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DJV-Chef Frank Überall: „Medienregulierung ist systemrelevant“

Die einen halten sie für zu rigide, die anderen für die lasch: Die Regulierung von Medien sorgt immer wieder für Kritik. Warum sie wichtig für eine Demokratie ist und wo Gefahren liegt, sagt der Vorsitzende des Journalistenverbands, Frank Überall.
von Kai Doering · 15. April 2022
Der Presserat kann auch journalistische Online-Veröffentlichungen kontrollieren. Das birgt jedoch Gefahren, warnt Frank Überall.
Der Presserat kann auch journalistische Online-Veröffentlichungen kontrollieren. Das birgt jedoch Gefahren, warnt Frank Überall.

In einem Expertengespräch der SPD-Bundestagsfraktion haben Sie kürzlich davor gewarnt, die Aufsicht über unabhängige, journalistische Onlinemedien dem Deutschen Presserat zu überlassen. Was genau befürchten Sie?

Seit der jüngsten Änderung des Medienstaatsvertrags Ende vergangenen Jahres sind die Landesmedienanstalten auch für journalistisch-redaktionelle Online-Veröffentlichungen zuständig. Als Alternative wird in der Vorschrift die Möglichkeit eröffnet, sich verbindlich dem Pressekodex des Presserates zu unterwerfen, wie das im Rahmen freiwilliger Selbstkontrolle etablierte Zeitungs- und Zeitschriftenverlage auch mit ihren Onlineauftritten schon seit langem machen. Die Verlagshäuser sind aber nahezu durchweg seriös. Bei neueren Onlineportalen ist das nicht immer so, da werden Propaganda und Desinformation zuweilen unter dem Deckmantel des Journalismus serviert. Was machen wir denn, wenn Rechtextreme, Salafisten und russische Trolle uns im Netz Journalismus vorgaukeln? Da stellt sich doch die Frage, ob der Presserat die richtige Einrichtung für die faktische Aufsicht über Medienanbieter ist, die an sich selber gar nicht den Anspruch stellen, aufrichtig zu berichten und auf Grundlage von Fakten zu kommentieren.

Aber übernehmen dann nicht einfach wieder die Landesmedienanstalten?

Im Prinzip schon, der Presserat kann bei fortgesetztem Fehlverhalten natürlich das Vertragsverhältnis kündigen. Und falls das ein Massen-Phänomen werden sollte, müssen die Landesmedienanstalten natürlich organisatorisch nachhaltig ausgestattet sein, um das zu bewältigen.

In Zeiten des Internets sind Medienangebote weltweit verfügbar. Sind Aufsichtsinstanzen auf Länderebene überhaupt noch zeitgemäß?

Natürlich. Medienregulierung ist systemrelevant, indem sie die Demokratie stabilisiert. Die Herausforderungen waren doch nie so groß wie heute. Die staatsferne Organisation der Landesmedienanstalten war, ist und bleibt die richtige Antwort darauf. Natürlich müssen sich diese Einrichtungen auf die ständig wandelnde Medienwelt einrichten, aber das machen sie ja auch, wie wir zum Beispiel an den jüngsten Erfolgen bei der Verfolgung internationaler Anbieter von jugendgefährdender Pornographie sehen können.

Eine Konsequenz dieser Veränderungen ist, dass Journalismus kaum noch finanzierbar ist. Das sagen zumindest die Medienhäuser und schließen sich zu Gruppen zusammen, die eine Vielzahl von Medien mit journalistischen Texten versorgen. Kann da noch von Medienvielfalt die Rede sein?

Glücklicherweise ist das Problem der Politik ja bekannt, wie auch der „Medienpolitische Dialog“ der SPD-Bundestagfraktion gezeigt hat. Die Ampel-Koalition will ja in dieser Legislaturperiode eine Presseförderung auf den Weg bringen, die auch bei den Produzierenden von Lokaljournalismus und den entsprechenden Journalistinnen und Journalisten ankommt. Aber Förderung der Vielfalt ist natürlich auch ein Thema der Landesmedienanstalten. So haben die Einrichtungen etwa in Bayern und Nordrhein-Westfalen spannende Start-Up-Förderungen initiiert, und in Hessen bereichern beispielsweise nicht kommerzielle Lokalradios und ein Offener Kanal die Medienlandschaft. Ich bin davon überzeugt, dass solche Ansätze der richtige Weg sind. Spannend wird da auch die Idee, gemeinnützigen Journalismus auf zuverlässige rechtliche Füße zu stellen.

Gerade junge Menschen nutzen nur noch wenig etablierte Medien. Was nützt es da, vor allem den professionellen Journalismus zu regulieren?

Gerade deshalb ist es so wichtig, dass sich – nicht nur – Landesmedienanstalten auch um das Thema Medienkompetenz kümmern. Viele machen da schon vorbildliche Projekte. Das muss weiter eine starke Säule bleiben. Darüber hinaus finde ich es unheimlich spannend, wie auf den verschiedenen Ebenen in unserem Föderalismus, aber auch in der Europäischen Union, die Lage beobachtet wird und gemeinsam Instrumente für eine angemessene Medienregulierung diskutiert und entwickelt werden.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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