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AfD-Verbot: Diese Voraussetzungen müssten erfüllt sein

Die Stimmen, die ein Verbot der AfD fordern, werden lauter. Der frühere Ostbeauftragte Marco Wanderwitz will Unterstützer*innen suchen, um einen Verbotsantrag über den Bundestag auf den Weg zu bringen. Doch die Hürden sind hoch.
von Christian Rath · 3. August 2023
Teil der demokratischen Mitte? Ein Verbot der AfD ist möglich, aber schwierig.
Teil der demokratischen Mitte? Ein Verbot der AfD ist möglich, aber schwierig.

Wer fordert ein Verbot der AfD?

Die lauteste Stimme ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz aus Chemnitz. Er hat angekündigt, Unterstützer*innen für einen Verbotsantrag des Bundestags zu suchen. Aber auch in anderen Parteien gibt es Verbots-Befürworter, etwa die sächsische Linke-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz. Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz sieht ein AfD-Verbot immerhin als „allerletztes Mittel“. Bisher handelt es sich aber um Einzelstimmen.

Wer entscheidet, ob eine Partei verboten wird?

Das Bundesverfassungsgericht, konkret der Zweite Senat unter Vizepräsidentin Doris König. Erforderlich ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit der acht Richter. 

Wer kann ein Parteiverbot beantragen?

Nur Bundestag, Bundesrat und/oder Bundesregierung können einen Verbotsantrag stellen. Ob sie dies tun, ist eine politische Entscheidung. Sie können darauf verzichten, selbst wenn die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot gegeben wären.

Was sind die Kriterien für ein Parteiverbot?

Eine Partei kann verboten werden, wenn sie darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) zu beseitigen und zu beeinträchtigen. In seinem NPD-Urteil von 2017 hat das Bundesverfassungsgericht dies konkretisiert: Die fdGO habe vor allem drei zentrale Grundprinzipien: den Schutz der Menschenwürde, die Demokratie und den Rechtsstaat.

Damit unvereinbar ist laut Bundesverfassungsgericht ein völkisches Denken, das von einem ethnisch homogenen Staatsvolk ausgeht, in das man nur hineingeboren werden kann. Dies stehe im Widerspruch zum Volksbegriff des Grundgesetzes, wonach alle deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger unabhängig von sonstigen Merkmalen wie Hautfarbe oder Religion zusammen das deutsche Volk bilden. Das völkische Denken verletze die Menschenwürde und das Demokratieprinzip, weil es eingebürgerte Deutsche nicht als gleichwertig anerkennt. Außerdem verletzt das völkische Denken die Menschenwürde, weil es Menschen generell nicht als gleichberechtigt ansieht. Vor allem wegen ihres völkischen Denkens wurde die Politik der NPD 2017 als verfassungswidrig eingestuft.

Kommt es darauf an, ob eine Partei und/oder ihre Anhänger*innen Gewalt anwenden?

Nein, darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist ein „planvolles Handeln“, um die Ziele zu erreichen. Nicht ausreichend ist nur das bloße Bekenntnis zu verfassungswidrigen Zielen.

Welche Bedeutung hat es, dass die Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann an den Umsturzplänen der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß beteiligt war?

Soweit bisher ersichtlich, ist Malsack-Winkemann die einzige AfD-Funktionärin, die an der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung beteiligt war. Das offen anti-demokratische Vorhaben der Gruppe kann also nicht der AfD zugerechnet werden. Die AfD verharmlost die Gruppe zwar, sympathisiert aber nicht mit ihr.

Welche Bedeutung hat es, dass die AfD die EU auflösen will und Klimaschutz skeptisch sieht?

Die AfD vertritt viele Positionen, die sie unter dem geltenden Grundgesetz nicht verwirklichen kann. So ist die deutsche EU-Mitgliedschaft im Grundgesetz ausdrücklich festgeschrieben. Und das Bundesverfassungsgericht hat dem Staatsziel Umweltschutz auch ein Klimaschutz-Gebot entnommen. Um Ihre Politik verwirklichen zu können, müsste die AfD also an vielen Stellen zunächst eine Änderung des Grundgesetzes erreichen. Das aber ist legitim und rechtfertigt kein Parteiverbot. Auch wer etwa die Schuldenbremse abschaffen oder aufweichen will, müsste zunächst das Grundgesetz ändern.

Erfüllt die AfD heute bereits die Voraussetzungen für ein Parteiverbot?

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat dies in einem Gutachten vor einigen Wochen bejaht. Das Institut stellte dabei vor allem auf eine „rassistische national-völkische Ausrichtung“ der AfD ab, die eine „geschlossene und homogene Gesellschaft propagiert, in der Menschen unter Bezugnahme auf das Kriterium der Kultur in ein 'Uns' und 'die anderen' unterteilt und hierarchisiert werden“.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD-Bundespartei bisher als „Verdachtsfall“ eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat dies im März 2022 bestätigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die AfD hat Berufung zum Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt, das noch nicht entschieden hat.  

Sollte der Verfassungsschutz die AfD-Bundespartei eines Tages als „gesichert extremistische Bestrebung“ einstufen, wäre dies gleichbedeutend mit der Aussage, dass er ein Verbot der AfD für möglich hält. Denn die Kriterien sind weitgehend identisch. In einigen Bundesländern wie Thüringen und Brandenburg werden die dortigen AfD-Landesverbände von den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz bereits als „gesichert extremistische Bestrebung“ eingestuft.

Kann auch ein einzelner AfD-Landesverband verboten werden?

Laut Gesetz kann das Verbot „auf einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil einer Partei beschränkt werden“. Demnach könnte ein AfD-Landesverband, der die Voraussetzungen erfüllt, verboten werden, während andere Landesverbände, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, weiterarbeiten könnten.

Welche Lehren sind aus den beiden gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD zu ziehen?

Das erste NPD-Verbotsverfahren scheiterte 2003, weil zu viele staatliche V-Leute in den Gremien der NPD saßen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt deshalb, dass während des Verbotsverfahrens in den Bundes- und Landesvorständen der Partei keine staatlichen Spitzel sitzen.

Beim zweiten Anlauf scheiterte ein Verbot der NPD 2017 an deren mangelnder Relevanz. Die Politik der NPD sei zwar verfassungswidrig, die Partei habe aber nicht das Potenzial, ihre verfassungswidrigen Ziele umzusetzen. Für die AfD, die auf dem Weg ist, stimmenstärkste Partei Deutschlands zu werden, ist dieses Kriterium völlig irrelevant.

Ist es nicht undemokratisch, eine Partei zu verbieten und damit den Wählern die Entscheidung abzunehmen?

Das Grundgesetz sieht in Artikel 21 Parteiverbote ausdrücklich vor. Das dazugehörige politische Konzept nennt sich „wehrhafte Demokratie“. Auch einige andere demokratische Staaten wie Spanien kennen Parteiverbote.

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