Europawahlen in Italien: Meloni jubelt nicht allein
Bei den Europawahlen in Italien geht Regierungschefin Giorgia Meloni als Siegerin hervor. Doch der Schein trügt: Die Mehrheit der Italiener*innen wählte anders.
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Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni freut sich über ihren Wahlsieg.
Sie war stark, jetzt ist sie stärker. Giorgia Meloni hat ihre Macht bei den Europawahlen mit fast 29 Prozent der Stimmen gefestigt. Sich selbst als Spitzenkandidatin ihrer Partei „Fratelli d’Italia“ aufzustellen hat sich für Italiens Regierungschefin offenbar gelohnt. Die Italiener*innen konnten mit einer Vorzugsstimme wählen, Meloni trat als „Giorgia“ an – ohne wirklich die Absicht zu hegen, nach Brüssel zu ziehen. Am Ende hat sie ihren nationalen Wahlsieg im Herbst 2022 mit 26 Prozent übertroffen.
Im EU-Parlament saßen bislang zehn Abgeordnete ihrer Partei, nun werden es 25 sein. Bei den Europawahlen 2019 waren die zu Deutsch „Brüder Italiens“ noch unbedeutend und kamen nur auf sechs Prozent. Fünf Jahre später ist Meloni die einzige Staatschefin unter den großen EU-Ländern, die die Wahl im eigenen Land gewann. „Italien hat unter den G7-Ländern und in Europa die stärkste Regierung“, verkündete sie. Dadurch kann sie in Brüssel umso selbstbewusster auftreten und für ein Europa der Vaterländer und der Migrationsabwehr kämpfen.
Halbzeit-Probe in Italien bestanden
Schon vor der Wahl wurde die 47-Jährige in Brüssel umworben. Ursula von der Leyen liebäugelte mit einer Zusammenarbeit mit den „Brüdern", die in direkter Erblinie zum italienischen Faschismus stehen und im EU-Parlament rechtsaußen sitzen. Auch wenn die EU-Kommissionspräsidentin mit EVP, Sozialdemokrat*innen und Liberalen wohl eine ausreichende Mehrheit findet, ist das Thema noch nicht vom Tisch. Auch weiter rechts von Meloni warb Marine Le Pen für eine Allianz der Rechtsaußen-Kräfte.
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Meloni
Italien hat unter den G7-Ländern und in Europa die stärkste Regierung
Noch ist nicht klar, wie sich die Rechten im EU-Parlament sortieren. In Italien jedenfalls hat Meloni eine Halbzeit-Probe bestanden: Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hielten Regierungskoalitionen dort im Schnitt nur eineinhalb Jahre. So lange ist ihre Regierung jetzt im Amt. Zwar lag die Wahlbeteiligung auf einem historischen Tiefstand – nicht einmal jeder Zweite oder jede Zweite fand am Wochenende den Weg zur Urne. Das Ergebnis aber spricht für sich: Meloni sticht als Einzelkraft hervor, ihre Juniorpartner „Forza Italia“ und „Lega“ lagen beide bei weniger als zehn Prozent. Dabei hat sich ihr Kräfteverhältnis gedreht: Bei den Italien-Wahlen 2022 war die rechtsextreme „Lega“ noch ein wenig stärker als die rechtskonservative „Forza Italia“. Nun war „Lega“-Chef Matteo Salvini schwächer. Für ihn ist das Wahlergebnis eine echte Schlappe. Bei den Europawahlen 2019 wurden die Rechtsextremen mit mehr als 34 Prozent stärkste Kraft. Jetzt schafften sie nur acht Prozent.
Oppositionsparteien waren insgesamt stärker
Dazu beigetragen hat möglicherweise Salvinis Spitzenkandidat, ein offen homophober und rassistischer Ex-General. Für viele sind seine Tage als Parteichef jetzt gezählt. Doch auch Meloni kann sich auf ihrem Wahlsieg nicht ausruhen. Denn insgesamt schmilzt ihr Abstand zum demokratischen Lager: Während die rechte Regierungskoalition auf insgesamt 48 Prozent der Stimmen kam, schafften die Oppositionsparteien 49 Prozent.
Der sozialdemokratische „Partito Democratico“ kam auf 24 Prozent der Stimmen und übertraf damit ebenfalls die Ergebnisse der vorhergehenden Wahlen. Die neue Parteichefin Elly Schlein ist mit ihrem Kurs erfolgreich und ließ den Stimmenanteil gegenüber 2022 um fünf Prozentpunkte wachsen. Die Sozialdemokrat*innen legten de facto also mehr zu als Melonis „Brüder“. Die linkskonservative „Movimento Cinque-Stelle“ rutschte von 15,4 Prozent bei den Parlamentswahlen auf ihr bislang schlechtestes Ergebnis mit 10 Prozent der Stimmen. Dafür verbuchte die Allianz zwischen Linken und Grünen, die in Italien bislang eher unsichtbar war, einen Gewinn. Sie bekam nun 6,7 Prozent und verdoppelte damit ihr Ergebnis von 2022. Hinzu kamen noch kleine Parteien, die aber nicht die italienische Sperrklausel schafften und daher nicht im EU-Parlament vertreten sein werden.
Meloni wurde durch die Wahl gestärkt, innenpolitisch und in der EU. Das dürfte aber in Brüssel nicht von Italiens Haushaltsmiseren ablenken: Das Land ist weiterhin hoch verschuldet und riskiert neue Verfahren wegen Verstößen gegen die EU-Schuldenregeln. Diesen Problemen muss sich Meloni stellen. In der EU, und gegenüber einer starken Opposition.