsempfänger?Empfänger von Bürgergeld müssen:aktiv nach Arbeit suchenan Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung teilnehmendem Jobcenter Änderungen in ihren Lebensumständen unverzüglich mitteilen6. Gibt es besondere Unterstützungsangebote für Geflüchtete?Ja, das Jobcenter bietet spezielle Beratungs- und Unterstützungsangebote für Geflüchtete, wie z.B. Integrationskurse, Sprachkurse und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen.7. Wie lange dauert die Bearbeitung des Antrags?Die Bearbeitungszeit kann variieren, liegt aber in der Regel zwischen einigen Wochen bis zu zwei Monaten. Es ist wichtig, alle erforderlichen Unterlagen vollständig und korrekt einzureichen, um Verzögerungen zu vermeiden.8. Was passiert, wenn der Antrag abgelehnt wird?Bei einer Ablehnung des Antrags besteht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Das Jobcenter überprüft dann den Antrag erneut. Gegebenenfalls kann auch eine Klage beim Sozialgericht erhoben werden.9. Können ukrainische Geflüchtete auch andere Sozialleistungen beantragen?Neben dem Bürgergeld können ukrainische Geflüchtete unter bestimmten Voraussetzungen auch weitere Sozialleistungen beantragen, wie z.B. Kindergeld, Wohngeld oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, falls sie keinen Anspruch auf Bürgergeld haben.