Vorschlag der EU-Kommission: Mit russischem Geld die Ukraine retten?
Die Milliarden der russischen Zentralbank sind eingefroren. Jetzt sollen zumindest die Zinsen der Ukraine helfen. Im Jahr 2023 waren das immerhin 4,4 Milliarden Euro.
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Mit dern Zinsen der eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank könnte die Ukraine unterstützt werden, so der Plan
Es klingt nach ausgleichender Gerechtigkeit. Wenn Russland schon die Ukraine überfällt, dann könnte mit eingefrorenen russischen Geldern auch der Ukraine geholfen werden. Als die Diskussion 2022 begann, ging es zunächst um die Konten, Jachten und Schlösser von reichen kremlnahen Russen, die im Westen als Sanktion sichergestellt wurden. Nach einigen Monaten verlagerten sich die Hoffnungen auf Gelder der russischen Zentralbank. Inzwischen beziehen sich die Pläne der EU aber nur noch auf die Zinsen der eingefrorenen Zentralbank-Gelder.
Enteignung nicht gerechtfertigt
Dass sich das Objekt der Hoffnungen immer wieder änderte, hat vor allem juristische Gründe. Es wurde schnell klar, dass man reiche Russ*innen, die so genannten Oligarch*innen, nicht einfach enteignen kann. Dass jemand kremlnah ist, rechtfertigt zwar Sanktionen, um mittelbar Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin auszuüben. Es rechtfertigt aber keine endgültige Enteignung. Die betroffenen Oligarch*innen könnten unter Berufung auf ihre Grundrechte erfolgreich dagegen klagen. Deshalb sind die in der EU liegenden Reichtümer im Wert von insgesamt 28 Milliarden Euro lediglich eingefroren und müssen nach Kriegsende zurückgegeben werden.
Auch die Währungsreserven der russischen Zentralbank in der EU sind nur eingefroren. Die 210 Milliarden Euro können ebenfalls nicht enteignet werden, denn für sie gilt die völkerrechtliche „Staatenimmunität“. Diese schützt Staatsoberhäupter vor Festnahme und Staatseigentum vor Enteignung durch andere Staaten. Deutschland ist ein großer Befürworter der Staatenimmunität und wehrt damit zum Beispiel Ansprüche aus Griechenland, Italien und Polen wegen der deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg ab.
Abschöpfung von Zinsen im Fokus
Gegen eine Enteignung der Zentralbank-Gelder spricht aber auch die Angst vor russischer Vergeltung, weil dann wohl auch die Vermögen europäischer Unternehmen in Russland generell enteignet würden. Außerdem will die EU Investor*innen nicht erschrecken. Anlagen in der EU sollen nicht zum Spielball politischer Interessen werden.
Deshalb wird seit einigen Monaten nur noch über eine Abschöpfung der Zinsen der russischen Zentralbank-Gelder diskutiert. Der allergrößte Teil dieser Gelder, 190 Milliarden Euro, sind in Belgien beim privaten Finanzdienstleister Euroclear angelegt. Nach Ende der regulären Laufzeit hätten die Gelder eigentlich nach Russland zurück überwiesen werden sollen, doch wegen der EU-Sanktionen war dies nicht möglich. Inzwischen hat Euroclear sie neu angelegt und erwirtschaftet damit Erträge, im Jahr 2023 waren es 4,4 Milliarden Euro. Die EU-Kommission geht davon aus, dass Russland hiervon nur ein Mindestzins zusteht, während die darüber hinausgehenden „außerordentlichen Erträge“ von der EU abgeschöpft werden können. Ob die Nutzung der Zinserträge möglich ist, muss am Ende wohl der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entscheiden, Russland wird sicher dagegen klagen.
Europäischer Friedensfonds als Idee
Doch auch politisch ist der Plan noch nicht beschlossen. Im Februar hat der EU-Ministerrat zunächst nur entschieden, dass Zentralverwahrer wie Clearstream, die Erträge aus eingefrorenen russischen Zentralbank-Geldern separat verwalten müssen. Was damit geschehen soll, ist offiziell noch offen. Mitte März hat die EU-Kommission gemeinsam mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell jedoch einen Vorschlag hierzu vorgelegt. Danach sollen jährlich drei Milliarden Euro der russischen Zentralbank-Erträge für die Verteidigung der Ukraine verwendet werden. 90 Prozent der Summe sollen an einen so genannten Europäischen Friedensfonds gehen, der damit Waffenkäufe für die Ukraine finanziert. Mit den restlichen 10 Prozent soll die ukrainische Rüstungsindustrie unterstützt werden. Vom Wiederaufbau der Ukraine ist nicht mehr (oder noch nicht) die Rede. Erst soll die drohende militärische Niederlage der Ukraine verhindert werden.
Der EU-Ministerrat muss den Vorschlag einstimmig beschließen. Eine erste Diskussion beim EU-Gipfel am 21./22. März deutete auf breite Unterstützung hin. Ungarn zeigte sich zwar skeptisch, wie immer wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht. Doch am Ende würde es genügen, wenn Ungarn sich enthält.
Von symbolischer Bedeutung
Die Nutzung der russischen Zinserträge hat inzwischen vor allem symbolische Bedeutung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will zeigen, dass sie an ihrer Ankündigung festhält, dass Russland für den Angriffskrieg zahlen müsse. Und zugleich soll so Akzeptanz dafür geschaffen werden, dass hohe Summen aus dem EU-Haushalt an die Ukraine fließen. So wurden der Ukraine für die nächsten vier Jahre 50 Milliarden Euro zugesagt, damit der Staat seine Gehälter bezahlen kann und nicht völlig zusammenbricht. Hinzu kommen Milliarden für militärische Ausrüstung, die teils von den EU-Staaten, teils aus dem Gemeinschaftshaushalt bezahlt werden. Die jährlich drei Milliarden Euro aus den russischen Zinserträgen sind hier keine irrelevante Summe, aber eben nur ein kleiner Teil der gesamten EU-Zahlungen.
Juristische Spitzfindigkeiten
Muss man sich angesichts der aktuten Bedrohung durch Russland mit juristischen Spitzfindigkeiten auseinendersetzen? Ein neues Gesetz taete es auch: "Das gesamte Vermoegen eines Agressors auf staatlicher Ebene gegen unsere Sicherheit ist fuer den Zweck der Verteidigung gegen den Agressor einzuziehen. Der Nachweis in jedwede Verwicklung genuegt" PUNKT! Fight as dirty as you can, when you have to fight - and we have to fight, now with small impact or later with a big one.