Meinung

Ein Jahr Krieg im Sudan: Was Deutschland jetzt tun sollte

Ein Jahr nach Ausbruch der Kämpfe erlebt der Sudan eine humanitäre Katastrophe – abseits öffentlicher Aufmerksamkeit. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Coße macht in einem Gastbeitrag deutlich, was nun getan werden sollte.

von Jürgen Coße · 12. April 2024
Zum Weltfrauentag machen Demonstrant*innen auf die Situation von Frauen im Sudan aufmerksam.

Zum Weltfrauentag machen Demonstrant*innen auf die Situation von Frauen im Sudan aufmerksam.

Der sudanesische Bürgerkrieg hat eine der weltweit größten humanitären Krisen herbeigeführt. Aufgrund anderer internationaler Brennpunkte – Stichwort Ukraine und Nahost – geht die verheerende Situation im drittgrößten afrikanischen Staat jedoch nahezu unter. Jan Egeland, Direktor des Norwegian Refugee Council, sprach bereits im November 2023 vom „größten vergessenen Krieg unserer Zeit“. Das traurige Jubiläum von einem Jahr blutiger Kämpfe sollte Anlass sein, dem entgegenzuwirken.

Zwei ehemals Verbündete führen den Krieg. De-facto Präsident al-Burhan, Anführer der Sudanesischen Streitkräfte (SAF), und sein einstiger Vize Hemeti, Befehlshaber der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF). Gemeinsam verhinderten sie die Demokratisierung des Landes. Doch dann stürzte ihr persönlicher Machtkampf den Sudan in einen neuen Krieg. Ein Konflikt unter dem an erster Stelle die Zivilbevölkerung leidet.

Die Lage ist alarmierend 

Über die Hälfte der Einwohner*innen des Landes, 25 Millionen Menschen, sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen – darunter 14 Millionen Kinder. Besonders gefährdet ist die Bevölkerung von Unterernährung. 18 Millionen Menschen haben zu wenig Essen. Die Direktorin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, Cindy McCain, warnte vor „der größten Hungerkrise der Welt“. Neben Hunger erhöhen Choleraausbrüche, sexualisierte Gewalt und ethnische Säuberungen – insbesondere vonseiten der RSF – das Leid der Zivilbevölkerung. Mehr als acht Millionen Menschen sind bereits auf der Flucht. Der Sudan ist aktuell das Land mit den meisten Vertriebenen weltweit.

Entgegen der humanitären Katastrophe steht die geringe Aufmerksamkeit, die dem Krieg und seinen Folgen geschenkt werden. Der Sudan findet kaum Platz in Politik und Medien. Die entsetzliche Situation verschärft sich dabei weiter. Al-Burhan und Hemeti beharren auf dem Ziel, den Gegner auszuradieren. Alle bisherigen Vermittlungsversuche sind gescheitert.

Wege zur Begrenzung der Krise 

Der Krieg im Sudan und der damit einhergehende humanitäre Notstand muss zunächst mehr Aufmerksamkeit erfahren. Daraus folgend ist es besonders notwendig, die finanzielle Unterstützung der Hilfsorganisationen hochzufahren. Der von den Vereinten Nationen erstellte Humanitäre Reaktionsplan für den Sudan ist aktuell nur zu fünf Prozent gedeckt. Die Finanzierungslücke liegt bei 2,6 Milliarden US-Dollar. Die Geberkonferenz in Paris darf nur ein erster Schritt sein, um diese Lücke zu schließen. Die Verbesserung der humanitären Zustände muss oberste Priorität haben.

Zudem sollten Deutschland und die Europäische Union den Druck auf Staaten mit größerer Einflussnahme im Sudan – Türkei, Saudi-Arabien, Ägypten, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate – erhöhen. Auch eine Stärkung der eigenen diplomatischen Kapazitäten vor Ort wäre hilfreich. Der Einfluss auf die Konfliktparteien verlagert sich aber zunehmend in den Nahen Osten. Insofern gilt es dort anzusetzen. Besonders Ägypten, Unterstützer der SAF, und die Vereinigten Arabischen Emirate, Unterstützer der RSF, können Hebel sein, um stärker auf al-Burhan und Hemeti einzuwirken und einen Waffenstillstand zu erreichen.

EU sollte Waffen- und Goldhandel sanktionieren

Die Europäische Union sollte ferner wirtschaftliche Maßnahmen gegen Kriegsbeteilige intensivieren. Seit Januar 2024 stehen zwar sechs Organisationen auf der EU-Sanktionsliste. Diesbezüglich ist aber Luft nach oben. Waffen- und besonders Goldhandel sollten im Fokus zukünftiger Sanktionen liegen. Nur dank der Goldeinnahmen stehen sich im bitterarmen Sudan zwei Armeen mit zehntausenden Soldaten gegenüber. Insbesondere die RSF würde ohne den Goldhandel – auch mit Russland – nicht in der aktuellen Stärke existieren.

Gelingt es nicht dem Krieg und seinen Folgen Einhalt zu gebieten, droht Millionen Sudanes*innen der Hungertod und dem Staat Sudan der totale Kollaps. Deutschland und die Europäische Union müssen durch verstärkte Aufmerksamkeit und Einflussnahme dem entgegenwirken.

Autor*in
Jürgen Coße
Jürgen Coße

ist SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Parlamentariergruppe Zentralafrika.

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