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Warum das Europaparlament Ursula von der Leyen verklagt

In Deutschland kaum wahrgenommen, hat der Rechtsausschuss des EU-Parlaments Ursula von der Leyen am Montag eine gewaltige Schlappe bereitet. Wegen der Freigabe von EU-Geldern für Ungarn wird das Parlament die Kommission vor Gericht zitieren.

von Kay Walter · 13. März 2024
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommt der Prozess kurz vor der Europawahl zur Unzeit.

Auch wenn der Begriff deutlich zu häufig benutzt wird, man darf diesen Schritt wohl als historisch bezeichnen: Das Europäische Parlament verklagt die eigene Kommission. Hintergrund sind die gewährten Finanzhilfen für Ungarns Regierung in Höhe von 10,2  Milliarden Euro. Nahezu einstimmig mit 16 zu 1 Stimmen hat der Rechtsausschuss beschlossen, gegen die Freigabe dieser Gelder durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor Gericht zu ziehen.

Stillschweigende Freigabe von EU-Geldern

Zur Erinnerung: Zwei komplette Gipfeltage triezte der ungarische Ministerpräsident Victor Orban im Dezember alle anderen Staatschef*innen, weil er die Zustimmung zum Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine verweigerte. Das Gerangel endete schließlich in der viel zitierten Kaffeepause. Orban verließ den Raum, die anderen stimmten ohne ihn ab. 

Was bisweilen unterging – Orban bekam stillschweigend die Freigabe eines großen Teils der EU-Gelder. Genau dagegen wendet sich nun das EU-Parlament. Die Freigabe der Gelder war klar und 
deutlich an die Rückkehr Ungarns zu den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit gekoppelt. Der 
Ausschuss besteht darauf, dass das gelten soll und muss. 

Und düpiert damit vor allem die Präsidentin der Kommission Ursula von der Leyen. Denn auch die Vertreter*innen ihrer eigenen EVP-Fraktion votierten mit der Mehrheit – lediglich ein Abgeordneter der Rechtsextremen stimmte anders, heißt, zu Gunsten von Orban ab. 

Deutliche Warnung an Ursula von der Leyen

Das Geld der Steuerzahler*innen dürfe nicht missbräuchlich ausgegeben werden, verlautbarte  aus Kreisen der Beteiligten. Die Unabhängigkeit der Gerichte und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit müssten unbedingt und gegen jeden Angriff geschützt werden. 

Der Ausschuss will seine Entscheidung als „klares Zeichen an die Kommission“ verstanden  wissen, dass die „für die Union fundamentalen“ Rechtsstaatsprinzipien unter keinen Umständen Verhandlungsmasse bei Deals mit Orban sein dürfen. 

Man kann das als deutliche Warnung an von der Leyen lesen. Denn natürlich geht es bei derartigen Abstimmungen nicht nur um Geld und Prinzipien, sondern immer auch um Fragen der Macht. 

Wenn also die EVP gegen Entscheidungen von der Leyens abstimmt – der Frau also, die nach ihrem Willen auch der nächsten Kommission vorstehen soll und die sie deshalb jüngst wieder zur Spitzenkandidatin gekürt hat – dann fehlt ihr entweder die Kraft eine solche Abstimmung zu verhindern oder aber der politische Wille, die eigene Spitzenfrau zu schützen.

Von der Leyen ist in der eigenen Parteienfamilie nicht unumstritten

Nun darf man beim EVP-Vorsitzenden Manfred Weber davon ausgehen, dass er keine Gelegenheit verstreichen lässt, der Konkurrentin eins auszuwischen. Aber gleich so erkennbar und deutlich? Trotzdem wird Weber, so heißt es, am Donnerstag zusammen mit den anderen Fraktionsvorsitzenden der Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (ebenfalls Christdemokratin) endgültig grünes Licht für die Klage gegen die Kommission geben.

Denn Ursula von der Leyen ist nicht unumstritten, vor allem nicht in ihrer eigenen Parteienfamilie. Obwohl sorgfältigst vorbereitet und als „Krönungsmesse“ orchestriert, war schon ihr Wahlergebnis bei der Kür in Bukarest nicht wirklich überzeugend ausgefallen. 89 Gegenstimmen wurden gezählt. Die kamen zu großen Teilen aus Frankreich, was vor allem zwei Gründe hat.

Dicke Luft bei Frankreichs Konservativen

Unter ihrem Chef Eric Ciotti radikalisieren sich die französischen Républicains, nähern sich stark den Positionen von Marine LePens Rassemblemet National an und suchen auch die Zusammenarbeit mit den beiden rechtsextremen Fraktionen im EU-Parlament.

Außerdem (und mindestens ebenso wichtig) richten sich Aktionen gegen von der Leyen immer auch  gegen den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Er war die maßgebliche Kraft, um von  der Leyen im Jahr 2019 zur Kommissionspräsidentin zu machen und er wird sie auch nach den Wahlen im Juni wieder auf den Schild zu heben versuchen.

Als der französische EU-Kommissar Thierry Breton das Ergebnis aus Bukarest auf Twitter/X  ausgesprochen süffisant mit dem Satz kommentierte „Die EVP glaubt offenbar selbst nicht sehr an ihre Kandidatin“, reagierte Macron mehr als wütend darauf. Aus dem Élysée hieß es, Breton habe sich „in sehr heißes Wasser gesetzt“.

Zu Integrität und Diskretion verpflichtet

Und das Büro der Generalsekretärin der Kommission Ilze Juhansone verschickte prompt eine E-Mail an sämtliche Kommissar*innen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. „Darf ich daran erinnern“, so stand in der E-Mail zu lesen, „dass alle Mitglieder der Kommission zu Integrität und Diskretion verpflichtet sind ... dass sie sich keine Handlungen oder Äußerungen, in welchem Medium auch immer, tätigen dürfen, die die öffentliche Wahrnehmung ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt“. 

Um noch eins draufzusetzen, enthielt Juhansones E-Mail sogar eine Erinnerung daran, dass EU Kommissar*innen aus dem Amt entfernt „oder ihres Anspruchs auf eine Rente beraubt“ werden können. Da scheinen einige Nerven blank zu liegen. Das Votum des Rechtsausschusses, die  Kommission öffentlich zu verklagen, dürfte nicht eben zur Beruhigung der Gemüter im Umfeld von Ursula von der Leyen beitragen.

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Kay Walter

ist freiberuflicher Journalist in Paris.

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1 Kommentar

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mi., 13.03.2024 - 17:23

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So wie "Flintenuschi" als Ministerin Haushaltsgelder für ihren Kriegsetat verschwendet hat, um untaugliche Gerätschaften zu beschaffen und Beraterverträge abzuschließen, so versucht sie sich nun in ihrer EU-Funktion einem Potentaten wie Orban anzudienen. Schließlich war es Orban mit seinem damaligen polnischen Kollegen, die bei der Wahl der/des Kommissionspräsidenten den Kandidaten Frans Timmermanns verhindert und dafür aufgrund eines Vorschlags von A. Merkel v.d.Leyen akzeptiert haben. Seit Beginn ihrer Amtszeit hat sie trotz mehrerer Beschlüsse, EU-Gelder an Ungarn wegen der dortigen Politik einzufrieren, denen Gelder auszahlen lassen.

Und nun will sie sich wohl deren Stimmen bei der Wahl als EVP-Spitzenkandidatin sichern. Auch die zweilichtige Politik von EVP-Chef Weber, der sich immer wieder mit Orben & Co. verbrüdert hat, lässt schließen, wie falsch die Politik dieser Pseudochristen ist.