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Hochwasser: Was eine Ausnahme von der Schuldenbremse hier bringen würde

Das Grundgesetz erlaubt bei Naturkatastrophen wie einer Hochwassernotlage eine Ausnahme von der Schuldenbremse. Die Auswirkungen auf die Haushaltskrise wären jedoch begrenzt.

 

von Christian Rath · 5. Januar 2024
Hochwasser-Notlage: Nach tagelangen Regenfällen führt die Leine bei Burgstemmen in Niedersachsen zu schweren Überschwemmungen.

Hochwasser-Notlage: Nach tagelangen Regenfällen führt die Leine bei Burgstemmen in Niedersachsen zu schweren Überschwemmungen.

Die Ampel-Koalition diskutiert, ob sie angesichts des Hochwassers in Niedersachsen die Schuldenbremse „aussetzen“ soll oder nicht. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich und die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sind tendenziell dafür, FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Saraj ist strikt dagegen. Dabei ist die Diskussion symbolisch völlig überladen.

Zunächst ist festzuhalten, dass das Grundgesetz bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen eine Ausnahme von der Schuldenbremse erlaubt. Der Staat soll trotz Schuldenbremse auch in unerwarteten Krisen handlungsfähig bleiben. Dass ein gewaltiges Hochwasser grundsätzlich eine Naturkatastrophe ist, dürfte außer Frage stehen.

Hochwasser-Schäden: Es geht um Milliarden


Um welche Summe es bei den Hochwasserhilfen überhaupt geht, ist heute mitten im Hochwasser naturgemäß noch unbekannt. Auch müssen sich Bund und Länder noch über die Aufteilung der Kosten einigen. Im Jahr 2024 werden auf den Bund vermutlich einige Milliarden Euro an Mehrkosten zukommen. Die Summe dürfte jedenfalls groß genug sein, um die Schuldenbremse hierfür auszusetzen. Denn das Grundgesetz sieht eine Haushaltsnotlage erst vor, wenn die staatliche Finanzlage „erheblich“ beeinträchtigt ist.

Allerdings ist die Feststellung einer Haushaltsnotlage kein „Sesam öffne Dich“, das den Zugang zu unermesslicher Neuverschuldung ermöglicht. Wenn der Bundestag wegen des Hochwassers die Schuldenbremse „aussetzt“, dürfen nur die Kosten, die im Bund im Jahr 2024 zusätzlich wegen der Hochwasserschäden anfallen, mit zusätzlichen Schulden finanziert werden. 

Klimapolitik und Digitalisierung sind so nicht zu bezahlen


Es wäre aber nicht möglich, dann eine ambitionierte Klimapolitik oder die Digitalisierung der Gesellschaft über zusätzliche Kredite zu bezahlen. Diese Aufgaben sind weder unerwartet noch Folgen der Hochwasser-Katastrophe.

Falls der Bundestag eine Hochwasser-Haushaltsnotlage beschließen sollte, würde das den Haushaltskonflikt der Ampel-Koalition also keineswegs entlasten. Die Frage, ob und wie Zukunftsinvestitionen finanziert werden können, bliebe ungelöst. Der Haushaltskonflikt würde durch die Hochwasserfolgekosten nur nicht weiter verschärft, weil die Ausgaben nicht an anderer Stelle eingespart werden müssen. 

Ahrtal-Hochwasser: Schuldenbremse über Jahre ausgesetzt


Derzeit plant die Bundesregierung noch, den Haushalt 2024 unter Einhaltung der Schuldenbremse aufzustellen. Sie hat sich aber offengehalten, die Schuldenbremse auszusetzen, um 2,7 Milliarden Euro Hochwasserhilfe für das Ahrtal durch Zusatzschulden zu finanzieren. Die Bundesregierung hatte nach dem Ahrtal-Hochwasser 2021 ein Sondervermögen „Aufbauhilfe 2021“ eingerichtet, das vom Bund mit bis zu 30 Milliarden Euro ausgestattet wird. Die Länder beteiligten sich hälftig an der Rückzahlung.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Schuldenbremse vom November durchaus mehrjährige Haushaltsnotlagen infolge einer einzigen Katastrophe oder Notlage zugelassen. Schließlich kann sich die Beseitigung der Folgen über mehrere Jahre hinziehen. Allerdings müsse der Notstand, so das Verfassungsgericht, in jedem Jahr neu festgestellt und begründet werden. So musste der Bundestag auch 2023 die Hilfe für das Ahrtal in Höhe von 1,6 Milliarden Euro durch einen Nachtragshaushalt unter Feststellung einer Haushaltsnotlage finanzieren. Der Bundestag hat also bereits Routine in der haushalterischen Abwicklung von Hochwasserfolgen.

Die Folgen des Karlsruher Urteils


Dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstand, man könne über Haushaltsnotlagen auch ganz andere Kosten finanzieren, hat sich die Koalition aber selbst zuzuschreiben. Denn zu Beginn ihrer Regierungszeit hat sie im Nachtragshaushalt für 2021 den Klimafonds mit 60 Milliarden Euro zusätzlichen Mitteln ausgestattet und dies als Wirtschaftshilfe nach der Corona-Pandemie verbucht. Dabei hat Karlsruhe im Urteil von November die schuldenfinanzierte Finanzierung von Konjunkturprogrammen nach einer Notlage durchaus als zulässig akzeptiert, im konkreten Fall aber die Begründung des Zusammenhangs zur Corona-Krise als nicht ausreichend beanstandet. 

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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