Inland

20 Milliarden Euro: Welche Schulen vom Startchancen-Programm profitieren

Bund und Länder werden in den kommenden Jahren rund 20 Milliarden Euro in ausgewählte Schulen investieren. Das Besondere am Startchancen-Programm: Die Verteilung des Geldes erfolgt nach sozialen Kriterien.

von Vera Rosigkeit · 4. Juni 2024
Schulklasse mit der Aufschrift Klasse 1 a

Bereits im August soll es losgehen: über zehn Jahre lang werden Bund und Länder mit jeweils einer Milliarde Euro pro Jahr insgesamt 4.000 Schulen in ganz Deutschland finanziell unterstützen. Das Besondere an diesem Bildungsprogramm sind die Kriterien zur Auswahl der Schulen, die über einen Sozialindex erfolgt: Gefördert werden Schulen in herausfordernder Lage – basierend auf den Faktoren Armut und Migration. 

„Das Startchancen-Programm kann dazu beitragen, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufzubrechen“, erklärt die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) zur Unterzeichnung der Bund-Länder-Vereinbarung am Dienstg in einer gemiensamen Pressekonferenz mit Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in Berlin.

Gezielte Förderung als Idee

Welche Idee hinter dem Programm steckt
Das Programm „Startchancen“ ist Teil des Koalitionsvertrags der Ampel. Hintergrund bilden Ergebnisse von Bildungsstudien, die immer wieder belegen, dass in Deutschland die soziale Herkunft stark über den Bildungserfolg von Schüler*innen entscheidet. In den vergangenen zwei Jahren hat sich die SPD nicht nur für die Umsetzung, sondern auch für einen baldigen Start des Programms stark gemacht. In einem Interview mit dem „vorwärts“ erklärte SPD-Chefin Saskia Esken die Idee dahinter: Das Programm soll „gezielt die Schulen unterstützen, die einen hohen Anteil benachteiligter Schülerinnen und Schüler haben.“ Dabei gehe es um Armut und um die Sprache, die in den Elternhäusern gesprochen werde. „Das sind zwei Nachteile, die oft zusammenkommen“, so Esken.

Welche Ziele das Programm verfolgt
Das Programm legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Stärkung der Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Laut Bildungsministerium ist ein Ziel, „die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, bis zum Ende der Programmlaufzeit an den Startchancen-Schulen zu halbieren“. Gefördert wird die Infrastruktur und Ausstattung der Schulen, in Schul- und Unterrichtsentwicklung und die Stärkung multiprofessioneller Teams, z.B. durch schulische Sozialarbeit.

Soziale Kriterien entscheiden

Welche Schule Geld bekommt
Bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel aus dem Startchancen-Programm spielen vor allem die sozialen Rahmenbedingungen an Schulen eine Rolle. Konkret soll der Anteil junger Menschen, die in Armut leben und/oder eine Migrationsgeschichte haben entscheidend sein, aber auch das Bildungsniveau der Eltern oder die Arbeitslosenquote im Einzugsgebiet. Da Bildungspolitik Ländersache ist, entscheiden sie über die Verteilung der Fördermittel. Einige Länder nutzen hierzu einen in ihrem Bundesland bereits bestehenden Sozialindex.

Welche Kriterien eine Rolle spielen
Da es keinen bundesweiten Sozialindex für die Auswahl der Schulen gibt, entscheiden die Länder unterschiedlich: So hat Berlin langjährige Erfahrung mit einem Sozialindex im Bonus-Programm. Kriterien hier sind Lernmittelbefreiung oder die örtliche Lage in Sozialräumen. In Nordrhein-Westfalen sind es die SGB-II-Quote, nichtdeutsche Familiensprache und der Zuzug aus dem Ausland. Andere Länder nutzen zur Auswahl andere Kriterien. Im Saarland beispielsweise wurde die Übernahme der Schulbuchgebühren als Hinweis auf Armut und die Ergebnisse der jährlichen Sprachtests als Indikator für Migration genutzt.

Welche Schulen bereits feststehen
Die Auswahl der ersten Schulen ist in allen 16 Ländern erfolgt.„Zum Schuljahr 2024/2025 wird das Programm bereits mit 2.060 Schulen an den Start gehen“, erklärt Sönke Rix, Fraktionsvize der SPD im Bundestag, am Dienstag. Das seien mehr als doppelt so viele Schulen wie zum Programmstart angedacht. Bis 2026 müssten dann alle restlichen Schulen benannt werden, fügt er hinzu. So wird beispielweise Berlin mit 59 Schulen starten und im Laufe der Zeit auf rund 150 bis 160 Schulen aufstocken. Bayern hat aktuell Förderzusagen für 100 Schulen. In Hamburg sind zur Zeit 90 Schulen im Programm, im Saarland sollen insgesamt 55 Schulen teilnehmen. Eine detaillierte Übersicht findet sich unter www.bmbf.de

Geld reicht für eine Million Schüler*innen

Wie viele Schüler*innen erreicht werden
Rund 4.000 Schulen in herausfordernder Lage sollen gefördert werden, das betrifft ungefähr eine Million Schülerinnen und Schüler. Davon laut Programmvorgaben 60 Prozent der Schüler*innen im Primarbereich (Grundschulen und Förderschulen) und 40 Prozent in weiterführenden Schulen (Gemeinschaftsschulen und berufliche Schulen).

Wie viel Geld insgesamt investiert wird
Für das Startchancen-Programm stellt der Bund bis zu einer Milliarde Euro jährlich zur Verfügung. Die Länder beteiligen sich in gleichem Umfang. Da das Bildungsprogramm auf zehn Jahre angelegt ist, werden so insgesamt 20 Milliarden Euro investiert. Die Unterstützung kann verschiedene Formen annehmen: durch zusätzliche finanzielle Mittel, zusätzliche Lehrkräfte, pädagogische Unterstützung oder spezielle Förderprogramme.

SPD-Stimmen
Der Fraktionsvize der SPD im Bundestag Sönke Rix begrüßt, dass das Geld vor allem dort ankomme, wo es gebraucht wird: in Schulen, in denen beispielsweise die Schülerschaft besonders von Armut betroffen ist oder einen besonders hohen Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund aufweist. „Mit dem Startchancen-Programm richten wir die Bildungsfinanzierung neu aus, das Geld fließt dorthin, wo es am meisten gebraucht wird.“

Auch für SPD-Chefin Saskia Esken ist es gut, dass die Mittel gezielt eingesetzt würden und nicht „mit der Gießkanne im ganzen Land verteilt“. Im vorwärts-Interview betonte Esken aber auch, dass das Startchancen-Programm für die Größe der Aufgabe nicht ausreiche. Denn „wir erreichen damit gerade mal ein Zehntel aller Schulen und müssten doch zumindest die Hälfte erreichen“. Ihrer Meinung nach sei Deutschland auch finanziell leistungsfähig genug, um diese Aufgabe zu stemmen.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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