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AfD-Bundesparteitag in Essen: „Wir möchten uns das nicht bieten lassen“

Am Wochenende kommt die AfD in Essen zu ihrem Bundesparteitag zusammen. Das soll nicht unwidersprochen bleiben, fordert die Vorsitzende der NRW-Jusos, Nina Gaedike. Im Interview erzählt sie, was die Jusos und ihre Mitstreiter*innen planen.

von Jonas Jordan · 28. Juni 2024
Protest gegen Rechtsextremismus in Essen: Auch an diesem Wochenende hoffen die Jusos und ihre Mitstreiter*innen auf viele Demonstrant*innen.

Protest gegen Rechtsextremismus in Essen: Auch an diesem Wochenende hoffen die Jusos und ihre Mitstreiter*innen auf viele Demonstrant*innen.

Die NRW-Jusos rufen dazu auf, „gemeinsam laut“ gegen den AfD-Bundesparteitag zu sein. Warum ist das für Sie wichtig?

Wir sprechen schon lange davon, dass die größte Bedrohung für unsere Demokratie von rechts kommt. Diese Bedrohung von rechts ist nicht abstrakt, sondern das ist die AfD. Die Veröffentlichung von Correctiv Anfang des Jahres war eigentlich nur eine Bestätigung der schlimmsten Befürchtungen, die wir seit Jahren haben. Es gibt eine Partei, die Fantasien hat, unsere Demokratie einzuschränken, die den ganz offenen Plan hat, Millionen von migrantisierten Menschen aus Deutschland heraus zu deportieren. Wenn wir davon sprechen, dass wir eine wehrhafte Demokratie haben, muss sich das jetzt in der Auseinandersetzung mit der AfD zeigen.

Was planen Sie am Wochenende in Essen?

Die AfD glaubt, sie könne nach Essen kommen, dort ihren Parteitag geräuschlos vollführen, faschistisches Gedankengut und faschistische Personalfragen klären. Das darf nicht unwidersprochen bleiben. Wir sind da zum Glück nicht alleine, sondern eine ganze Menge an zivilgesellschaftlichen und politischen Gruppen wird sich zusammenschließen. Denn für uns bedeutet wehrhafte Demokratie auch, dass wir vor Ort protestieren und der AfD nicht einfach Räume überlassen. Direkt vor der Halle sollen Protestkundgebungen mit Masse und Lautstärke zeigen, dass wir uns das nicht bieten lassen möchten. Es wird einen Markt der Möglichkeiten am Samstag geben, bei dem sich eine ganze Reihe von Initiativen und Gruppierungen mit Ständen beteiligen und darüber informieren, wie man sich für unsere Demokratie engagieren kann. Denn es ist essenziell, dass diejenigen Menschen, denen diese Problematik mit der AfD und dem Rechtsruck in der Gesellschaft bewusst ist und die sich dagegen einsetzen wollen, auch wissen, wie sie das tun können.

Der neue Delegationsleiter der AfD im Europaparlament, René Aust, war elf Jahre lang in Essen SPD-Mitglied. Ist es daher gerade in Essen umso wichtiger, lautstark dagegenzuhalten?

Das kann man natürlich an der Personalie noch mal festmachen. Ich glaube aber, dass es nicht nur ein Problem einzelner Köpfe der AfD oder in einzelnen Regionen ist. Auch diese ganze Erzählung der letzten Jahre, die AfD sei vor allem ein Problem in den ostdeutschen Bundesländern, demaskiert sich immer weiter. Bei der Europawahl haben in Nordrhein-Westfalen in ehemals sozialdemokratischen Hochburgen im Ruhrgebiet ganz viele Menschen AfD gewählt.

Mit Blick auf Nordrhein-Westfalen ist auch interessant, dass die AfD in manchen Städten relativ gut abgeschnitten hat, in anderen wie Münster, Köln oder Bonn jedoch deutlich unter 10 Prozent lag. Wie erklären Sie sich das?

Immer mehr Leute sind der Überzeugung, dass ihre individuell wahrgenommenen Probleme nicht gelöst werden von den bestehenden Parteien des demokratischen Spektrums. Gerade die Europawahl wurde vielerorts als eine Auseinandersetzung mit der Unzufriedenheit gegenüber der Bundesebene gewertet. Denn immer mehr Leute machen sich darüber Sorgen, ob sie noch eine bezahlbare Wohnung finden. Für sie geht es nicht um einen Urlaub mehr oder weniger, sondern darum, ob sie das Mittagessen für ihre Kinder finanzieren können.

Diese konkreten, im individuellen Lebensraum wahrgenommenen sozialen Fragen tun sich auf. Die Leute haben nicht mehr das Vertrauen, dass etablierte Parteien, sei es die SPD, aber auch die Union, Antworten darauf liefern können. Entsprechend werden sie anfälliger für populistische Parteien wie die AfD, die durch vermeintlich einfache Antworten versucht, Schuldige zu identifizieren, und ihre rassistischen Narrative vorantreibt. In NRW gibt es Kommunen, in denen diese sozialen Fragen ein Riesenproblem und bis heute nicht gelöst sind.

Wann wäre der Protest gegen den AfD-Bundesparteitag aus Ihrer Sicht erfolgreich?

Ich wünsche mir, dass tausende Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Essen kommen, um vor Augen zu führen, dass die Proteste, die wir Anfang des Jahres im ganzen Land hatten, nicht abgeebbt sind. Denn die Leute müssen verstehen, dass es hier um unser aller Freiheit und um unsere Demokratie geht. So schön das Wetter auch ist, sollten sich die Menschen vom eigenen Garten und Balkon nach Essen bewegen. Wir müssen es schaffen, dass die zentral wahrnehmbaren Personen in Essen nicht die AfD und ihre Funktionär*innen sind, sondern eben der laute Gegenprotest.

Nina Gaedike

Nina Gaedike ist Landesvorsitzende der Jusos in Nordrhein-Westfalen. Sie studiert im Master Gender Studies sowie auf Lehramt mit den Fächern Sozialwissenschaften und Geschichte.

Nina Gaedike ist Landesvorsitzende der Jusos in Nordrhein-Westfalen.
Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Fr., 28.06.2024 - 15:20

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"So schön das Wetter auch ist, sollten sich die Menschen vom eigenen Garten und Balkon nach Essen bewegen"

Ich kann leider nicht nach Essen kommen obwohl ich die Demokratie gerne gegen diese linksradikalen Störer verteidigen würde. Wer anderen noch nicht einmal zu hören will, sondern nur des Störens willens stören will, hat Demokratie überhaupt nicht verstanden. In einer Demokratie entscheinden die Wähler mit ihrer Stimmabgabe und nicht irgendwelche Schreihälse auf Demonstrationen. Warum macht die SPD nicht einfach gute Politik, so wie es nun schon mehrfach angekündigt aber nie umgesetzt wurde?