Inland

Asylverfahren in Drittstaaten: Worum es geht und welche Hürden es gibt

Seit November läuft ein Prüfauftrag des Bundesinnenministeriums, ob Asylverfahren in Drittstaaten ausgelagert werden können. In dieser Woche sollen erste Ergebnisse vorgelegt werden. Doch worum geht es und wie realistisch ist das?

von Jonas Jordan · 20. Juni 2024
Symbolfoto: Derzeit wird auch in Deutschland diskutiert, inwiefern eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten möglich ist.

Symbolfoto: Derzeit wird auch in Deutschland diskutiert, inwiefern eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten möglich ist.

Das Vereinigte Königreich möchte Asylverfahren in Ruanda durchführen, Italien in Albanien. Australien praktiziert das bereits seit einiger Zeit im Inselstaat Nauru. Warum sollte Deutschland diesem Beispiel also nicht einfach folgen? 

Das dachten sich offenbar die Ministerpräsident*innen während der Ministerpräsidentenkonferenz im November und forderten von der Bundesregierung, entsprechende Verfahren zu prüfen. Erste Ergebnisse könnten in dieser Woche beim Treffen von Bund und Ländern vorgelegt werden.

Worum geht es genau?

Diskutiert werden unterschiedliche Modelle. Beim ursprünglichen Ruanda-Modell der britischen Regierung sollten bereits in Großbritannien angekommene Geflüchtete nach Ruanda ausgeflogen werden, um dort Asyl zu beantragen und dort nach ruandischem Recht gegebenenfalls Schutz zu bekommen. 

Der Deal der italienischen Regierung mit Albanien sieht hingegen vor, im Mittelmeer aufgegriffene Menschen statt nach Italien nach Albanien zu bringen. Die Asylverfahren sollen dort jedoch nach italienischem Recht und durch italienische Behörden durchgeführt werden. Nach erfolgter Prüfung dürften Schutzbedürftige anschließend in Italien aufgenommen werden. 

Wie ist der aktuelle Stand in Deutschland?

Der Prüfauftrag an die Bundesregierung führte dazu, dass das Bundesinnenministerium in einer Anhörung Mitte Mai Expert*innen zu ihrer Meinung befragte, „ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann“. Der vorläufige Sachstandsbericht zur Auslagerung von Asylverfahren soll nun von Bundeskanzler Olaf Scholz am 20. Juni auf der Ministerpräsidentenkonferenz vorgestellt werden.

Welche Meinungen gibt es im Vorfeld?

Der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen (CDU), aktuell Vorsitzender der Innenministerkonferenz, sagte in dieser Woche in einem Interview zur Auslagerung von Asylverfahren: „Ich halte das für einen Baustein in der künftigen Asylpolitik.“ 

Ablehnend äußerte sich der Bremer SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Medienberichten zufolge sagte er, dass irreguläre Migration zwar begrenzt werden müsse. Die Drittstaatenregelung bezeichnete er jedoch als „politische Schnapsidee“.

Wie äußern sich Sachverständige?

In einem Pressegespräch brachten Vertreter*innen von Pro Asyl, Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen und Brot für die Welt einhellig ihre Ablehnung zum Ausdruck. Warum, zeigt ein Blick in die Stellungnahmen der Organisationen. 

So empfiehlt Amnesty International der deutschen Bundesregierung, den Prüfauftrag mit einer klaren Ablehnung des Konzeptes abzuschließen. „Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Auslagerung von Asylverfahren ist eine gescheiterte politische Idee, die weder rechtlich noch praktisch umsetzbar ist und in der Vergangenheit zu schweren Menschenrechtsverletzungen geführt hat“, heißt es in der Stellungnahme.

Für die rechtlichen und praktischen Probleme bisheriger Umsetzungsversuche seien bis heute keine umfassenden und effektiven Lösungen vorgelegt worden. Es gebe daher keinen Grund zur Annahme, dass zukünftige Initiativen menschenrechtskonform umgesetzt werden könnten.

„Auslagerung schafft mehr Probleme“

Ähnlich skeptisch äußert sich auch Andreas Grünewald, Referent für Migration für Brot für die Welt. „Deutschland oder die EU werden keine nennenswerte Zahl an Staaten finden, die bereits sind, Abkommen zur Auslagerung von Asylverfahren zu schließen und eine substantielle Zahl an Schutzsuchenden aufzunehmen“, glaubt er. 

Auch seien die die potenziellen entwicklungs- und außenpolitischen sowie menschenrechtlichen Kosten dieses Ansatzes sehr hoch. Er berge Gefahr, eine bereits existierende globale Flüchtlings- und Aufnahmekrise zu verstärken. „Die Auslagerung von Asylverfahren schafft von daher mehr Probleme, als sie vermeintlich löst“, meint Grünewald daher.

Auch Pro Asyl lehnt die Auslagerung von Asylverfahren grundsätzlich ab. Vielmehr sollten die bisherigen Versuche, den Flüchtlingsschutz zu externalisieren, aus Sicht der Organisation eine Mahnung für die Bundesregierung sein, diesen Weg nicht weiter zu verfolgen. 

„Rückführungen verursachen viel Leid"

„Sie zeigen, dass entsprechende Rückführungen in Drittstaaten kaum oder gar nicht funktionieren, diese aber viel Leid bei den schutzsuchenden Menschen verursachen, dass das Asyl- und Aufnahmesystem im eigenen Land massiv beschädigt wird, und es zudem zu immensen finanziellen Kosten kommt“, heißt es in der Stellungnahme der Organisation. 

Ärzte ohne Grenzen warnt zudem vor den gravierenden gesundheitlichen Folge dieses Ansatzes für die physische und psychische Gesundheit der betroffenen Menschen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

Weitere interessante Rubriken entdecken

0 Kommentare
Noch keine Kommentare