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AfD-Verbot: „So ein Verfahren ist eine Entscheidung für die Demokratie“

Die SPD will die Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD vorantreiben. Im Interview erklärt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede, wie aus dem Parteitagsbeschluss Realität werden soll. Und warum sie glaubt, dass auch CDU und CSU diesen Schritt unterstützen werden. 

von Nils Michaelis · 16. Juli 2025
Demonstrierende in Berlin fordern ein Verbot der AfD

Immer wieder fordern Demonstrierende ein Verbot der rechtstextremen AfD. So wie hier bei einer Kundgebung im Mai 2025 in Berlin.

Auf dem SPD-Bundesparteitag haben Sie vor dem demokratiefeindlichen Kurs der AfD gewarnt. Führende Vertreter*innen der Union lehnen ein Verbotsverfahren gegen die Partei ab. Handelt der Koalitionspartner unverantwortlich?

Es ist wichtig, dass wir rechtlich sauber prüfen, wo wir stehen. Wir haben vorgeschlagen, dass eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Materialien zusammenträgt und sorgfältig juristisch prüft, ob nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts die Voraussetzungen für ein gerichtliches Verfahren vorliegen. Ich glaube, dass genau dies rechtsstaatlich verantwortlichem Handeln entsprechen würde.

Sonja 
Eichwede

Wir haben einmal in Deutschland gesehen, dass demokratisch gewählte Parteien eine demokratische Ordnung außer Kraft setzen können, wenn sie an die Macht kommen.

Sie haben die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem als Warnung bezeichnet. Haben CDU und CSU diese Warnung nicht verstanden?

Diese Einstufung muss ernstgenommen werden. Das bedeutet auch, dass daraus Handeln abgeleitet und sie nicht nur hingenommen wird. Meinem Eindruck nach wird auch in der Union darüber diskutiert. Sicherlich kontrovers, aber es ist nicht so, dass kein Handlungsbedarf gesehen wird. 

Außerdem hat sich die Innenministerkonferenz darauf verständigt, dass eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet wird, um zunächst waffenrechtliche Fragen sowie Personalfragen und dienstrechtliche Fragen zu prüfen. Auch das ist ein wichtiger Schritt.

Aus gutem Grund haben wir Artikel 21 im Grundgesetz. Das ist die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie. Wir haben einmal in Deutschland gesehen, dass demokratisch gewählte Parteien eine demokratische Ordnung außer Kraft setzen können, wenn sie an die Macht kommen. Eine Prüfung ist daher auch eine Frage der Verantwortung, die wir als Antragsberechtigte haben, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen. 

Es ist wichtig, dass wir als SPD diesen Beschluss gefasst haben. Nun müssen wir andere von diesem Weg überzeugen, um unsere Verfassung und unser Land entsprechend zu schützen. Vor einer Prüfung der Voraussetzungen sollte niemand Sorge haben, wenn er nicht selbst Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit hat. 

Um die Prüfung eines Verbotsverfahrens in die Wege zu leiten, braucht die SPD die Union. Wie laufen die Gespräche auf Fraktionsebene?

Wir brauchen uns alle gegenseitig. Verfahren zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Partei haben die Antragsberechtigten bisher in der Regel gemeinsam beantragt. Das ist nicht zwingend erforderlich, aber sinnvoll. Häufig gab es vorher Bund-Länder-Arbeitsgruppen. 

Es ist wichtig, dass wir uns noch mal klarmachen, worum es hier geht, nämlich um eine Prüfung. Ich habe bisher noch keine Argumente gehört, die überzeugend darstellen, warum wir weiterhin blind bleiben sollten. Es geht nicht, um politische Positionen oder Meinungen, sondern um den Schutz unserer Verfassung. Deshalb diskutieren wir auf allen Ebenen, um einen geeigneten Weg zu gehen. 

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) scheint von dieser Argumentation nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Wie will die SPD gerade ihn umstimmen?

Wir sind in guten und konstruktiven Gesprächen. Dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe die angesprochenen Fragen prüft, ist ein wichtiger erster Schritt. 

Wann rechnen Sie mit der Einsetzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Material über die AfD sammeln soll? 

Möglichst schnell.

Wozu braucht es diese Arbeitsgruppe überhaupt? Genügen nicht die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, der die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hat?

Die Voraussetzungen für diese Einstufung und für ein gerichtliches Verfahren nach Artikel 21 sind nicht identisch. Die Tatbestandsvoraussetzungen müssen gesondert geprüft werden. Das heißt, die zusammengetragenen Nachweise müssen juristisch unter die Lupe genommen und eingeordnet werden. Das sind unterschiedliche Verfahren. Es gibt keinen Automatismus.

Richterin im Bundestag

Sonja Eichwede ist seit dem 7. Mai 2025 stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und unter anderem zuständig für Innen- und Rechtspolitik. Zuvor war die 37-jährige Juristin rechtspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Im Jahr 2020 wurde sie Richterin im Landgerichtsbezirk Neuruppin. Dieses Amt ruht seit ihrer ersten Wahl in den Bundestag im September 2021.

Sonja Eichwede im Reichstagsgebäude

Laut dem SPD-Beschluss sollen Bundesregierung, Bundestag oder Bundesregierung auf ein Verbotsverfahren hinwirken. Auf welches Verfassungsorgan setzen Sie am meisten? 

Ich glaube, dass man hier gemeinschaftlich verantwortungsbewusst handeln sollte, anstatt sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben. Was nicht bedeutet, dass zwingend alle drei Verfassungsorgane einen Antrag stellen müssen. Ein Gegeneinander darf es aber nicht geben. 

Bei der Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, sind selbstverständlich diejenigen, welche die Informationen haben, mehr gefordert und näher dran.

Warum haben Sie den Ende vergangenen Jahres von 113 Parlamentskolleg*innen eingebrachten Antrag für die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens nicht unterstützt?

Weil ich es von der Reihenfolge her richtig finde, dass man zuerst juristisch prüft, ob die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bevor man die finale Entscheidung trifft, ob man einen Antrag stellt oder nicht. Ich möchte eine fachlich fundierte Einschätzung über die Erfolgsaussichten eines Verfahrens haben, bevor ich einen Beschluss fasse. Zumal, wenn dieser immense Auswirkungen auf unser Land haben wird. 

Sonja
Eichwede

So ein Verfahren gegen die AfD ist keine Entscheidung gegen Wählerinnen und Wähler, sondern für die Demokratie.

In Brandenburg, wo Ihr Wahlkreis liegt, könnte die AfD die SPD in der Wählergunst bald überflügeln. Wie steht man dort zu einem AfD-Verbot?

Wir haben kürzlich auf unserem Landesparteitag darüber diskutiert. Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke hat deutlich gemacht, dass es wichtig sei, ein Verfahren zu prüfen und gegebenenfalls einzuleiten. Sollte es dazu kommen, muss man diesen Schritt gut erklären und möglichst viele Menschen abholen, die ihre Stimme der AfD gegeben haben. 

So ein Verfahren ist keine Entscheidung gegen Wählerinnen und Wähler, sondern für die Demokratie. Für sie, die allen ein Leben in Freiheit garantiert, müssen wir die Menschen begeistern. Es ist auch wichtig, gute Politik zu machen, die die Menschen spüren lässt, dass wir sie und ihre Probleme ernst nehmen und an Lösungen arbeiten. Dieses Vertrauen haben viele verloren. Wir müssen es zurückgewinnen, in dem wir das Leben vor Ort spürbar verbessern. 

Derweil hat die Führung der AfD-Bundestagsfraktion angekündigt, im Parlament verbal abzurüsten und auf pöbelnde Zwischenrufe zu verzichten. Wie glaubwürdig ist das?

Das werden wir sehen. Wenn schon die Diskussion über ein mögliches Verbotsverfahren einen mäßigenden Einfluss hat, zeigt das vielleicht auch, dass die Partei selbst weiß, dass sie bisher viele extremistische Aussagen getroffen hat, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen. Wir werden sehen, ob das etwas Grundlegendes ändert. 

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 16.07.2025 - 13:35

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Auch ich bin wahrlich kein Freund der afd, aber ein Verbotsverfahren geht wahrscheinlich nach hinten los. 25% Wählerzuspruch ? Gut viele Protestwähler kann man damit viellecht abschrecken, aber etliche werden sich radikalisieren, einen neuen Verein aufmachen oder sich bestehenden Strukturen anschließen.
Nur mit guter sozialdemokratischer Politik kann man diese afd zum Verschwinden bringen, aber das scheint mir mit der jetzigen SPD kaum möglich. Die SPD muss aufhören der afd die Wähler zuzutreiben.

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Do., 17.07.2025 - 10:34

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Bekanntlich hätte ein Verbot sowohl Vorteile (z.B. bei der Finanzierung) als auch Nachteile (z.B. Opferrolle). Wichtig wäre jedoch vor allem eine glaubhafte Politik, durch die endlich die Ärmeren erkennen würden, dass sie durch eine Wahl von AfD-Kandidaten sich nur selbst schaden würden.
Aber es muss bezweifelt werden, dass Leute wie Merz, Mautbrindt und Spahn eine Politik für den Großteil der Bevölkerung angehen würden, da sie nachweisich eher mit dem Kapital verbunden sind und daher nicht plätzlich eine 180 Grad-Wende vollziehen würden. Schließlich wollen sie nach ihrem Politikerleben zu ihren Geldgebern zurückkehren.
Und seit dem Rückzug von Rolf Mützenich und Hubertus Heil aus ihren Ämtern habe ich den - hoffentlich unbegründeten - Verdacht, dass die SPD sich eher wie in der Vergangenheit von der FDP nunmehr von der "CS"U über den Tisch ziehen lässt und die sozialdemokratischen Grundsätze, insbesondere eine überfällige Steuergerechtigkeit, vernachlässigt.

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