Kultur

Gegen Hass und Hetze – so wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk stärker

Für Rechtspopulist*innen sind die öffentlich-rechtlichen Medien ein Feindbild. Auch aus der Union kommt zunehmend Kritik. Das schwächt nicht nur den Rundfunk, sondern auch die Demokratie, warnt der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh.

von Lars Haferkamp · 6. Mai 2024
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt von allen Medien in Deutschland das größte Vertrauen. Die Tagesschau der ARD gehört immer noch zu den meist gesehensten Nachrichtensendungen der Republik.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt von allen Medien in Deutschland das größte Vertrauen. Die Tagesschau der ARD gehört immer noch zu den meist gesehensten Nachrichtensendungen der Republik.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) steht unter wachsendem Druck: Nicht nur seine Arbeit, auch seine Mitarbeiter*innen werden vermehrt angegriffen, sogar körperlich. Braucht der ÖRR mehr Unterstützung aus der Politik?

Ein klares Ja. Er braucht mehr sichtbare und mutige Unterstützung statt eines immer wieder festzustellenden „Ja, aber…“ aus der Politik. Wir brauchen bei der Unterstützung einen Wechsel vom Defensiv- in den Offensivmodus. 

Man hat den Eindruck, aus der Politik kommt vor allem Kritik, aber wenig Unterstützung.

Debatten über zu viel gendern oder angeblich zu viele „Minderheitenthemen“ im Programm sind sicher keine Stärkung. Gefährlich wird es, wenn solche rechtspopulistischen Erzählungen verstärkt werden aus Teilen der Union. Auch hier hören wir oft, der ÖRR sei zu teuer, zu kritisch, zu links. Das ist Unsinn und schwächt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Die AfD will mit den Öffentlich-Rechtlichen die Demokratie schleifen

Die AfD will den Rundfunkbeitrag komplett streichen und die Zahl der Rundfunkanstalten reduzieren. Was ist Ihre Reaktion darauf?

Ein unmissverständliches und kompromissloses Nein! Die AfD zeigt ein mustergültiges Beispiel, wie rechtsextreme Parteien versuchen, mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Demokratie zu schleifen. Die AfD ist hier noch radikaler als viele Rechtsextreme in Europa. Mit der Erzählung von der „Lügenpresse“ wird unliebsame Berichterstattung attackiert. Das Endziel ist die Verhinderung einer kritischen Öffentlichkeit und letztlich die Abschaffung kritischer Medien. Das wäre das Ende unserer Demokratie.

Sind die Angriffe von rechtsaußen auf den ÖRR also Angriffe auf unsere Demokratie?

Das sind sie. Das Gefährliche dabei: Die Feinde der Demokratie tarnen ihre Attacken, indem sie behaupten, sie seien „die eigentlichen Demokraten“, sie wollten die Demokratie „verbessern“. Der Wolf im Schafspelz – dieser gezielten Täuschung dürfen wir nicht auf den Leim gehen. Die AfD hetzt gegen Migranten oder queere Menschen und behauptet, die Öffentlich-Rechtlichen sollten sich um „normale Menschen“ kümmern. Das verfängt bei vielen, oft bis in die Mitte der Gesellschaft. Zur Demokratie gehört aber auch der Schutz von Minderheiten. Die AfD appelliert an den inneren Schweinehund und versucht die Mehrheit gegen einzelne Minderheiten aufzuhetzen. Dagegen müssen alle Demokrat*innen aufstehen.

Welche Rolle hat der ÖRR in Zeiten von gezielter Desinformation und von zunehmenden Fake News?

Diese spielen sich meist im digitalen Raum ab. Deshalb müssen wir neben der notwendigen Stärkung der Öffentlich-Rechtlichen – als Korrektiv zu Desinformation und Fake News – die digitalen Plattformen in den Blick nehmen. Hier darf nicht weiter ungehindert Hass und Hetze verbreitet werden. Die Politik muss aktiv werden, um den Hetzer*innen das Handwerk zu legen und die Demokratie zu schützen. Auch brauchen wir im digitalen Raum mehr Vielfalt und weniger Monopole.

Rechtlich bindende Vorgaben gegen Hass und Hetze

Was kann die Politik hier tun?

Erfolgreich können wir hier nur sein, wenn wir international agieren, zumindest auf europäischer Ebene. Wir brauchen verbindliche rechtliche Vorgaben für die Plattformen gegen Hass und Hetze. Es geht auch um kartellrechtliche Fragen, um Vielfalt und einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Den haben wir nämlich nicht im digitalen Raum, und das schadet ganz massiv dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie den lokalen Medien.

Die Frage der Finanzierung des ÖRR führt in der Politik immer wieder zu Streit. Sind Gehälter und Pensionen wirklich zu hoch?

Wir brauchen Transparenz bei den Einkommen. Statt dabei aber populistischen Debatten zu führen sollten wir genau hinschauen: Wie sind die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen im ÖRR? Ihre Möglichkeiten zur Mitbestimmung sollten wir stärken. Der ÖRR sollte hier Vorreiter sein und für andere Maßstäbe setzen.

Auch in der Union gibt es immer wieder Forderungen, auf eine Erhöhung der Rundfunkgebühren zu verzichten. Was halten Sie davon?

Das ist für mich ein Kotau vor den Rechtspopulist*innen, ein Offenbarungseid der Union. Statt pauschal über die Rundfunkgebühren zu lamentieren sollte Politik konkret fragen: Inwieweit erfüllt der ÖRR seinen Auftrag? Welche Mittel braucht er dazu? Und wo ist eine Erhöhung nötig? Ich bin für eine ganz konkrete Prüfung. Sollten dabei Einsparpotentiale – etwa in der Verwaltung – identifiziert werden, sollten sie genutzt werden. Das hier Eingesparte sollte dann in guten Journalismus investiert werden. Das stärkt unsere Demokratie.

Kritik am ÖRR gibt es auch immer wieder wegen einer angeblich nicht ausgewogenen Programmvielfalt. Gibt es hier Verbesserungsbedarf?

Ich plädiere bei diesem Thema – das ist meine persönliche Meinung – ganz vehement dafür, in noch nicht gekanntem Ausmaß die Bevölkerung einzubeziehen und deutlich mehr Bürgerbeteiligung auf den Weg zu bringen. Es sollte mehr interaktiven Austausch zwischen Sendern und Bürger*innen geben. Das würde den ÖRR stärken und wäre eine echte Chance, ihn wieder aus der Defensive in die Offensive bringen.

Helge Lindh

ist Sprecher der AG Kultur und Medien der SPD-Bundestagsfraktion.

Helge Lindh ist Sprecher der Arbeitsgruppe Kultur und Medien der SPD-Bundestagsfraktion.

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1 Kommentar

Gespeichert von Martin Hebe (nicht überprüft) am Di., 07.05.2024 - 09:51

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"Sollten dabei Einsparpotentiale – etwa in der Verwaltung – identifiziert werden, sollten sie genutzt werden."

Öffentlich-rechtlich werden pro Jahr galaktische zehn Mia. verfeuert und dem Autoren fällt nichts Konkretes ein?
Die Reduktion der Intendanzen und Anstalten auf eine wäre ein Anfang. (Es gibt nur eine BBC.) Hat mit redaktioneller Vielfalt keinen Zusammenhang.
Solange das System als fragwürdige Unausweichlichkeit ausgestaltet wird, dann bitte die Beiträge auch entlang den Einkommen.
Zumindest der U-Bereich sollte sich einem fairen Wettbewerb stellen. Es gibt da überhaupt keinen Mangel.
Bei der Produktion sollte mindestens so viel an Breite eingespart werden, dass es Depublizierungen im Netz nicht mehr bedarf.