Resolution gegen Antisemitismus: Wie Hochschulen den Hass bekämpfen sollen
Gerade an Bildungsorten herrscht oft Unwissen über jüdisches Leben. Das fördere den Hass auf Jüd*innen, warnen Expert*innen. Eine nun vom Bundestag verabschiedete Resolution soll dazu beitragen, das zu ändern. Es gibt Kritik.
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Im Februar 2024 tobten israelkritische Proteste an der Freien Universität Berlin. Es gab Vorwürfe von Antisemitismus. Als Reaktion demonstrierten jüdische Studierende gegen Diskriminierung.
Ein rechtlicher Schritt gegen die Freie Universität (FU) Berlin sorgte im vergangenen Jahr für Aufsehen: Der jüdische Student Lahav Shapira hatte beim Verwaltungsgericht Berlin Klage eingereicht. Die Hochschule habe zugelassen, „dass antisemitische Sprache sich zu Taten konkretisiert hat“, so sein Vorwurf an die FU.
Der Krieg in Gaza erfasst deutsche Unis
Gemeint war der Angriff durch einen Kommilitonen vier Monate zuvor. Damals, kurz nach dem Massaker der Hamas in Israel und dem anschließenden Krieg im Gaza-Streifen, war die Stimmung an vielen deutschen Hochschulen aufgeheizt. Gegner*innen und Befürworter*innen des israelischen Vorgehens gerieten immer wieder aneinander. Manche nutzten den Campus für antisemitische und israelfeindliche Hetze.
Nach einer Serie von judenfeindlichen Vorfällen hat die Politik reagiert. Am Mittwoch hat der Bundestag eine Resolution gegen Antisemitismus an Hochschulen und Schulen verabschiedet. Demnach soll die Bundesregierung nun unter anderem für mehr Förderung von Antisemitismusforschung und jüdischer Gegenwartsforschung sorgen. Ferner soll sie sich weiterhin gegen einen Boykott der Kooperation mit der israelischen Wissenschaft stellen.
Getragen wurde die Initiative von SPD, Union, Grünen und FDP. Auch die AfD stimmte zu. Das BSW stimmte dagegen, die Linke enthielt sich.
Schüler*innen sollen eine Gedenkstätte besuchen
Laut der Resolution sollen Schüler*innen mindestens einmal in ihrer Schullaufbahn eine Gedenkstätte besuchen, heißt es weiter. Auch die Auseinandersetzung mit aktuellem jüdischem Leben, etwa durch Besuche von Synagogen, soll verstärkt unterstützt werden. Zudem sollen Lehrkräfte besser aus- und weitergebildet und der deutsch-israelische Austausch ausgebaut werden.
Aktivitäten von Gruppierungen, die israelbezogenen Antisemitismus etwa in Form von Boykottaufrufen verbreiteten, seien zu unterbinden. Schulen und Hochschulen müssten darin unterstützt werden, ihre rechtlichen Möglichkeiten gegen antisemitisches Verhalten vollständig auszuschöpfen. Dazu gehöre auch der Ausschluss von Schüler*innen und Studierenden von Unterricht und Studium.
Im Wissenschaftsbetrieb soll dafür Sorge getragen werden, dass sich jüdische Studierende, Mitarbeiter*innen sowie Lehrende an Hochschulen sicher fühlen können. Nötig seien flächendeckend Beauftragte für Antisemitismus. Lehrende sollten für das Thema sensibilisiert und im Umgang damit geschult werden. Zugleich soll sichergestellt bleiben, dass „Fördermittel des Bundes ausschließlich nach dem Maßstab der wissenschaftlichen Exzellenz vergeben werden“.
„Viele Unis möchten das Thema unter den Teppich kehren“
Die Resolution ist rechtlich nicht bindend. Dennoch sieht Clara Schüssler vom Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen darin einen wichtigen Hebel, um Bildungseinrichtungen dazu zu bringen, dass Thema Antisemitismus wirksamer anzupacken. „Ein Jahr nach der Welle antisemitischer Vorfälle würden viele Hochschulen das Thema noch immer am liebsten unter den Teppich kehren“, sagt sie.
Um judenfeindlichen Einstellungen das Wasser abzugraben, setzt sie auf verstärkte Bildungsangebote an Schulen und Hochschulen. Die Juso-Hochschulgruppen hatten an der Erarbeitung der Resolution mitgewirkt.
Aus dem Wissenschaftsbetrieb kommen kritische Reaktionen auf die Resolution. Manche fürchten um die Freiheit der Forschung. Der Freiburger Historiker Ulrich Herbert sieht die Gefahr, dass „Dozenten und Dozentinnen, die Boykott-Aufrufe unterzeichnet haben, unter Druck gesetzt oder entlassen werden können“.
Historiker Ulrich Herbert fürchtet Sanktionen für Forschende
Wer die Position vertritt, dass die Besetzung des Westjordanlandes widerrechtlich ist und man nach internationalen Regeln Israel daher boykottieren müsse, müsse mit Sanktionen rechnen. „Ich teile diese Pro-Boykott-Position nicht“, so Herbert in der „taz“. „Aber dass sie aus Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen verbannt werden soll, ist Zensur.“
Herbert kritisiert zudem, dass die Resolution der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) folgt. Diese mache es sehr leicht, Kritik und Opposition gegen die politischen Maßnahmen des Staates Israel als antisemitisch zu verunglimpfen.
Laut dieser Definition ist Antisemitismus „eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann“. Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten. „Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden“, betonen die Autor*innen.
Clara Schüssler von den Jusos: „Boykott-Aufrufe haben nichts mit Wissenschaftsfreiheit zu tun“
Schüssler kann die Kritik an der Resolution nicht nachvollziehen. Ein Aufruf zum Boykott Israels habe nichts mit der Freiheit der Wissenschaft zu tun, sagt sie. Solche Sanktionen zu fordern, würde im Gegensatz zur für Deutschland gebotenen Solidarität mit dem jüdischen Staat stehen. Auch mit der Antisemitismus-Definition der IHRA habe sie keine Probleme. „Wir arbeiten seit längerer Zeit mit ihr und nach meiner Einschätzung ist es die einzige, die es wirklich schafft, israelbezogenen Antisemitismus zu definieren.“
Bereits im November hatte der Bundestag eine weiter gefasste Resolution gegen Antisemitismus beschlossen. Dabei ging es unter anderem darum, keine Organisationen und Projekte mehr zu fördern, die Antisemitismus verbreiten oder das Existenzrecht Israels infrage stellen.