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„Flip-Flop-Merz“: Wo der CDU-Chef in kurzer Zeit seine Meinung geändert hat

Friedrich Merz behauptet, Russland nie ein Ultimatum gestellt zu haben – obwohl das Bundestagsprotokoll und diverse Videos das Gegenteil beweisen. Es ist nicht das erste Mal, dass der CDU-Chef innerhalb kürzester Zeit seine Meinung ändert.

von Kai Doering · 4. Dezember 2024
Hat zuletzt mehrfach schnell seine Meinung gewechselt: CDU-Chef und -Kanzlerkandidat Friedrich Merz

Hat zuletzt mehrfach schnell seine Meinung gewechselt: CDU-Chef und -Kanzlerkandidat Friedrich Merz

Olaf Scholz wurde sehr deutlich. „Friedrich Merz will der Nuklearmacht Russland ein Ultimatum stellen“, sagte der Bundeskanzler in seiner Rede bei der „Wahlsiegkonferenz“ der SPD am vergangenen Samstag. Wenn Putin nicht tue, was Deutschland will, dann werde nach 24 Stunden mit deutschen Marschflugkörpern weit nach Russland hineingeschossen. So habe es der CDU-Kanzlerkandidat angekündigt. „Ich kann da nur sagen: Vorsicht! Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch-Roulette!“, mahnte Scholz.

Katja Mast: Merz‘ Verhalten ist „total unberechenbar“

Die Empörung bei Friedrich Merz war groß. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt dem russischen Präsidenten ein Ultimatum gestellt“, sagte der Vorsitzende und Kanzlerkandidat der CDU am Dienstag vor einer Fraktionssitzung im Bundestag. Dass das nicht stimmt, lässt sich jedoch leicht beweisen. So vermerkt das Bundestagsprotokoll in einer Rede von Merz als Antwort auf die Regierungserklärung von Scholz am 16. Oktober: „Wenn er (Putin, Anm.d.Red.) nicht innerhalb von 24 Stunden aufhört, die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu bombardieren, dann müssen aus der Bundesrepublik auch Taurus-Marschflugkörper geliefert werden, um die Nachschubwege zu zerstören, die dieses Regime nutzt, um die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu schädigen und zu bombardieren.“ Etwas später in seiner Rede forderte Merz Scholz auf, seine „Angst vor Putin“ zu überwinden.

Aus der SPD erntete der CDU-Chef für sein Manöver scharfe Kritik. „Merz wechselt im zentralen Feld der Außenpolitik seine Meinung wie andere ihre Hemden“, schrieb der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Nils Schmid, am Mittwoch auf X und bezeichnete den Unionskanzlerkandidaten als „Flip-Flop-Merz“. Deutsche Außenpolitik brauche „Beständigkeit, Nervenstärke und Besonnenheit – gerade in schwierigen Zeiten“. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Katja Mast bezeichnete Merz‘ Verhalten am Mittwoch als „total unberechenbar“. Das häufige Wechseln seiner Meinung zeige, „dass Merz nichts zu Ende bringt“.

Der CDU-Generalsekretär musste Merz einfangen

Das Hin und Her in der Ultimatumsfrage ist nur eines von mehreren Beispielen, in denen Friedrich Merz seine Position innerhalb kürzester Zeit geändert hat. Zu Beginn des Jahres hielt er der damaligen Ampel-Regierung im Bundestag klar entgegen: „Ich schließe eine Zustimmung meiner Fraktion zu einer Aufweichung der Schuldenbremse heute von dieser Stelle erneut aus. Damit können Sie nicht rechnen.“ Knapp zehn Monate später, Mitte November, bezeichnete er bei einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“ Veränderungen an der Schuldenbremse dagegen als ein technisches Thema. „Selbstverständlich kann man das reformieren“, sagte Merz auf Nachfrage. Die Frage sei nur, wozu. Schließlich musste CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann seinen Chef einfangen. Seine Partei stehe ohne Wenn und Aber zur Schuldenbremse, teilte er mit.

Ähnlich flexibel zeigte sich Friedrich Merz zuletzt beim „Deutschlandticket“. „Killt Friedrich Merz das Deutschlandticket?“, fragte noch am 13. November „Spiegel online“. Offensiv war hier vor allem Markus Söder, Chef der CDU-Schwesterpartei CSU, aufgetreten, indem er gefordert hatte: „Wenn der Bund es (das Deutschlandticket, Anm.d.Red.) nicht bezahlt, dann muss es fallen – ganz einfach.“ Nach der Neuwahl des Bundestags müsse die neue Bundesregierung eine Überprüfung der Finanzierung einleiten, forderte Söder. Friedrich Merz war zu diesem Zeitpunkt auf dem Kurs, keinem Projekt der früheren Ampel seine Zustimmung geben. Man wolle „nicht das Ersatzrad“ für die FDP sein, so Merz.

Drei Tage später, am 16. November, dann die Kehrtwende. „Das Deutschlandticket ist finanziert für das Jahr 2025“, teilte Friedrich Merz nach einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit. „Wir wollen, dass so etwas wie ein Deutschlandticket erhalten bleibt. Aber wie es dann finanziert wird und wer es dann finanziert, das wird sicherlich Gegenstand schwieriger Verhandlungen im nächsten Jahr sein“, so Merz.

Merz‘ Meinung hält nur zwei Wochen

Und auch als Mitte November eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten einen Antrag vorstellte, um den Abbruch von Schwangerschaften zu legalisieren, zeigte sich Friedrich Merz zunächst erbost. „Ich bin wirklich entsetzt darüber, dass derselbe Bundeskanzler, der immer wieder vom Zusammenhalt, vom Unterhaken und von Gemeinsinn spricht, mit auf der Liste dieses Gruppenantrages mit seiner Unterschrift erscheint“, schimpfte der CDU-Chef.

Die Streichung von Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch bezeichnete Merz als Thema, „das wie kein zweites das Land polarisiert, das wie kein zweites geeignet ist, einen völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen“. Doch auch hier hielt Merz‘ Meinung gerade einmal zwei Wochen. „Natürlich kann man sich nach so vielen Jahren noch einmal neu mit dem Thema beschäftigen“, sagte Merz am 30. November gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“. Es gebe erkennbar einen gesellschaftlichen Wandel, der eine Überprüfung der aktuellen Regelung rechtfertige.

Vor der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag kündigte Merz übrigens an: „Wir werden keinem Gesetzentwurf der SPD und der Grünen zustimmen, der haushaltswirksam ist.“ Es bleibt abzuwarten, wie lange diese Aussage hält.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 05.12.2024 - 10:07

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Nun ist der nicht der einzige Politiker, der Erinnerungsschwächen hat.