19. April 1945: Kurt Schumacher baut die SPD wieder auf
Der 19. April 1945 ist ein schöner Frühlingstag, sonnig, blauer Himmel, Temperaturen um die zehn Grad. In vielen Teilen Deutschlands dauert der Zweite Weltkrieg noch an. Doch schon neun Tage zuvor, am 10. April, haben die Alliierten die Stadt Hannover eingenommen – hier ist schon Frieden. Die Altstadt ist völlig zerstört, viele Stadtteile ebenso, kein Strom, kein Wasser, überall Schutt und Trümmer, zudem herrschen Ausgangssperren.
Die SPD ist zunächst illegal
Doch in den wenigen Stunden, in denen man sich in der Stadt tagsüber halbwegs bewegen darf, ist Kurt Schumacher unermüdlich unterwegs. Mit Hilfe des Genossen Hermann Hasselbring nimmt der schwer kriegsversehrte ehemalige SPD-Reichstagsabgeordnete Kontakt mit sozialdemokratischen Freunden auf. Unter ihnen sind Karl Lotz, Albin Karl und Richard Wassermann. Am erwähnten 19. April 1945, einem Donnerstag, trifft sich dieser sozialdemokratische Kreis erstmals gemeinsam und beschließt, unter Führung des charismatischen Schumacher die SPD wieder aufzubauen.
Noch bevor Deutschland am 8. Mai 1945 kapituliert, treffen sich am 6. Mai etwa 130 Sozialdemokraten im Sitzungssaal des Polizeipräsidiums in Hannover und wählen einen provisorischen Parteivorstand. Der ist zwar illegal, denn in der britischen Zone, in der Hannover liegt, ist die Bildung von Parteien noch nicht gestattet. Doch davon lässt sich Schumacher nicht stoppen. Ideenreich unterläuft er das Verbot mit Hilfe sympathisierender britischer Besatzungsoffiziere, nimmt Kontakt zu anderen SPD-Ortsvereinen auf und organisiert erste Bezirkskonferenzen. Mitte August treibt Schumacher sogar Papier auf und lässt ein erstes Flugblatt drucken: „Die Sozialdemokratische Partei ruft: Für ein neues und besseres Deutschland!“
Auch in Berlin sind ehemalige Genossen aktiv. Dort wird am 11. Juni 1945, einen Tag nachdem die Sowjets in ihrer Besatzungszone Parteien erlaubt haben, ein provisorischer Zentralausschuss der SPD gegründet. Er erhebt den Anspruch, für alle deutschen Sozialdemokraten zu sprechen. Unter der Führung von Otto Grotewohl streben die Berliner den Zusammenschluss mit der KPD an. Doch Schumacher lehnt strikt die Schaffung einer Einheitspartei ab. Darin wird er vom Exilvorstand der SPD (SoPaDe) in London unterstützt.
Der Ost-West-Konflikt beginnt
Der Berliner Zentralausschuss scheint bis zum Herbst 1945 in der günstigeren Position zu sein. Er arbeitet legal, während in den drei Westzonen noch immer keine Parteien zugelassen sind. Doch in der britischen Besatzungszone kann die SoPaDe eine Lockerung des Verbots erwirken. So kommt es vom 5. bis 7. Oktober 1945 zur Konferenz von Wennigsen, wo sich die Vertreter der SPD treffen. Aus der französischen und der amerikanischen Zone kann niemand anreisen, die SoPaDe ist mit Erich Ollenhauer, Fritz Heine und Erwin Schoettle vertreten. Drei Mitglieder des Berliner Zentralausschusses werden nur als Gäste zugelassen.
Auf der Konferenz wird Schumacher als „Beauftragter für die Westzonen“ offiziell mit der Leitung des Wiederaufbaus der SPD beauftragt. In der französischen und amerikanischen Zone wird sein Führungsanspruch anerkannt. Der Zentralausschuss wird auf die sowjetische Zone beschränkt – dort werden am 21. April 1946 SPD und KPD zur SED zwangsvereinigt. Im Gegenzug wird am 10. Mai 1946 Kurt Schumacher in Hannover zum ersten Parteivorsitzenden der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg gewählt.