Meinung

Wie die Schuldenbremse eingehalten und trotzdem investiert werden kann

Ob Wohnungsbau oder Bahn: Deutschland muss massiv in seine Infrastruktur investieren. Die Schuldenbremse setzt hier aber enge Grenzen. Die Lösung könnte ein Blick in die Vergangenheit bringen.

von Gustav Horn · 5. März 2024
Vorbild aus der Vergangenheit: Mithilfe des Marshall-Plans (benannt nach George Marshall, r.) wurde die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut.

Vorbild aus der Vergangenheit: Mithilfe des Marshall-Plans (benannt nach George Marshall, r.) wurde die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut.

Die Wirtschaftspolitik nicht nur in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Sie muss in einem extrem schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeld nicht nur den Umstieg in nachhaltige Formen des Produzierens und Konsumierens leisten, sondern zugleich die  Daseinsvorsorge in vielen Bereichen grundlegend modernisieren. Das erfordert Investitionen in massiven Umfang und über einen langen Zeitraum.

Ohne höhere Steuern für Vermögende und eine zeitweise höhere Verschuldung ist dies nicht zu leisten. Mit einer Opposition, die die rechtlich zulässigen Wege über Sondervermögen oder eine über kurz oder lang unvermeidliche Reform der Schuldenbremse blockiert, müssen angesichts der Dringlichkeit der Probleme kurzfristig andere Wege gefunden werden. 

Den Bausektor ankurbeln

Einen schmalen Ausweg könnte ein Blick in die Vergangenheit aufzeigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das zerstörte (West-)Deutschland mit Hilfe massiver Investitionshilfen aus dem Marshallfonds wieder aufgebaut. Diese bestanden im Wesentlichen aus Darlehen, die über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ausgereicht wurden. Dieser Gedanke wurde jüngst in einem Papier der SPD Grundwertekommission aufgegriffen.

Ohne die rechtlichen Regelungen zur Schuldenbremse zu strapazieren, könnte man die KfW so mit Kapital ausstatten, dass sie ihr Kreditvolumen merklich erhöhen könnte. Dieses könnte durch eine deutlich erhöhte Vergabe von zinsverbilligten Darlehen gezielt zur Förderung des privaten Wohnbaus eingesetzt werden. Dabei geht es weniger um einen konjunkturellen Impuls als um einen längerfristig verlässlich erhöhten Aktivitätspfad in der Bauindustrie. Nur so lässt sich ein Kapazitätsabbau im Bausektor vermeiden, der ansonsten beim nächsten Aufschwung zu Engpässen im Bausektor mit entsprechenden Preissteigerungen führt.

Zugleich bringt man durch eine dynamischere Aktivität im  Wohnungsbau den darnieder liegenden Immobilienmarkt wieder in Bewegung, so dass der Druck in Richtung höhere Mieten abnehmen dürfte. Die vom Bauministerium auf den Weg gebrachten vereinfachten bürokratischen Vorschriften dürften erst dann richtig wirksam werden. 

Etablierung eines Deutschlandfonds

Mit einem ähnlichen Vorgehen ließen sich die Investitionen der Bahn beschleunigen. Stockt man ihr Eigenkapital hinreichend auf, wird sie in die Lage versetzt, ihre Investitionen in die Infrastruktur entsprechend stärker auszuweiten. Auch diese Aufstockung fällt nicht unter die Schuldenbremse, weshalb sie ja auch bereits Teil der Regierungsstrategie ist. Allerdings soll das stärkere finanzielle Engagement des Bundes nicht durch höhere Schulden finanziert werden, sondern durch den Verkauf von Anteilen an anderen Unternehmen wie der Telekom. Dies wäre wirtschaftlich aber nur dann sinnvoll, wenn die Renditeerwartungen für die Telekom in der Tendenz unterhalb der aktuellen Zinshöhe liegen, was eher zweifelhaft ist. Grundsätzlich ist dieser Weg aber richtig, um das Mobilitätssystem zu modernisieren.

Ein weiterer Schritt wäre die Etablierung eines Deutschlandfonds. Dieser hätte zum Ziel, Transformation vor allem in der Industrie voranzubringen. Die Investitionsförderung aus diesem Fonds sollte auf drei Ziele beschränkt sein:

  1. Sie sollte neue Technologien hervorbringen, die klimaschonende Produktion ermöglichen.
  2. Sie sollte die Digitalisierung beschleunigen.
  3. Sie sollte die Resilienz gegenüber geopolitischen Konflikten stärken. 

Investitionsimpulse trotz Schuldenbremse

Die Bundesregierung könnte diesen Fonds ebenfalls ohne Rücksicht auf die Schuldenbremse mit Kapital ausstatten. Darüberhinaus sollten aber auch private Anleger*innen die Möglichkeit haben, ihr Kapital in diesem Fonds anzulegen. Dies impliziert jedoch, dass mit diesen Förderungen anders als bei den Investitionen in die Daseinsvorsorge im Durchschnitt auch Renditen erzielt werden müssen. Durch die Beteiligung des Staates dürften aber insbesondere Investoren, die Risiken scheuen, wie z.B. Versicherungen, bereit sein, zu relativ niedrigen Erträgen in diesen Fonds zu investieren.     

Mit diesen drei Maßnahmen ließe sich trotz Schuldenbremse ein spürbarer Investitionsimpuls auslösen. Vor allem würde damit das Signal gegeben, dass wir längerfristig in eine Phase dynamischer Investitionen in den Wandel unserer Wirtschaft gehen. Das würde das Vertrauen verunsicherter Investor*innen stützen und daraus könnte wie mit dem früheren Marshallplan ein selbstragender Aufschwung mit gutem Wachstum und guten Arbeitsplätzen entstehen.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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4 Kommentare

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Mi., 06.03.2024 - 12:15

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Gustav Horn ist ein sehr kluger Mann. Und er ist Mitglied im SPD-Parteivorstand. Das sind doch beste und privilegierte Voraussetzungen. Die SPD muss M E H R daraus machen.

Seit dem Parteitag im Dezember ist Gustav Horn nicht mehr Mitglied im SPD-Parteivorstand.

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Fr., 08.03.2024 - 13:08

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Sehr geehrter Herr Döring,
das ist dann insoweit Tatsache.
Aber das ändert ja überhaupt NICHTS an der Fachkompetenz von Gustav Horn!

Überhaupt nicht! Wir wollten das nur richtig stellen, weil es in unserer Autorenbeschreibung falsch stand.