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Juso-Hochschulgruppen: „Studierende sollten nicht vergessen werden“

Viele Studierende in Deutschland sind armutsgefährdet. Clara Schüssler kämpft als Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen dafür, dass das nicht so bleibt.

von Jonas Jordan · 29. August 2024
Clara Schüssler ist Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen.

Clara Schüssler ist Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen.

Fast hätte sie ein Problem gehabt. Wie viele ihrer Kommiliton*innen tat sich auch Clara Schüssler schwer bei der Wohnungssuche, als sie vor drei Jahren zum Studium von Hamburg in die Domstadt am Rhein zog. Erst eine Woche vor Beginn des Wintersemesters fand sie schließlich ein Zimmer in einem Wohnheim in der Kölner Innenstadt. So wie ihr geht es derzeit vielen Studierenden in Deutschland, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen.

Sie zeigen zudem eine erschreckende Tendenz. Denn 77 Prozent der Studierenden, die im vergangenen Jahr allein oder in einer Wohngemeinschaft lebten, waren armutsgefährdet. Die höchste Kostenbelastung bringen dabei Mietkosten mit sich. Ihr Anteil am verfügbaren Haushaltseinkommen von Studierenden lag demnach bei 54 Prozent und damit über dem gesellschaftlichen Durchschnitt von 25 Prozent. Neben dieser finanziellen Belastung spüren Studierende auch eine große psychische Belastung, bei vielen durch soziale Ausgrenzung während der Corona-Pandemie verursacht. 

Freunde finden, ist online schwieriger

Schüssler hatte insofern doppelt Glück. Nicht nur dass sie pünktlich zum Semesterstart ein bezahlbares Zimmer an ihrem Studienort fand. Anders als viele Studierende zu dieser Zeit begann ihr Jura-Studium zum Wintersemester 2021/22 auch direkt in Präsenz, als einzige Fakultät an der Universität. „Freunde von mir haben am Anfang nie die Uni von innen gesehen. Das war ein ganz anderes Studiengefühl. Für sie war es viel schwieriger, an der Uni mitzumachen und Freunde zu finden“, erzählt sie. Von Jura wechselte die Sozialdemokratin nach einem Jahr zum Studium der Sozialwissenschaften. „Ich glaube, das ist der Studiengang, der am besten zu mir passt“, sagt Schüssler im Gespräch mit dem „vorwärts“. 

Auch wenn sie das Studienfach zwischenzeitlich gewechselt hat, ihrem im ersten Semester begonnenen Engagement in der Juso-Hochschulgruppe blieb sie treu. „Ich habe mich direkt sehr wohl gefühlt, konnte politisch was machen, aber auch nette Leute kennenlernen“, sagt sie. Seit neun Monaten ist die 21-Jährige nicht nur in Köln engagiert, sondern auch Mitglied im Bundesvorstand und in dieser Funktion Ansprechpartnerin für alle Studierenden in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Niedersachsen.

Viele Studierende müssen nebenher arbeiten

Das sind gerade in NRW eine ganze Menge, weswegen sie sich das mit Emma Würffel aus Münster aufteilt. Die Probleme sind vielerorts ähnlich. „Man hat kaum Freiraum während des Studiums“, beklagt Schüssler. Zudem treibt viele die Sorge um, wie sie ihr Studium finanzieren können. 

Schüssler hat seit Kurzem ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung und wird von ihren Eltern unterstützt. Eine Mitbewohnerin – inzwischen wohnt sie in einer Dreier-WG im Stadtteil Neu-Ehrenfeld – hat hingegen ein halbes Jahr auf die Bewilligung ihres BAfÖG-Antrags gewartet. Insgesamt macht der Anteil von BAfÖG und Stipendien nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes nur 15 Prozent des Lebensunterhalts von Studierenden aus, Erwerbsarbeit hingegen mehr als 40 Prozent.  

Wunsch: BAfÖG für alle

Auch deswegen wäre Schüsslers Wunsch: BAfÖG als Vollzuschuss für alle, damit sich Studierende nicht verschulden müssen und sich zudem stärker auf ihr Studium konzentrieren können. „Studierende sollten nicht vergessen und als privilegierte Gruppe abgestempelt werden“, findet sie.

Die Studiengänge würden zunehmend verökonomisiert. Es gehe nur noch um die „Jagd“ nach Credit Points, „damit man gute Noten hat und irgendwie einen Abschluss kriegt“. 180 sogenannte ECTS-Punkte, das steht für European Credit Transfer System, brauchen Studierende seit der Bologna-Reform in der Regel für einen Bachelor-Abschluss, 120 für einen Master. Universitäre Lehre würde immer mehr verschult. Kritische Inhalte kämen dabei häufig zu kurz, kritisiert Schüssler. Auch deshalb will sie sich zum Master noch einmal spezialisieren. Doch zuerst steht für sie ab Ende Januar ein Auslandssemester im englischen Bradford an.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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