Ein bloßes Dagegen reicht nicht: Wie Rechtspopulisten gestoppt werden können
Der Aufstieg der Rechtspopulisten gefährdet die liberale Demokratie weltweit. Allein auf ihre Verteidigung zu setzen, reicht nicht aus. Die Wiederwahl von Donald Trump in den USA muss dabei eine Warnung sein.
IMAGO / ZUMA Press Wire
Messias Donald? Trump konnte eine Leerstelle für einen Teil der Wählerschaft besetzen, für den von progressiver Seite keine attraktiven Angebote formuliert werden.
Kaum ein Tag vergeht, an dem Donald Trump nicht mit einer skurrilen Ernennung von Familienmitgliedern oder alten Weggefährten für hohe Posten Verwunderung auslöst. Ab Januar sollen diese Personen dann das mächtigste Land der Erde regieren. Eineinhalb Monate nach seinem Wahlsieg stehen viele Progressive, denen die liberale Demokratie am Herzen liegt, noch immer fassungslos da: Wie konnte Donald Trump überhaupt diese Wahl gewinnen? Nach all dem Chaos seiner ersten Amtszeit und nachdem sein am längsten dienender Stabschef den ehemaligen Präsidenten öffentlich als Faschisten bezeichnet hatte?
Der Erfolg des Dagegen-Wahlkampfs blieb aus
Fast überall konnten die Trump-Republikaner gegenüber 2020 erhebliche Gewinne erzielen, selbst in den größten Hochburgen der Demokraten. Das Ergebnis ist in vielerlei Hinsicht dramatisch und wird gravierende Folgen haben – nicht nur für die USA. Aus dieser Wahl müssen Lehren gezogen werden. Eine davon dürfte sein: Die liberale Demokratie lässt sich nur im Vorwärtsgang verteidigen.
Jenseits des offensichtlichen Personaldesasters – dem sturen Festhalten Joe Bidens an der Macht und der Ermangelung eines demokratischen Prozesses der Kandidatenkür – wird immer deutlicher, dass die Demokraten es kaum geschafft haben, inhaltlich zu punkten. Wie 2020 und bei den Midterms 2022 führten sie insbesondere einen Wahlkampf gegen Donald Trump. Der Erfolg blieb jedoch dieses Mal aus.
Zu Beginn ihrer Kandidatur profitierte Kamala Harris von der Erleichterung darüber, dass der unbeliebte und sehr alte Joe Biden doch noch zum Ausstieg bewegt werden konnte. Es gelang ihr, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Doch dann setzte das Team Harris immer stärker darauf, die Wähler*innen von sich als Verteidigungslinie gegen Trump und die MAGA-Bewegung („Make America Great Again“) zu überzeugen.
Nicht zu Unrecht: Trump hat nicht viel übrig für die altehrwürdigen Institutionen der US-Demokratie und wird versuchen, sie seinem Willen zu beugen – auch wenn er sich dabei selbst, wie andere Populist*innen, als „wahren“ Demokraten versteht. Bei der Mehrheit der Wähler*innen verfingen die Warnungen der Demokraten letztlich nicht. Ihre zentrale politische Strategie seit Trumps erstem Wahlsieg 2016 dürfte damit endgültig gescheitert sein.
Den Demokraten fehlte es am Wofür
Trump schaffte es vor allem mit den Themen Wirtschaft und Migration zu punkten – auch wenn seine Angebote eher Ressentiments als überzeugende Lösungen bieten. Auch wenn die Republikaner nahezu bei allen demografischen Wählergruppen hinzugewinnen konnten, angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten fand Trump offenbar bei Wähler*innen ohne universitären Abschluss großen Anklang. Insbesondere die „Arbeiter“ wendeten sich von den Demokraten ab – zunächst seit 2016 vor allem die weiße Arbeiterschaft, 2024 auch in wachsendem Maße asiatische, schwarze und Latino-Wähler*innen. Dabei gelang es Trump offenbar, über das Ressentiment hinaus, ein Identitätsangebot zu formulieren, von dem sich Menschen – insbesondere jüngere Männer – eine Aufwertung versprechen.
Trump konnte eine Leerstelle für einen (wachsenden) Teil der Wählerschaft besetzen, für den von progressiver Seite keine attraktiven Angebote formuliert werden. Oder wie es Bernie Sanders formulierte: „Trump hatte seine Vision. Sie war falsch. Sie war unehrlich. Sie war in viel Fällen rassistisch und sexistisch. Aus meiner Sicht hatten die Demokraten keine“. Es fehlte am Wofür.
Die Antwort muss auf handfester Politik bestehen
Aber natürlich haben es Mitte-links-Parteien auch ungleich schwerer als populistische Politikunternehmer*innen. Sie werden daran gemessen, inwieweit sie ihren Worten Taten folgen lassen. Entsprechend muss die Antwort auf die populistische Herausforderung unter dem Strich für Mitte-links-Parteien immer in guter, handfester Politik bestehen. Auch wenn es schwieriger wird, die Mehrheiten und richtigen Partner für die Umsetzung zu finden.
Die Antwort muss aber zugleich dringend über das Klein-Klein der politischen Machbarkeitslogik hinausgehen, die von den Wählerinnen und Wählern nicht als echter Fortschritt wahrgenommen wird. Nach wie vor braucht Politik eine größere Erzählung, eine Zukunftsvision, um zu überzeugen. Es braucht Mut zu neuen Antworten, um dem Populismus etwas entgegenzusetzen, auch wenn sie absehbar auf Widerstand stoßen werden.
Zwangsläufig stellt sich hier die Frage nach dem wirtschaftspolitischen Narrativ und der Output-Dimension der Demokratie. Im Wahlkampf der Demokraten in den USA musste man ein solches fast schon mit der Lupe suchen. Die Antworten auf die wirtschaftlichen Sorgen der Wähler*innen blieben wenig überzeugend, während man vorrangig auf Themen wie Abtreibung setzte und auf die gute gesamtwirtschaftliche Lage verwies. Und tatsächlich war es der Biden-Administration gelungen, die ausufernde Inflation zurückzudrängen. Aber diese Fortschritte übersetzten sich offensichtlich nicht in ausreichenden Maßen in das alltägliche Leben der Menschen. Ein Problem, das quasi alle amtierenden Regierungen im Superwahljahr 2024 in Form eines Machtwechsels oder herber Verluste an den Wahlurnen zu spüren bekamen.
Deutungshoheit über Fragen der Identität der Arbeiterklasse zurückgewinnen
Für die Zukunft wirbt Bernie Sanders – der aktuell eine prominente Rolle bei der Aufarbeitung der Wahlniederlage einnimmt – nun wieder für eine linkspopulistische Mobilisierung über die Ungleichheitsachse (us vs. the super rich), wie sie unter anderem auch schon von Chantal Mouffe skizziert wurde. Selbst wenn man Sanders eher skeptisch sehen mag: Es ist allzu deutlich, dass es für die Demokraten und andere sozialdemokratische Parteien in den nächsten Jahren darum gehen wird, neue Antworten zu finden, um die Deutungshoheit über Fragen der Identität der Arbeiterklasse zurückzugewinnen, die sich zunehmend rechtspopulistischen Kräften zuwendet. Auch neuere wissenschaftliche Untersuchungen in Deutschland weisen darauf hin, dass dies vor allem über gemeinsame Interessen als Arbeitnehmer und die wachsende gesellschaftliche Ungleichheit funktionieren kann.
Der Wahlkampf und das Ergebnis in den USA haben aber noch etwas anderes gezeigt: Progressive Parteien brauchen dringend eine neue Vision für die Zukunft der Demokratie. Zumal – wie es etwa Astead Herndon, Analyst der New York Times, in einer frühen Wahlnachlese beschreibt: Wenn die Hälfte der Wähler*innen nicht mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden ist, hat es ein Narrativ, das allein auf die Verteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde setzt, zwangsläufig sehr schwer. Denn im Kern verspricht es die Sicherung des politischen Status quo, der von vielen abgelehnt wird – und zudem läuft es Gefahr, als Verteidigung von Privilegien einer politischen Elite gelesen zu werden.
Trump wurde zum Protagonisten des Fortschritts
Donald Trump dagegen versprach Zerstörung, aus der etwas Neues entstehen werde. So wurde Trump, ein sehr reicher alter weißer Mann, zum Protagonisten des Fortschritts. Verkehrte Welt: Die Progressiven beziehen eine konservative Position und überlassen dem Rechtspopulisten das Zukunftsnarrativ. Das Ergebnis sollte eine Warnung für alle sein, denen die liberale Demokratie am Herzen liegt – gerade in Zeiten der verhärteten Krisen und von zunehmender Ungleichheit. Zumal sich die grundlegenden Bedingungen in vielen westlichen Demokratien kaum unterscheiden. Studien zeigen, dass das Vertrauen in staatliche Institutionen und das Funktionieren der Demokratie hierzulande eher ab- als zunimmt. Auch wenn die Idee der Demokratie weltweit weiterhin hohe Zustimmungswerte genießt.
Sicher, hier geht es auch um die Output-Legitimität der Demokratie. Aber eine überzeugende Antwort wird nicht ohne eine positive Demokratieerzählung mit Gestaltungsanspruch auskommen, auch um den permanenten Demokratie-Krisenmodus zu verlassen. Für den deutschen Kontext lassen sich unter anderem in zwei Sachbüchern aus diesem Jahr Anhaltspunkte finden, wie dies gelingen könnte: Die Historikerin Christina Morina (Tausend Aufbrüche) und der Soziologe Steffen Mau (Ungleich vereint)zeigen, dass die Erwartungen an die Demokratie gerade in Ostdeutschland anders gelagert waren und sind als im alten Westen. Durch die Ausweitung des Systems der Bundesrepublik sind diese allerdings häufig enttäuscht worden.
Neue partizipative Elemente können Teil der Lösung sein
Es gibt eine Erwartung nach stärker direktdemokratischer Beteiligung, die aktuell wohl am prominentesten in Form von Bürgerräten diskutiert wird. Aber es gibt durchaus auch eine Reihe von anderen demokratischen Innovationen, die jeweils Unterschiedliches leisten können. Hier geht es um die Input-Dimension der Demokratie und darum, eine neue Selbstwirksamkeit in demokratischen Prozessen zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen solche Prozesse aber auch tatsächliche Wirksamkeit entfalten, und sie können dazu beitragen, eine stärkere Rückbindung von Politik-Ergebnissen an lebensweltliche Realitäten herzustellen.
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, unsere etablierten Institutionen der repräsentativen Demokratie durch solche Ansätze oder auch andere zu ergänzen. Über das Wie kann man berechtigterweise ringen. Insbesondere, wenn es darum geht, diese Prozesse so zu gestalten, dass sie gerechtigkeitsfördernde Ergebnisse erzielen. Aber neue partizipative Elemente können ein wichtiger Teil des Angebots sein, das man an diejenigen formuliert, die sich von den Institutionen und Verfahren unserer Demokratie enttäuscht zeigen.
Insbesondere in Zeiten, in denen die Bereitschaft, sich in Parteien zu engagieren, nachlässt, können sie ein wichtiges Element zur Stärkung der Demokratie sein. Demokratie ist und bleibt ein Prozess, und wir müssen offen in der Frage bleiben, wie wir unsere Demokratie weiterentwickeln und verbessern können. Hier gilt es für die Soziale Demokratie Antworten zu geben und damit endlich ins Gegenpressing zu kommen.
Der Text erschien zuerst im IPG-Journal.
ist Referent in der Akademie für Soziale Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Zuvor leitete er das FES-Büro in Nepal und koordinierte die Arbeit zum Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Region Asien und Pazifik.