Kündigungswelle wegen Bürgergeld? Zahlen widerlegen CDU-Behauptung
Seit Monaten kritisiert die CDU, die Höhe des Bürgergelds würde Menschen dazu verleiten, ihre Arbeit zu kündigen. Zahlen aus dem Bundesarbeitsministerium widerlegen diese Behauptung nun. Stattdessen kann das Ministerium einen Rekord vermelden.
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Lieber Bürgergeld statt statt Arbeit? Zahlen des Bundesarbeitsministeriums widerlegen die Behauptungen der CDU.
Es waren starke Worte, die Friedrich Merz wählte. 1,7 Millionen Menschen, die arbeiten könnten, würden sich derzeit „ausrechnen, dass es sich eigentlich gar nicht lohnt, wenn man Bürgergeld bezieht“, behauptete der CDU-Chef am 1. Februar im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF. Auf die Nachfrage des Moderators ergänzte Merz: „Die Menschen können rechnen und die sagen ihren Arbeitgebern genau das. Die sagen ihnen: Es lohnt sich für mich nicht und für 200 Euro im Monat mache ich hier nicht 40 Stunden, sondern dann mache ich lieber Bürgergeld. Das sagen Ihnen alle Arbeitgeber, das sagen Ihnen Betriebsräte.“ Massenhaftes Kündigen fürs Bürgergeld, lautete Merz‘ Behauptung.
„Keine empirischen Befunde“ für CDU-Behauptungen
Bereits im Dezember hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die Rechnung aufgemacht: „dass es insgesamt bei den Bürgergeld-Empfängern 20 bis 30 Prozent gibt, die eigentlich arbeiten könnten, es aber nicht tun“. Deshalb, so Linnemann, „müssen wir Vorschläge diskutieren, dass Menschen, die arbeiten können, nach einer bestimmten Zeit eine Arbeit annehmen müssen“. Ein Arbeitszwang schwebt dem CDU-Generalsekretär also vor.
Dass weder Merz‘ noch Linnemanns Behauptungen den Tatsachen entsprechen, war schon länger vermutet worden. Es gab zahlreiche Rechnungen, die belegten, dass Arbeitnehmer*innen in nahezu allen denkbaren Fällen mehr Geld zu Verfügung haben als Bezieher*innen von Bürgergeld, es sich also nicht lohne, für die Sozialleistung ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu kündigen.
Eine Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion widerlegt die CDU-Unterstellungen nun vollends. Der Bundesregierung lägen „keine empirischen Befunde“ vor, dass es seit der Einführung des Bürgergelds zu massenhaften Kündigungen von Arbeitnehmer*innen gekommen sei.
Niedrigster Zugang in die Grundsicherung seit ihrer Einführung
Und Anette Kramme, Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeitsministerium, wird sogar noch deutlicher. Zwar habe es im vergangenen Jahr einen zwei Prozent höheren Zugang von Menschen in den Bezug von Bürgergeld (früher Arbeitslosengeld II) gegeben als 2022, doch die Anzahl derer, die aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis ins Bürgergeld gekommen wären, sei 2023 um 13,7 Prozent niedriger gewesen als im Vorjahr. Einfach ausgedrückt: Der Wechsel ins Bürgergeld aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis kam lange nicht so selten vor wie im vergangenen Jahr.
Kramme kann sogar auf einen Rekord verweisen. „Damit gab es im Jahr 2023, dem Jahr der Einführung des Bürgergeldes, den bislang niedrigsten Zugang an Arbeitslosen in die Grundsicherung für Arbeitssuchende aus Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt seit ihrer Einführung im Jahr 2005.“ Und: „Gleichzeitig ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Jahresverlauf 2023 saisonbereinigt weiter gestiegen.“
Die Zahlen aus dem Bundesarbeitsministerium widerlegen damit nicht nur eindrucksvoll die Behauptungen der CDU-Politiker Merz und Linnemann, sie unterstreichen auch, dass sich ein Grundgedanke des Bürgergelds erfüllt: Arbeitslose über Qualifizierung in Arbeit zu bringen und nicht durch Zwang.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
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