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Asylverfahren in Albanien: So will Meloni ihr umstrittenes Modell retten

Das hatte sie so nicht geplant: Nach nur wenigen Tagen bremst ein Gericht das Albanien-Modell aus, mit dem Giorgia Meloni Asylverfahren in Drittstaaten auslagern will. Die postfaschistische Ministerpräsidentin versucht, das Projekt per Dekret zu retten. Kann das funktionieren?

von Lea Hensen · 23. Oktober 2024
Kann Giorgia Meloni ihr Albanien-Modell retten?

Kann Giorgia Meloni ihr Albanien-Modell retten?

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will ihr Albanien-Modell zur Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten unbedingt fortführen – und änderte dafür die gesetzlichen Grundlagen. Am Montagabend beschloss das italienische Kabinett in weniger als einer halben Stunde ein Gesetzesdekret, das 19 Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt – unter ihnen auch Bangladesch und Ägypten. Aus diesen beiden Ländern kamen die ersten Migranten, die die italienische Küstenwache vergangene Woche in die Haftzentren nach Albanien brachte. 

Ein Gerichtsurteil hatte die Migranten in der vergangenen Woche zurückgeholt, nur wenige Tage, nachdem die Haftzentren ihren Betrieb aufgenommen hatten. Vier Migranten waren bereits vorher nach Italien zurückgebracht worden, weil sie minderjährig oder in schlechtem gesundheitlichem Zustand waren. Die Richter in Rom entschieden, dass auch die restlichen zwölf illegal in den Balkanstaat gebracht worden waren, weil Ägypten und Bangladesch keine „sicheren“ Herkunftsländern seien. Das Gericht berief sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von Anfang Oktober: Demnach gelten Herkunftsländer nur dann als „sicher“, wenn die Bedingungen dafür im ganzen Land und für alle Personengruppen vorliegen.

Drei Dekrete im Monat

Der Albanien-Deal, den Meloni im November 2023 ausgehandelt hatte, besagt: Männliche Migranten, aber keine Frauen und Minderjährige, werden von der italienischen Küstenwache in Lager nach Albanien gebracht und durchlaufen dann ein beschleunigtes Grenzverfahren. Die Voraussetzung ist, dass sie aus sicheren Herkunftsländern kommen. Im Falle einer Ablehnung will die rechte Regierung sie von Albanien aus abschieben und auf diesem Weg die Migranten von den EU-Außengrenzen fernhalten, die wenig Aussicht haben, zu bleiben. 

In der Praxis bestimmt aber jedes EU-Land selbst, welche Herkunftsländer sicher sind – in Italien waren das bislang 22 Länder. Darauf hatten sich Innen- und Außenminister über einen Erlass verständigt, den das Gericht juristisch anfechten konnte. Meloni hob die Entscheidung nun per Dekret auf eine andere legislative Ebene, um ihr mehr politische Schlagkraft zu verleihen.

Dekrete können in Italien in dringenden Fällen erlassen werden, sie treten dann ohne Beteiligung der Kammern sofort in Kraft. Das Parlament hat anschließend 60 Tage Zeit, das Dekret in ein Gesetz umzuwandeln. In vielen Fällen geschieht genau das, denn die rechte Koalition hat in beiden Kammern die Mehrheit. Und so regiert Giorgia Meloni seit zwei Jahren quasi auf Basis von Dekreten. Seit ihrem Amtsantritt im Herbst 2022 wendete sie rund 100 Rechtsakte dieser Art an – das macht mehr als drei Dekrete im Monat. 

Justizrangeleien wie zu Berlusconis Zeiten

Ob Melonis Dekret das Albanien-Modell rettet, ist allerdings fraglich. Auch wenn die Voraussetzung für ein Verfahren in Albanien vorliegen, entscheiden italienische Richter von Fall zu Fall, ob Migranten in Albanien inhaftiert werden – oder nicht etwa andere Bedingungen wie der gesundheitliche Zustand dagegen sprechen. Sie könnten auch immer noch das Verfassungsgericht anrufen, um Melonis Dekret anzufechten. Allerdings ändern sich mit dem neuen EU-Asylrecht ab 2026 ohnehin die Bestimmungen, wonach Herkunftsländer als „sicher“ gelten.  

Meloni liegt viel daran, ihr Albanien-Modell zu retten, schließlich wird es aufmerksam von anderen rechten Regierungen der EU verfolgt. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte angekündigt, „Lehren aus diesen Erfahrungen“ für eine Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten zu ziehen. Der Start des Experiments lässt nicht unbedingt auf ein Erfolgsprojekt schließen: Bau und Betrieb der beiden Lager werden den italienischen Staat in den kommenden fünf Jahren rund 700 Millionen Euro kosten. Wie das Mailänder Think-Tank Ispi errechnete, kamen in fünf Tagen 2.200 Migranten nach Italien, und nur 16 wurden nach Albanien gebracht.

Der Streit zwischen Justiz und Exekutive erinnert derweil an Zeiten von Ex-Premier Silvio Berlusconi, der mit immer neuen Gesetzen seine eigene juristische Verfolgung verhinderte. So wie Berlusconi behauptete nun auch die rechte Regierung, die Gerichte ständen unter dem Einfluss der Linken – der Justizminister sprach von einem „abnormen Urteil“ der „roten Richter“. 

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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