Kultur

Warum die öffentlich-rechtlichen Medien für unsere Demokratie so entscheidend sind

Heike Raab, die Co-Vorsitzende der Medien- und Netzpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstands, über Stärken und Schwächen der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland, den Streit um die Erhöhung der Rundfunkgebühren und die Angriffe der Rechtspopulisten.
von Karin Nink · 22. Februar 2021
Heike Raab: Die Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien-Staatssekretärin ist Co-Vorsitzende der Medien- und Netzpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstands.
Heike Raab: Die Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien-Staatssekretärin ist Co-Vorsitzende der Medien- und Netzpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstands.

Warum braucht man im digitalen Zeitalter noch öffentlich-rechtliche Medien?

Wir haben in Deutschland mit einem breit gefächerten privaten und öffentlich-rechtlichen Angebot eines der vielfältigsten Mediensysteme in Europa, ja in der ganzen Welt. Dieser journalistische Wettbewerb bietet eine unglaubliche Vielfalt. Zudem haben die Öffentlich-Rechtlichen ein weltweites Korrespondenten-Netz, das einen Schatz an Informationen birgt und abbildet.

Welchen Vorteil hat dabei die Pflichtfinanzierung der Öffentlich-Rechtlichen?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen ziemlich allumfassenden Grundversorgungsvertrag. Er soll alle Menschen in Deutschland erreichen. Dafür müssen alle Sender der ARD, das ZDF sowie Deutschlandradio und Deutschlandfunk mit einem entsprechenden Nachrichten- und Informationsangebot sehr breit aufgestellt sein. Im deutschen Rundfunk- und Medienrecht ist abgesichert, dass unsere Medien basierend auf dem Grundgesetz Presse- und Rundfunkfreiheit genießen. Das ist auch für unsere Demokratie sehr entscheidend. Und wer frei berichten können soll, der darf nicht durch wirtschaftliche Zwänge gezwungen sein, eine gewünschte Meinung zu vertreten. Genau dafür sorgt der Rundfunkbeitrag.

Sachsen-Anhalt hat im Dezember dem Staatsvertrag zur Anhebung der Rundfunkgebühren um monatlich 86 Cents nicht zugestimmt. Welche Folgen hat das?

Das ist ein bisher einmaliger Vorgang und ein Tabu-Bruch. Damit wird gegen den Willen der 15 anderen Bundesländer eine Erhöhung der Rundfunkgebühren verhindert, weil es dazu ein einstimmiges Votum im Länderkreis braucht. Derzeit sind die Folgen noch nicht unmittelbar zu spüren. Aber die Beitragsfinanzierung ist auf vier Jahre ausgelegt. Das heißt, wenn die nächsten Tarifsteigerungen auf die Sendeanstalten zukommen, wird es schwierig. Und im Laufe des Jahres wird sichtbar werden, dass z. B. Bereiche der Produktion in Mitleidenschaft gezogen werden.

Nun gab es den Vorwurf der extremen Rechten, die Öffentlich-Rechtlichen seien so etwas wie „Staatsfunk“?

Das Argument lässt sich leicht widerlegen: Denn die Programmaufsicht der Sender sind pluralistisch besetzte Gremien, die wesentliche Gruppen der Bevölkerung abbilden. Es finden sich da Vertreter der Kirchen, der Gewerkschaften, der Arbeitgeber, aber eben auch der Politik. Es sind alle Religionen vertreten und Minderheiten. Die Sender entscheiden unabhängig, was im Programm gesendet wird.

Ein Unterscheidungsmerkmal zu privaten Sendern ist der gesetzliche Bildungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen…

Ja. Das ist eine wesentliche Aufgabe. Die Bedeutung von Information und Bildung ist gerade in jüngster Zeit wieder sehr gewachsen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Menschen ein unglaubliches Bedürfnis nach Information und damit auch nach Bildung haben. Wie flexibel und sich ihres besonderen Auftrags bewusst die Rundfunkanstalten da reagiert haben, zeigt das Homeschooling-Angebot in den Mediatheken.

Es wird aber auch im demokratischen Spektrum schon lange darüber diskutiert, ob die öffentlich-rechtlichen Sender noch zeitgemäß sind. Gibt es berechtigte Kritikpunkte?

Natürlich kann man auch Dinge besser machen. Warum haben die Sendeanstalten keine gemeinsame öffentlich-rechtliche Plattform? Wenn uns das in Deutschland gelingen würde, könnte das auch ein Modellprojekt für Europa sein. Außerdem müssen wir die digitale Transformation bei den Sendern ermöglichen. Es muss ja nicht jede Produktion zwingend linear ausgestrahlt werden. Dokus werden heute schon meist „on demand“, also auf Abruf, über die Mediathek geschaut. Und schließlich sollten wir prüfen, ob nicht mehr Synergien bei gemeinsamen Produktionen möglich sind.

Wie soll es jetzt ohne Gebührenerhöhung weitergehen?

Nachdem Sachsen-Anhalt einfach nicht abgestimmt hat, war klar, der Medienänderungsstaatsvertrag kommt nicht zustande. Es war absehbar, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio Verfassungsbeschwerde eingelegt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar abgelehnt, die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar per Eilantrag durchzusetzen. Eine inhaltliche Entscheidung hat das Gericht in der Sache aber noch nicht abgegeben. Deswegen haben die Bundesländer nun verschiedene Stellungnahmen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Wir hoffen im Interesse aller auf eine schnelle Entscheidung aus Karlsruhe. Parallel dazu werden wir den Prozess der Reform der Auftragsstruktur und der Finanzierung der Sender fortsetzen.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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