Wie sich die SPD im Europawahlkampf von der Union abgrenzt – und von der FDP
Klare Kante für die Demokratie und gegen Rechts – so könnte man den Kurs der SPD im Europawahlkampf beschreiben. Die Spitzenkandidaten Katarina Barley und Nicolas Schmit nehmen dabei kein Blatt vor den Mund.
Dirk Bleicker
Stärker im Team: Nicolas Schmit, der Spitzenkandidat der SPE zur Europawahl, mit Katarina Barley, der SPD-Spitzenkandidatin, bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus in Berlin am 22. April 2024
Der Europawahlkampf nimmt Fahrt auf, keine sieben Wochen vor der Wahl am 9. Juni. Diesen Eindruck kann gewinnen, wer am Montag im Berliner Willy-Brandt-Haus die Pressekonferenz von Katarina Barley und Nicolas Schmit erlebt, der nationalen und dem EU-weiten Spitzenkandidaten der Sozialdemokratie.
Barley: Konservative machen Wahlkampf gegen Europa
„Wir stellen fest, dass die Konservativen im Europawahlkampf eine Tonalität anschlagen, die eher die Vorurteile über Europa betont, anstatt die Vorzüge“, kritisiert Barley den bisherigen Wahlkampf von CDU und CSU. Das sei bemerkenswert „von Parteien, die sich selbst als proeuropäisch definieren“. So sehe man zum Beispiel, „dass das Thema Bürokratie sehr in den Vordergrund gerückt wird“. Das sei natürlich ein Thema, aber „auf allen Ebenen der Politik und Verwaltung“, nicht nur der europäischen. Verwundert zeigt sich die SPD-Spitzenkandidatin, dass die Konservativen dieses Thema so betonen, obwohl man seit 2005 ausschließlich konservative Präsidenten der EU-Kommissionen erlebt habe.
Solche Themen nun so „hochzuziehen“, sagt Barley, „finde ich schade“. Denn: „Wir leben in einer Zeit, in der diese Europäische Union massiv attackiert wird.“ Deshalb bleibe es im Wahlkampf ganz klar das Bestreben der Sozialdemokratie, „herauszustellen, warum diese Europäische Union wichtig ist, warum sie existenziell ist für den Wohlstand in Deutschland“.
Harmonische Zusammenarbeit von Barley, Schmit und Scholz
Barley grenzt ihre Partei deutlich von den Konservativen ab. „Es ist für die Europawahl eben auch ein Unterscheidungsmerkmal, dass wir tatsächlich als ein Team antreten.“ Genau das, brauche man in Europa. „Mit Nicolas Schmit als dem ausgewiesenen Experten für Arbeit und Soziales, mit dem Bundeskanzler, der sowohl geopolitisch als auch im Bereich Wirtschaft und Finanzen in Europa der führende Mann ist und mit mir im Europäischen Parlament, die die Themen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte bearbeitet.“ Barley betont „dass wir miteinander sehr harmonisch arbeiten, bei uns die Räder ineinander greifen, wir einander persönlich lange kennen und schätzen“.
Das Gegenprogramm finde man bei den Konservativen: „Wenn Sie mal schauen, wie das bei der Union aussieht, wo Frau von der Leyen von drei Herren gekürt wird, die fünf Jahre nichts anderes getan haben, als ihr Steine in den Weg zu legen und sie heftigst zu kritisieren.“ Barley wirft CDU und CSU Unklarheit über den künftigen politischen Kurs vor. Man wisse nicht, „welche Politik man dann am Ende bekommt“, wenn man die Union wähle. „Man weiß ja nicht, bekommt man jetzt die Politik Ursula von der Leyens von 2019, von der sie inzwischen deutlich abrückt? Bekommt man die Politik von Manfred Weber, der leider die Annäherung an Meloni deutlich sucht?“
Barley: Niemand weiß, wofür die Union steht
Die Konservativen – „sie alle“ so Barley – hätten nicht ausgeschlossen, „dass sie nach Rechts offen sind“. Schließlich sei eine weitere offene Frage: „Bekommt man einen neoliberalen Kurs a la Merz?“ Für Barley steht fest: „Wir wissen einfach bei der Union nicht, wofür sie stehen, weil sie untereinander sowohl inhaltlich als auch persönlich gewaltige Differenzen haben. Das ist bei uns zum Glück sehr anders.“
Auf wiederholte Nachfrage der Journalist*innen nimmt Barley auch zum FDP-Wirtschaftspapier Stellung, in dem unter anderem die Abschaffung der Rente mit 63 gefordert wird. „Ganz grundsätzlich“ betont sie beim Thema Rente: „Wenn man davon spricht, dass es in diesem Land Leistungsträger gibt, dann sind das die Menschen für die wir Politik machen. Und das sind eben die Pflegekräfte, die Ingenieurinnen und Ingenieure, die Handwerksmeisterinnen und -meister, die nach 45 Jahren in Rente gehen.“ Barley hat kein Verständnis für die FDP: „Und gerade bei denen, die dieses Land stark machen und die sich das wirklich verdient haben, aus eigener Leistung, – ich betone noch einmal das Wort Leistung – gerade da anzusetzen, ist aus meiner Sicht indiskutabel. Das steht auch für uns überhaupt nicht zur Debatte.“
Nicolas Schmit: Keinerlei Zusammenarbeit mit Rechtsaußen
Keine Debatte gibt es für Nicolas Schmit, den Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokratie zur Europawahl, – im Gegensatz zu den Konservativen – über das Verhältnis zu Rechtsaußen. „Für uns Sozialdemokraten und für mich als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten in Europa ist jede Annäherung oder Koalition mit ultrarechten Kräften absolut ausgeschlossen.“ Man stehe für ein offenes und demokratisches Europa und „deshalb kann man mit den Freunden von Putin in Europa nicht irgendwelche Arrangements“ treffen. Solche Manöver seien „völlig und total ausgeschlossen“. Das sei „ein wesentlicher Punkt“ im Wahlkampf.
Schmit betont, die Demokratie in Europa werde nicht nur von außen bedroht – etwa von Putin – sondern auch von innen: „sehr oft von Freunden Putins“ auf der extremen Rechten, etwa von Ungarn. Es müsse bei der Wahl am 9. Juni daher darum gehen, Demokratie, Rechtstaat und Menschenrechte zu verteidigen. „Wir sehen, dass gerade jetzt die Frauenrechte in Bedrängnis kommen“, warnt Schmit, etwa mit Blick auf die rechtsextrem geführte Regierung Meloni in Italien.
Brexit zeigt: EU-Austritt ist Katastrophe
Er spricht von einer „Richtungswahl“ am 9. Juni, nicht nur international gesehen, sondern auch innereuropäisch. Die Wähler*innen entschieden darüber, „wo Europa eigentlich hingehen soll“. Deshalb gelte es, sie im Wahlkampf zu fragen: „Welches Europa wollt ihr? Wollt ihr ein starkes Europa? Wollt ihr ein demokratisches Europa? Und wollt ihr ein soziales Europa?“
Zur proeuropäischen Haltung der Sozialdemokratie gebe es auch in Deutschland eine Gegenrichtung derer, „die Europa schwächen wollen“. Schmit nennt hier „verschiedene Verrückte“, die sogar von einem EU-Austritt der Bundesrepublik redeten. Man solle sich doch nur einmal umschauen, was der Brexit den Briten gebracht habe: „eine Katastrophe“. Daher sei jedes Spekulieren über einen Dexit schlicht verantwortungslos.