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SPD-Linke: Wie ihr Rezept gegen den Rechtsruck aussieht

Das „Forum DL21 – die Linken in der SPD“ hat die Ergebnisse der Europa- und Kommunalwahlen analysiert. Damit die SPD wieder besser abschneidet, will man Mitgliederbegehren starten und sich an Österreichs Sozialdemokratie orientieren. Warum, sagt Sprecher Erik von Malottki im Interview.

von Jonas Jordan · 19. Juni 2024
Der Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki bei einer Rede auf dem SPD-Bundesparteitag.

Der Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki bei einer Rede auf dem SPD-Bundesparteitag.

Die Sommertagung von DL21 stand unter dem Motto „Unser Rezept gegen den Rechtsruck“. Wie sieht das aus?

Aus unserer Sicht ist die Antwort klar: Sozialdemokratie pur. Ein Grund für den Rechtsruck ist, dass wir als Sozialdemokratie nicht genügend Antworten auf soziale Fragen geliefert haben. Die Wahlanalyse zeigt, dass die Kompetenzzuschreibung der SPD beim Thema soziale Gerechtigkeit wesentlich geringer war als bei der Bundestagswahl und auf dem tiefsten Stand der letzten zwei Jahrzehnte. Uns fehlen auch beim Thema soziale Gerechtigkeit die konkreten Angebote. 

Ein weiterer Rechtsruck droht, wenn es zu einem Kürzungshaushalt in sozialdemokratischen Kernbereichen kommen sollte. Dazu zählen Familie, Kita, Jugend, Arbeit, Soziales und Gesundheit.

Wie sehr besorgt Sie die Entwicklung mit Blick auf Ostdeutschland? In Ihrem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern war die AfD bei der Europawahl mit 28,3 Prozent deutlich stärkste Kraft, die SPD landete nur noch bei 10,3 Prozent. Bei der Landtagswahl vor drei Jahren waren es noch knapp 40 Prozent für die Sozialdemokratie.

Ostdeutschland war ein Schwerpunkt in unserer Wahlauswertung und Wahlanalyse. Wir sehen in Ostdeutschland flächendeckend eine Normalisierung von Rechtsaußen, der AfD und auch faschistischer Tendenzen. Der rassistisch motivierte Angriff auf zwei Mädchen mit ghanaischer Migrationsgeschichte in Grevesmühlen reiht sich da ein. Mir macht das riesige Sorgen. 

Ich bin auch Kommunalpolitiker und bei der Kreistagswahl in Vorpommern-Greifswald hat die AfD 30 Prozent der Stimmen gewonnen. Das sorgt für schwierige Mehrheitsverhältnisse und es droht die Lähmung. Das ist aber keine unumkehrbare Entwicklung, denn die gleiche AfD haben wir vor drei Jahren an der Wahlurne noch geschlagen. Doch diesmal haben uns die Antworten gefehlt, die wir 2021 noch hatten.

Bei der Europawahl haben nur noch zwölf Prozent der Arbeiter*innen SPD gewählt, aber 33 Prozent AfD. Welche Rolle hat das in Ihrer Analyse gespielt?

Das hat eine wichtige Rolle bei uns gespielt. Denn die Reallohnverluste durch die Inflation sorgen für ein Grundrauschen, auf dem die AfD ihr Süppchen kochen kann. Deswegen müssen wir konkret die soziale Lage von Arbeitenden mit mittleren und niedrigen Einkommen verbessern. 

Wir haben daher beschlossen, drei Mitgliederbegehren vorzubereiten, für einen Mindestlohn von 15 Euro, für einen bundesweiten Mietendeckel und für ein kostenfreies Mittagessen für Kinder in Kitas und Schulen. Das sind für uns drei konkrete Maßnahmen, die die soziale Lage von sehr vielen Menschen verbessern.

Beschlossen haben Sie auch ein Mitgliederbegehren zum Bundeshaushalt. Was ist die Idee dahinter?

Wir können keinen Haushalt mittragen, bei dem auf Druck der FDP in sozialdemokratischen Kernbereichen gekürzt wird. Das würde die Glaubwürdigkeit der SPD noch weiter gefährden. Denn wir leben in einer Zeit, in der wir massive Investitionen des Staates brauchen und keine massiven Kürzungen in Bereichen wie Bildung, Wohnen, Gesundheit, Arbeit und Soziales. 

Aus dieser Analyse heraus haben wir die Idee entwickelt, dass die einfachen SPD-Mitglieder bei der Beurteilung des Haushaltes eine Stimme haben sollten.

Erik
von Malottki

Eine Orientierung an der dänischen Sozialdemokratie ist der falsche Weg.

Wie sieht der Zeitplan dafür aus? Denn sie brauchen zunächst die Unterstützung von einem Prozent aller SPD-Mitglieder.

Genau. Wir sind jetzt in Kontakt mit dem Willy-Brandt-Haus über die konkrete Umsetzung. Wir wollen unser Begehren in den nächsten Tagen einreichen, aber wir müssen noch auf eine, durch uns zu unterzeichnende Datenschutzerklärung aus dem Willy-Brandt-Haus warten. Das scheint eine größere Hürde zu sein, als wir dachten. Dann hätten wir einen Monat Zeit, um ein Prozent der Mitglieder zu erreichen. Danach würde eine dreimonatige Mitgliederbegehrensphase beginnen, in der 20 Prozent der Partei das Mitgliederbegehren unterstützen müssten. Das würde dann auch genau in die Phase der Haushaltsverhandlungen im Bundestag fallen.

Grob gerechnet müssten Sie also bis Ende Juli genügend Unterschriften sammeln und das Begehren selbst liefe dann etwa bis Ende Oktober.

Genau, wobei wir das Begehren auch schon früher beenden könnten, wenn wir unser Ziel bereits erreicht haben. Im besten Fall wird am 3. Juli im Bundeskabinett schon ein Haushalt mit sozialdemokratischer Handschrift vorgelegt.

Noch mal zurück zu Ihrem Rezept gegen den Rechtsruck: An welchen sozialdemokratischen Positivbeispielen orientieren Sie sich dabei?

In Österreich sehen wie bei der Sozialdemokratie eine Konzentration auf konkrete Maßnahmen, die Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen helfen. Das ist für uns ein Leitstern. Wir haben bei der Europawahl aber auch in anderen Ländern starke Ergebnisse für sozialdemokratische Parteien mit einem klaren Profil gesehen, zum Beispiel in Portugal oder Schweden. In der aktuellen Debatte in Deutschland wird häufig auf die dänische Sozialdemokratie als vielversprechendes Modell verwiesen, aber die dort eingefahrenen Verluste sprechen eine klare Sprache. Eine Orientierung an der dänischen Sozialdemokratie ist also der falsche Weg.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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6 Kommentare

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Mi., 19.06.2024 - 19:24

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„Sozialdemokratie pur“, therapieren „die Linken in der SPD“. Bei ihrer Diagnose fiel ihnen auf, dass „wir als Sozialdemokratie nicht genügend Antworten auf soziale Fragen geliefert haben“. So „sorgen (z. B.) die Reallohnverluste durch die Inflation für ein Grundrauschen, auf dem die AfD ihr Süppchen kochen kann“. Und woher kommt hauptsächlich die Inflation? Warum muss Scholz für „bezahlbare Energie“ sorgen? Warum „droht ein ... Kürzungshaushalt in sozialdemokratischen Kernbereichen“ und in seiner Folge „ein weiterer Rechtsruck“? Warum sprechen manche – nicht ganz unbegründet - von beginnender Deindustrialisierung in Deutschland?

Ein zweiter Grund ist „den Linken in der SPD“ aufgefallen: „Wir sehen in Ostdeutschland flächendeckend eine Normalisierung von Rechtsaußen, der AfD und auch faschistischer Tendenzen“. Ich glaube auch, dass diese „Tendenzen“ nicht nur auf die geringe „Kompetenzzuschreibung der SPD beim Thema soziale Gerechtigkeit“ zurückzuführen, sondern intrinsisch sind.

Eine Analyse, zumal eine von „den Linken in der SPD“, die völlig ohne Erwähnung des Hauptgrundes für fast alle unsere wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen das Aufblühen der AfD erklären kann, ist keine. Wie wir mit dem Ukrainekrieg, Zeitenwende, seine Entstehung, seine Fortführung und seine Beendigung umgehen, ist erbärmlich. Seit Sonntag, seit Kamala Harris, wissen wir es: „Amerika steht ... an der Seite der Ukraine, weil es in unserem strategischen Interesse ist“. Mit einem Satz zerstörte Harris alle unsere Narrative über den Krieg in der Ukraine.
Die „Linken in der SPD“ sollten daraus Konsequenzen ziehen.

Zitat: "Seit Sonntag, seit Kamala Harris, wissen wir es: „Amerika steht ... an der Seite der Ukraine, weil es in unserem strategischen Interesse ist“. Mit einem Satz zerstörte Harris alle unsere Narrative über den Krieg in der Ukraine.
Die „Linken in der SPD“ sollten daraus Konsequenzen ziehen."

Das ist gar nicht nötig. Niemanden interessieren solche Details. Es wurde sogar im Spiegel und in der Tagesschau berichtet aber fragen sie mal die Leute auf der Straße. 99,9% haben das nicht mitbekommen und finden auch nichts verwerflich daran. Denn es gab ja keinen "Aufschrei" in Politik und Medien. Also kann das nur eine unbedeutende Randnotiz sein.

Gespeichert von Rainer Koob (nicht überprüft) am Fr., 21.06.2024 - 04:06

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Als ehemaliger sehr aktiver Juso und Renegat hier mal wieder gelesen.
Au Backe. Das ist in meinen Augen ja wie eine Autobahnfahrt mit Vollgas auf der falschen Seite mit zugebundenen Augen. Dieser "Linke" Vordenker von Malottki kehrt praktisch alle Gründe für die Auflösung der SPD unter seinen roten Teppich. Die einstige Friedenspartei Willy Brandts ruft auf zum Krieg, schädigt unsere Industrie durch nutzlose Sanktionen gegen Russland, erzeugt die höchste Inflation seit Kriegsende und faselt etwas von einem Mindestlohn. Den Mindestlohn braucht jed8ch niemand, wenn die SPD deutsche Politik betreiben würde.

Stattdessen Stiefellecken beim US- Amerikaner, Schulbub Scholz grinst dümmlich zur Sprengung der Nordstream Pipeline während er neben dem senilen Greis steht, der sich US-Präsident betiteln darf.

Jedoch die Kernfrage wird vom Genossen von Malottki nicht einmal erwähnt: Massenmigration in die Sozialsysteme der deutschen Arbeiter und Angestellten. Wie bitteschön soll denn so Solidarität funktionieren? Die identitäre, kulturelle und religiöse Seite gar nicht weiter thematisiert.

Wer die deutschen Malocher mit Gender, Klimawahn, Radwegen in Peru, CO2 Finanzskandalen a la China, ständigen moralinsaueren Talkshows traktiert, der braucht doch keine Analyse dieses Wahldesasters.
Dazu kommen täglich Messermorde, Überfalle, Diskriminierung von Weissen, vom Staat mitgedeckte Antifa-Überfälle, Unterrichtsausfälle, chronisch schlechte Bahnverbindungen, endlose Bürokratie, Steuerabzocke wie noch niemals seit Kriegsende.

Ich rede viel mit Menschen. Und gerne frage ich dann: "Was ist in den letzten 20 Jahren bei dir durch Politik besser geworden?" Bisher hat mir noch niemand eine Antwort darauf geben können.

Ich habe gegen dan NATO-Doppelbeschluss jahrelang demonstriert und zeitgleich meinen Wehrdienst für mein Vaterland geleistet. Ich habe das letzte Mal aus tiefer Überzeugung SPD gewählt und mir ein SPD-Plakat mit Gerhard Schröder ins Fenster gehängt, als der Gerd NICHT mitgemacht hat beim Irakkrieg. Lang ist's her.

Und ich verspreche euch Genossen: Meine Kinder werdet ihr NICHT bekommen für eure Ostfront 3.0.
So wenig, wie ihr sie zum Abspritzen während der Corona Plandemie bekommen habt!

Ich weiss, dass dieser Kommentar hier nie veröffentlicht wird. Denn der VORWÄRTS, den ich während meiner Studienzeit als Wochenzeitnung abonniert hatte, der wird natürlich "Haltung zeigen" und das, was ich in 30 Minuten verfasst habe in 0,3 sec löschen. Aber das ist mir Pumpe.

Mein Opa war Sozialdemokrat, mein Vater war bei der SJD und auch Sozialdemokrat, ich war Juso und auch Sozialdemokrat. Meine Kinder sind es nicht mehr. Auch meine Frau ist ausgetreten. Verzeiht mir, wenn ich nun ganz sarkastisch werde aber was weder Bismarck noch Hitler geschafft haben, das scheint nun ein Kartell zu erreichen, dem eine Frau Esken und ein Herr Klingbeil vorstehen: Den Untergang der einst stolzen und mächtigen Deutschen Sozialdemokratie.

Gespeichert von Oliver Czulo (nicht überprüft) am Mo., 24.06.2024 - 09:57

Antwort auf von Rainer Koob (nicht überprüft)

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Wer ernsthaft von "Massenmigration in die Sozialsysteme" spricht, hat den Kontakt zur Realität leider schon verloren: Ohne Zuwanderung würde unsere Wirtschaft (und damit unsere Sozialsysteme) ziemlich arm aussehen, darauf wird selbst von höchster Wirtschaftsseite immer wieder hingewiesen. Ähnlich sieht es mit "Aussagen" zu einem angeblichen "Klimawahn" aus, aber wenn im Ahrtal oder Bayern dann das Wasser mit einer inzwischen beängstigenden Regelmäßigkeit hochsteht, ist das Geschrei mindestens ebenso groß. Auch der ganze Rest der Tirade hat mit den tatsächlichen Verhältnissen nichts zu tun, es zeigt sich nur an mehreren Stellen die Sehnsucht nach der "guten alten Zeit", die so gut auch nicht war; nur schauen wir heute zum Glück kritischer hin. Ob aus der kritischen Betrachtung dann die richtigen Rückschlüsse gezogen werden, ist eine andere Frage ...

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 22.06.2024 - 14:50

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Camilla Harris sagt auf dem "Friedensgipfel" in der Schwez: " Amrica stands with Ukraine not out of charity but because it is out stratgic interest". (Die USA stehn an der Seite der Ukraine nicht wegen der Wohltätigkeit sonder wegen unserer strategischen Interessen; freie Übersetzung von mir). Das ist klipp und klar gesagt und da wird nicht von "Werten" gefaselt und nicht von Freiheit und Demokratie.
Jedem der den Kopf nicht nur hat damit er das Stroh nicht in den Händen tragen muss könnte daraus Schlüsse ziehen. Unsere Politiker und seien es "SPD-Linke" sind entweder nicht in der Lage dies zu tun oder sie versuchen uns hinter die Fichte zu führen. Das hat auch bei Wahlentscheidungen seine Konsequenzen !!!!! Abkehr von der verlogenen dienernden Politik ist angesagt !!!!