Inland

Politisch motivierte Straftaten: Rechter Hass auf Rekord-Hoch

Noch nie gab es in Deutschland so viele politisch motivierte Straftaten wie im vergangenen Jahr. Die meisten davon kamen aus rechten Kreisen, wie das Bundeskriminalamt mitteilt. Vor allem in einer Kategorie kam es zu einem dramatischen Anstieg.

von Lea Hensen · 21. Mai 2024
Antisemitische Parolen am Rathaus Tiergarten

Antisemitische Schmierereien am Rathaus Tiergarten in Berlin

Politisch motivierte Straftaten haben in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Das geht aus der Statistik für politisch motivierte Kriminalität für 2023 hervor, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) Holger Münch am Dienstag vorgestellt haben. Allein rund 29.000 Taten, und damit fast die Hälfte, wurden von Täter*innen aus rechten Kreisen verübt – seit Einführung der Statistik in 2001 gab es nie so viele Straftaten von rechts. Gegenüber dem Vorjahr ist ihre Zahl um 23 Prozent gestiegen. Linksextremistische Straftaten sind insgesamt um elf Prozent gestiegen. Einen Großteil davon machen die Proteste der Klimaktivist*innen aus, so das BKA.

Hasskriminalität nimmt um fast 50 Prozent zu

Insgesamt hat das Bundeskriminalamt 60.028 Straftaten gezählt, was einen neuen Höchststand seit Einführung der Statistik in 2001 bedeutet. Gegenüber dem alten Spitzenwert von 2022 sind das noch einmal knapp zwei Prozent mehr. Den größten Anteil mit einem Drittel machten dem BKA zufolge Propagandadelikte aus, gefolgt von Sachbeschädigungen und Beleidigungen. Die Taten werden in der Statistik erfasst, sobald sie polizeilich bekannt sind. Das macht eine hohe Dunkelziffer wahrscheinlich. Die Behörden ordnen einige Taten auch mehreren Kategorien zu, was Mehrfachzählungen möglich macht.

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, erklärte: „Die politisch motivierte Kriminalität hat sich innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt und nimmt weiter zu.“ Menschen in Teilen der Bevölkerung radikalisierten sich, Hasskriminalität habe mit insgesamt gut 17.000 Fällen um fast 50 Prozent zugenommen. Diese Entwicklung müsse man sehr ernst nehmen, da sie den gesellschaftlichen Frieden bedrohe, so Münch. 

Zwei Verletzte pro Tag durch rechte Gewalt

„Wir sehen einen neuen Höchststand von Straftaten, die sich gegen unsere offene und freiheitliche Gesellschaft richten“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag. „Wir müssen unmissverständlich zeigen, dass der Rechtsstaat diese Gewalt nicht hinnimmt.“ Insgesamt gab es im vergangenen 1.759 Verletzte als Opfer politischer Kriminalität, davon 714 Verletzte durch rechte Gewalt. Das seien zwei verletzte Menschen pro Tag, betonte Faeser. 

Einen dramatischen Anstieg gab es bei Straftaten, die die Behörden dem Bereich „religiöse Ideologie“ zuordnen: Im Vergleich zum Vorjahr nahmen sie mit 1.458 Delikten um 76 Prozent zu. Die Behörden bringen das mit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 in Verbindung. Die meisten Angriffe seien aus rechten Kreisen gekommen, häufig ging es dabei um Drohungen oder Volksverhetzung. 2022 hatte es im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt nur 61 Straftaten gegeben. Ein Jahr später waren es 4369 – also mehr als 70 Mal so viele. Die allermeisten von ihnen wurden nach dem 7. Oktober 2023 und damit dem Angriff der Hamas verübt. 

Auch die Gesamtzahl der antisemitischen Straftaten in Deutschland hat sich mit 1.927 Taten im vergangenen Jahr verdoppelt. Die Hälfte davon wurde ebenfalls nach dem 7. Oktober 2023 begangen. Auch Straftaten gegenüber Asylbewerbern sind laut der Behörde um 75 Prozent gegenüber 2022 angestiegen: Unter 2488 Straftaten kam es dabei in 321 Fällen zu Gewalt. 

Angriffe auf Politiker*innen um 30 Prozent gestiegen

Auch die Anzahl der Angriffe auf Politiker*innen hat deutlich zugenommen. Zuletzt löste der körperliche Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke große Empörung aus. An der Statistik für politisch motivierte Kriminalität lässt sich erkennen, dass Straftaten gegenüber politischen Mandatsträger*innen schon im vergangenen Jahr um 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen sind. In 27 Fällen handelte es sich dabei um körperliche Angriffe.

Um 30 Prozent gesunken sind dagegen im vergangenen Jahr die Straftaten aus dem Reichsbürgermilieu. Die Behörden führen das auf die Abnahme der Corona-Proteste zurück, bei denen viele Reichsbürger*innen aktiv gewesen waren. Die Aufklärungsquote der politisch motivierten Straftaten lag 2023 bei etwas weniger als 50 Prozent.

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