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BSW:​ „Das wird zeigen, wie groß der Einfluss von Sarah Wagenknecht ist.​“

Das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ ist einer der großen Gewinner der Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In allen drei Ländern könnte das BSW bald mitregieren. Der Parteigründerin könnte das ungelegen kommen, meint der Politikwissenschaftler Aiko Wagner.

von Kai Doering · 2. Oktober 2024
Wie geht es weiter mit dem BSW? Die kommenden Monate dürften sehr interessant werden, meint der Politikwissenschaftler Aiko Wagner.

Wie geht es weiter mit dem BSW? Die kommenden Monate dürften sehr interessant werden, meint der Politikwissenschaftler Aiko Wagner.

Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und zuletzt in Brandenburg hat es das Bündnis Sarah Wagenknecht jeweils aus dem Stand gleich zweistellig geschafft, in die Landtage einzuziehen. Hat Sie das überrascht?

Wirklich überraschend war das nicht, weil die Umfragen die Ergebnisse ja schon angedeutet hatten. Im Vergleich dazu hat das BSW dann bei der Wahl sogar etwas schlechter abgeschnitten als ihr vorhergesagt worden war. In Brandenburg sicherlich wegen der Zuspitzung des Zweikampfs zwischen SPD und AfD. In Sachsen war es ähnlich zwischen CDU und AfD. Erstaunlich ist das Abschneiden des BSW eher, weil es ja erst Anfang des Jahres gegründet wurde und bisher über kaum Strukturen verfügt. So etwas hat es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik nicht gegeben.

Das BSW konnte vor allem frühere Wähler*innen der Linkspartei zu sich ziehen. Die AfD hat dagegen kaum an das BSW abgegeben, obwohl das viele vermutet hatten. Wurde die Anziehungskraft des BSW auf AfD-Wähler*innen überschätzt?

Dass das BSW viele Wähler*innen der Linkspartei anspricht, ist wenig überraschend. Schließlich gehörten viele der Protagonist*innen des BSW bis vor kurzem noch der Linkspartei an. Insgesamt finde ich es schwierig, in der aktuellen Situation Wählerwanderungen zu bewerten, da zwischen den letzten Landtagswahlen und denen jetzt sehr viel passiert ist, was großen Einfluss hat auf die Politik: Corona etwa oder der Krieg in der Ukraine. Was die AfD angeht, finde ich es bemerkenswert, dass verschiedene Erhebungen darauf hindeuten, dass Wähler*innen, die Ende letzten Jahres ihr Kreuz noch bei der AfD machen wollten, jetzt bei der Europawahl oder den Landtagswahlen das BSW gewählt haben. Das heißt, ohne das BSW wäre der Stimmenanteil der AfD vermutlich noch deutlich höher gewesen.

Wie bewerten Sie das?

Es ist noch etwas früh, das abschließend zu bewerten, aber das BSW könnte die Segmentierung des Wählermarktes zwischen der AfD auf der einen und den demokratischen Parteien auf der anderen Seite aufweichen. Bisher gibt es zwischen den beiden Lagern ja kaum eine Durchlässigkeit. Das BSW könnte also eine Scharnierfunktion bekommen. Für die anderen Parteien ist das eher unangenehm, aber im Sinne eines funktionierenden demokratischen Wettbewerbs und der repräsentativen Demokratien ist es unglaublich wichtig, dass diese Offenheit wieder da ist. Das kann auch dazu beitragen, Nichtwähler*innen wieder stärker zur Stimmabgabe zu motivieren.

Aiko
Wagner

Das BSW ist nach wie vor eine Partei mit vielen Unbekannten.

Viele BSW-Wähler*innen haben als Gründe für ihre Wahl die Haltung der Partei zu Russland angegeben, aber auch das Thema Migration war für viele wahlentscheidend. Sind das die Themen, für die das BSW aus Ihrer Sicht steht?

Das BSW ist nach wie vor eine Partei mit vielen Unbekannten. Vieles variiert auch je nach Landesverband stark und auf der Bundesebene gibt es nochmal andere Schwerpunkte. Mein Eindruck ist, dass die Landesverbände des BSW zu vielen Fragen eine deutlich pragmatischere Haltung haben und für Themen stehen, die die Menschen vor Ort bewegen, auch wenn sie dafür am Ende vielleicht gar nicht gewählt wurden. Das Ganze hat übrigens eine gewisse Ironie, weil Sarah Wagenknecht ja immer kritisiert, die politische Linke würde zu wenig über Verteilungsfragen reden, sondern vor allem über gesellschaftspolitische Fragen und Identitätspolitik. Das BSW wird nun aber nicht wegen seiner wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen gewählt, sondern aufgrund von gesellschaftspolitischen Fragen und seiner Position zu Russland und dessen Krieg gegen die Ukraine.

Welche Rolle spielt Sarah Wagenknecht für das BSW überhaupt, gerade mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg?

Das ist extrem schwer einzuschätzen. Ich glaube, erst die Ergebnisse von möglichen Koalitionsverhandlungen in den Ländern werden zeigen, wie groß der Einfluss von Frau Wagenknecht ist. Die Landespolitikerinnen und Landespolitiker des BSW dürften ein großes Interesse daran haben, Koalitionen mit CDU und SPD zu schmieden. Abgesehen zur Haltung zu Russland gibt es da aus meiner Sicht programmatisch keine unüberwindbaren Hürden. Aus Sicht der Bundespartei und damit von Sarah Wagenknecht wäre es dagegen vermutlich besser, nicht jetzt schon in Koalitionen zu gehen, um eine bessere Ausgangslage für die Bundestagswahl im kommenden Jahr zu haben. Ein Jahr lang in drei Ländern Regierungsverantwortung zu tragen, könnte für das BSW ein harter Realitätscheck werden. Je nachdem, welche Linie sich am Ende durchsetzt, wird sich zeigen, wie groß der Einfluss von Sarah Wagenknecht wirklich ist.

Aiko
Wagner

Die kommenden Monate dürften sehr interessant werden und ein Vorzeichen geben, wie es mit dem BSW institutionell weitergeht.

Die Mitgliedschaft wird beim BSW bewusst klein gehalten. Hätte die Partei überhaupt genug politisches Personal für drei Regierungsbeteiligungen?

Das ist wirklich ein Problem für das BSW, sogar schon in den Parlamenten. Ganz viele Abgeordnete haben keinerlei politische Vorerfahrung. Wenn man sich etwa den Brandenburger Landesverband ansieht, hat das BSW keine 50 Mitglieder, stellt aber plötzlich 14 Abgeordnete plus Mitarbeiter*innen in den Büros. Das ist schon eine große Herausforderung. Wenn dann noch Ministerinnen und Minister inklusive Staatssekretäre dazukommen, wird es wirklich dünn. Die kommenden Monate dürften sehr interessant werden und ein Vorzeichen geben, wie es mit dem BSW institutionell weitergeht. Wenn es für das BSW schlecht läuft, wird die Partei Opfer ihres eigenen Erfolgs.

Was bedeutet das für die möglichen Koalitionäre?

Für sie ist das BSW sicher der am schwierigsten zu berechnende Partner. Zumal neue Parteien dazu neigen, dass der eine oder andere Abgeordnete die Fraktion nochmal wechselt und immer mal wieder Leute ausscheiden, weil sie merken, dass der parlamentarische Betrieb oder die konkrete Fraktion doch nichts für sie ist. Bei den zum Teil sehr knappen Mehrheitsverhältnissen in den Landtagen kann das für eine Regierung zum Problem werden. Deshalb kann es eine gute Idee sein, übergroße Koalitionen zu bilden, etwa in Brandenburg neben einer Koalition aus SPD und BSW auch noch die CDU mit an Bord zu holen.

Der Gesprächspartner

Aiko Wagner ist Politikwissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.

Aiko Wagner
Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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4 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mi., 02.10.2024 - 18:42

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Das kann man wohl sagen. Es ist schon eigenartig, eine Partei nach ihrer Gründerin und Chefin zu bennenen und ihr die Auswahl der Mitglieder zu überlassen.
Auch hat sie die erhebliche Schwächung der Linken durch ihre Abspaltung zu vertreten, womit eine fortschrittliche Politik sowohl auf Länder- wie auf Bundesebene erschwert wird. Insbesondere ist es unklar, mit wem sie, ob in einer Koaltion oder auch nicht, in Sachfragen zusammen arbeitet und möglicherweise damit die AfD unterstützt.
Daher wäre m.E. eine Rückkehr der Rest-Linken mit renommierten Politikern wie Bodo Ramelow zur SPD empfehlenswert, womit auch die SPD gestärkt würde.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 03.10.2024 - 08:17

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Statt sich mit Hilfe eines "Politwissenschaftlers" am BSW und Sahra Wagenknecht (samt Oskar ?) abzuarbeiten sollte "DIE" SPD sich mal mit ihrer eigenen Politik beschäftigen, die ihr Wählerpotential immer mehr schrumpfen lässt.
In Brandenburg gäbe es die Möglichkeit für die SPD, in Koalition mit dem BSW, viel mehr autentische sozialdemokratische Politik umzusetzen. Die Frage ist nur: Will sie das ?

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Mo., 07.10.2024 - 12:00

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Bestechende Idee.
Die SPD sollte aber noch weiter gehen und versuchen, Linke zu sammeln. Das ist natürlich schwer wegen des fast schon sprichwörtlichen Sektierertums der Linken - aber einen ernsthaften, langfristig angelegten Versuch wäre die Aussicht allemal wert.

Ich kann die SPD nur davor warnen so Leute aus dem "Kipping"-Flügel zu umwerben - die sind sowieso besser bei den doppel und dreifach-Moralikern von den Grünen aufgehoben. Die SPD muss sich um ihre eigene Kompetenz kümmern um wieder Ansprechpartnerin für die weniger begüterten Menschen in dieser Republik zu werden. Friedenspolitik - Sozialpolitik - Bildungspolitik - Demokratie !!!!