Das Gebot der Stunde heißt: Die AfD isolieren
Die demokratischen Institutionen müssen vor der AfD geschützt werden – ganz besonders in Ostdeutschland. Dabei kommt es jetzt vor allem auf die CDU an, meint unser Gastautor Marcel Lewandowsky.
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Protest gegen die AfD vor dem Reichstagsgebäude in Berlin: Hunderttausende sind auf den Straßen.
Nicht erst seit den Correctiv-Enthüllungen über das Netzwerktreffen in Potsdam diskutiert man darüber, wie auf das Erstarken einer populistischen Partei reagiert werden kann, die dem Rechtsextremismus eine Plattform bietet. Schon die hohen Umfragewerte und die lokalen Wahlerfolge der AfD hatten der Debatte Auftrieb verliehen. Sie hat einen anderen Schwerpunkt als noch vor einigen Jahren, als die Partei um die zehn Prozent dümpelte.
Eine AfD im 30-Prozent-Bereich kann von den anderen Parteien nicht ignoriert werden. Man muss sich in doppelter Hinsicht mit ihr befassen. erstens: Wie kann man ihre Wähler zurückgewinnen? Zweitens: Wie können die Institutionen vor der AfD geschützt werden? Aus Ungarn und Polen wissen wir, dass rechtspopulistische Parteien die demokratischen Institutionen unter ihre Kontrolle bringen und dem gesellschaftlichen Pluralismus schaden.
Selbst auf Landesebene könnte die AfD, die sich strategisch an diesen Vorbildern orientiert, starken Einfluss ausüben: bei der Bestellung des Verfassungsgerichts, durch das Amt des Landtagspräsidenten, mit einer nationalistischen Kultur- und Bildungspolitik.
Was die Wähler*innen von SPD und AfD trennt
Die erste Frage betrifft weniger die Sozialdemokratie als vor allem die CDU. Die derzeitigen Wähler*innen der SPD weisen mit denen der AfD nur wenige Gemeinsamkeiten auf. Besonders in ihren Einstellungen zur Migration und zur Demokratie unterscheiden sich die beiden Gruppen deutlich.
Auf der anderen Seite scheint die Union unter Friedrich Merz zu versuchen, den AfD-Wähler*innen in manchen Punkten auf halbem Weg entgegenzukommen. er spricht über „Cancel Culture“ und redet von „kleinen Paschas“. Bislang hat dieser Ansatz kaum Früchte getragen. Die Union ist zwar in Umfragen stärkste Oppositionspartei, aber die AfD wächst ebenfalls weiter.
Der Versuch, die Wähler*innen der Rechtspopulist*innen durch eine rechte Positionierung – vor allem in der Migrationspolitik – zu- rückzugewinnen, führt nicht zur Schwächung der äußersten Rechten. im Gegenteil: Die Bürger*innen wählen das Original.
Die dänischen Sozialdemokrat*innen, die durch einen eigenen Rechtsruck die Dänische Volkspartei dezimierten, taugen nur bedingt als Gegenbeispiel. Denn was sie von den Rechtspopulist*innen gewannen, verloren sie an die anderen linken Parteien. Dank der nach Blöcken geordneten politischen Kultur konnten die Sozialdemokrat*innen die Regierung stellen. in Deutschland, wo die Grünen nach links und mit den Konservativen koalitionsfähig sind, könnte ein solcher Versuch für die SPD nach hinten losgehen.
Die Union muss sich entscheiden
Angesichts der strategischen Misere der anderen Parteien bekommt die zweite Frage besonderes Gewicht. Wenn die AfD immer stärker wird, wie geht man mit ihr in den Parlamenten um?
Der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke hat angedeutet, dass er auf ein Wahlziel von 33 Prozent hinarbeite. Damit hätte die Partei eine verfassungspolitische Sperrminorität, etwa wenn es um die Besetzung von Richter*innenposten am Landesverfassungsgericht geht.
Die Union muss sich in einigen ostdeutschen Ländern entscheiden: Geht sie mit der AfD zusammen? Oder lässt sie sich auf eine Konstellation ein, in der sie etwa mit der Linken eine Regierung bilden oder sich von ihr in einem Minderheitsmodell tolerieren lassen muss?
Weil die AfD anhaltend stark bleibt, sind Gedankenspiele über eine kurzfristige Rückgewinnung der Wähler*innen müßig. im Mittelpunkt sollte der Schutz der demokratischen Institutionen stehen. Alle anderen Parteien müssen verhindern, dass die AfD an die parlamentarischen Schaltstellen oder in Regierungsverantwortung gelangt. Der Ball liegt im Spielfeld der Union, die teils bereits mit der AfD zusammen in Parlamenten agierte. ihre Strategie könnte die Türen zur Koalition mit anderen Parteien verschließen.
Ein AfD-Verbotsverfahren macht es nicht allein
Ein Parteiverbotsverfahren zählt nicht zu den schnellen Lösungen. Die Vorbereitung des Antrags und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts würden sich über Jahre hinziehen. Es gibt gute Gründe, ein Verbot anzustrengen. Aber das kann von anderen Maßnahmen nicht entlasten, sondern nur parallel laufen.
Worum es jetzt geht, ist ein gemeinsames Bekenntnis aller Parteien, in keiner Weise mit der AfD zusammenzuarbeiten. Einer Neuauflage des Schweriner Wegs, der die NPD in Mecklenburg- Vorpommern seinerzeit isolierte und als Vorbild für den Umgang mit der extremen Rechten diente. Bei (möglichen) Wahlergebnissen über 30 Prozent ist das Gebot der Stunde: parlamentarische Isolation. Das kann eine Partei nicht allein schaffen. Hier müssen alle an einem Strang ziehen. Die CDU ist am Zug.
ist Politikwissenschaftler und Privatdozent an der Helmut-Schmidt- Universität Hamburg.
AFD Verbot
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