Meinung

Warum die Taurus-Debatte der Ukraine nicht nutzt – sondern Putin

In der Diskussion über Waffenlieferungen an die Ukraine geht es zu wenig um Fakten und zu viel um persönliche Profilierung – national wie international. Das schadet dem Westen und spielt Putin in die Hände.

von Lars Haferkamp · 4. März 2024
Ja zur Ukraine, Nein zu Putin: Am 24. Februar 2024, dem zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, finden in ganz Deutschland Demonstrationen statt, wie hier in Köln.

Ja zur Ukraine, Nein zu Putin: Am 24. Februar 2024, dem zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, finden in ganz Deutschland Demonstrationen statt, wie hier in Köln.

So sehr man es der Ukraine auch wünschen würde: Weder der Westen im Allgemeinen, noch Deutschland im Besonderen haben eine Wunderwaffe auf Lager, die zum Gamechanger im Abwehrkampf gegen den russischen Eroberungskrieg werden könnte. Das gilt für den Marschflugkörper Taurus genauso wie für den Leopard-Panzer.

Dennoch fand zum Leopard und findet zum Taurus genau diese Debatte statt, nach dem Motto: Wenn Scholz doch nur endlich liefern würde, dann wäre Kiew dem Sieg nahe. Das hatte und hat mit den Fakten nichts zu tun. Zuletzt bestätigen das auch noch einmal die Offiziere der Luftwaffe in ihrem von Russland abgehörten und veröffentlichen Gespräch über den Taurus ausdrücklich.

Ukraine braucht bessere Luftabwehr und mehr Munition

Kein Wunder also, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi am Wochenende nicht nach Taurus ruft, sondern nach einer besseren Luftabwehr. „Wir brauchen mehr Luftverteidigung von unseren Partnern“, so Selenskyi. „Wir müssen den ukrainischen Luftschild stärken, um unsere Bevölkerung besser vor russischem Terror zu schützen.“ So sieht es auch der Bundeskanzler. Und ergänzt: „Was der Ukraine fehlt, ist Munition, für alle möglichen Distanzen, aber nicht in entscheidender Weise diese Sache (Taurus, die Red.) aus Deutschland.“

Wie wenig Fakten in der aktuellen Taurus-Debatte eine Rolle spielen, zeigt der aktuelle Versuch, das abgehörte Gespräch der Luftwaffe gegen den Kanzler zu instrumentalisieren. So wird behauptet, dort hätte man die Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine zur Steuerung von Taurus für überflüssig erklärt, während Scholz sie als notwendig bezeichnet habe. Doch genau das hat er überhaupt nicht getan. Der Kanzler sagte wörtlich: „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland.“ Keineswegs spricht Scholz also davon, für die Taurus-Programmierung müssten Bundeswehr Soldaten in die Ukraine.

Zu wenig Fakten, zu viel persönliche Profilierung

Es ist nicht zu übersehen: In der Taurus-Debatte geht es zu wenig um Fakten und zu viel um persönliche Profilierung und Eitelkeit – national wie international. Das zeigt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Um von der zahlenmäßig schwachen Waffenlieferung Frankreichs an Kiew abzulenken, bringt er den Vorschlag westlicher Bodentruppen ins Spiel. Damit spaltet und verunsichert Macron den Westen. Das dient nicht der Ukraine. Das nutzt Putin, denn Spaltung und Verunsicherung sind seine Strategie gegenüber dem Westen.

Dass der FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dann nichts Besseres einfällt als Macron für seinen Vorschlag auch noch zu loben und Scholz zu tadeln – „Macron gibt den Antreiber. Der Bundeskanzler den Bremser.“ – kann man nur als Armutszeugnis bezeichnen. Damit beweist sie sich nicht als Verteidigungsexpertin sondern einmal mehr als Expertin für friendly fire, für den Beschuss der eigenen Leute. Wer solche Koalitionspartner hat, der braucht wahrlich keine politischen Gegner mehr.

Olaf Scholz: Keine deutschen Alleingänge

Bundeskanzler Olaf Scholz hat unmittelbar nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine klargestellt: Es darf und es wird keine deutschen Alleingänge geben. Daran hält er sich bis heute. Auch in der Taurus-Frage. Das ist auch gut so. Fakt ist: Bisher liefert kein NATO- oder EU-Partner eine vergleichbare Waffe mit einer Reichweite von 500 km. Frankreich und Großbritannien haben der Ukraine Waffen mit einer Reichweite von nur 250 km zur Verfügung gestellt. Die USA, die über Systeme mit ähnlicher Reichweite wie Taurus verfügen, liefern diese bisher ebenfalls nicht.

Deutschland hilft Kiew seit Kriegsbeginn mit rund 28 Milliarden Euro als humanitäre Unterstützung, als direkte Zahlungen oder in Form von Waffen. Dabei sind Unterstützungsleistungen, die Berlin der Ukraine über EU-Programme gibt, noch nicht mit eingerechnet. In diesem Jahr erhöht das Verteidigungsministerium seine Unterstützung für Kiew von vier auf sieben Milliarden Euro. Damit ist Deutschland für die Ukraine weltweit der größte Geber nach den USA, mit wachsender Tendenz.

Die Union redet das Land in Grund und Boden

Und was macht die Union in dieser Lage? Sie kritisiert – völlig an den Fakten vorbei – die angeblich zu schwache, zu zögerliche Unterstützung des Kanzlers für die Ukraine. Es ist das gute Recht der Opposition das zu tun. Nur hat es mit den Tatsachen nichts zu tun. Und es nutzt nicht der Ukraine, es schafft nur Spaltung und Verunsicherung, und das nutzt nur einem: Putin.

Verteidigungsminister Boris Pistorius berichtet Ende Februar im Bundestag über seine Gespräche mit Politikern auf internationaler Ebene. Wenn es dabei um die deutsche Unterstützung für Kiew gehe, höre er immer wieder: „Dass Deutschland Bewunderung erfährt, für das, was es leistet, im Kampf der Ukraine.“ An die Union gerichtet fährt der Minister fort: „Und es ist so typisch für uns: In aller Welt werden wir bewundert für unsere Leistungsfähigkeit und hier redet uns die Opposition in Grund und Boden.“ 

Boris Pistorius hat Recht. Lassen wir uns nicht schlecht reden und nicht klein machen! Lassen wir uns nicht spalten und nicht verunsichern! Gehen wir Putin nicht auf den Leim! Das ist der beste Dienst, den wir der Ukraine leisten können.

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5 Kommentare

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Mo., 04.03.2024 - 14:30

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die geradezu lächerlich fahrlässigen Bundeswehr-Führer „hätten die Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine zur Steuerung von Taurus für überflüssig erklärt, während Scholz sie als notwendig bezeichnet habe“. Der Vorwärts beweist, dass Scholz nichts dergleichen gesagt hat, sondern stellt richtig: „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland.“ Was Scholz aber mit seinem kryptischen Satz gemeint hat, hält der Vorwärts vor seinen Lesern verborgen. (Ich vermute mal, er weiß das auch nicht.) Um den Satz zu verstehen, muss man die Frage klären, warum der Platz des Explodierens, der ist mit den „Zielen des Systems“ gemeint, mit „deutschen Soldaten verknüpft“ werden kann, ganz gleich, ob sie sich in Deutschland, auf der „Hessen“ oder sonstwo befinden. Wenn der Vorwärts Scholz aus der Schusslinie hätte nehmen wollen, hätte er das Geheimnis des Scholz-Satzes aufklären müssen, statt auf die „der Ukraine fehlende Munition für alle möglichen Distanzen“ zu verweisen, abzulenken. (Ist Taurus keine „Munition für alle möglichen Distanzen“?).
Wer den Ukraine-Krieg militärisch beenden will, das eigentliche Problem, hat kein gutes Argument, der Ukraine, die ja bekanntlich Europa, unsere Werte, also uns, verteidigt, irgendeine Waffe zu verweigern – und deutsche Soldaten in der Ukraine sind noch lange nicht vom Tisch, nicht für die europäische Führungsmacht Deutschland.

Die SPD ist nicht mehr zu retten.

Ich spreche mich ausdruecklich fuer die Unterstuetzung der Ukraine aus, aber in der Sache Taurus will die C-Union die wohl groesste aussenpolitische Herausforderung nach 1945 fuer D lediglich zum MAchtwechsel in D nutzen - da bekommen einige Akteure das Wort im Munde herumgedreht. Wobei, so ganz geschickt wurde hier auch seitens des BK nicht agiert, glaubt man den uebrigen Medien bzgl. des angeblich erwaehnten vorgeblichen Einsatzes und der Brueskierung der BRiten. Taurus ist wohl ein Geraet, mit dem man zu gegebener Zeit aus gegebenem Anlass dem Kreml in Moskau ziemlich demolieren kann. Lt. eines Films bei Springer's Welt-TV und irgendein Medium erwaehnte Ex-Gen. Vad, fliegt das Ding mehr als die postulierten 500km - ich erinnere den Film "... die Reichweite ist geheim!". Hr. Scholz entscheidet also richtig, unsere "beste Waffe" (sorry, sind Waffen gut? - wie soll ich es sonst sagen?) den Ukr. nicht in die Hand drueckt - was wird, wenn die statt "nur" der Krimbruecke bei vielleicht noch eintretender voelliger Verzweiflung einen Enthauptungsschlag in Moskau versuchen? Die Zeit laeuft ja weiter und morgen ist es schon anders als heute. Wenn die USA ATACMS mit einfachen Sprengkopfs u. entspr. Reichweite zur Krimbruecke liefert, so koennte man sich wie bei den Panzern anschliessen - aber federfuehrend eskalieren geht gar nicht! Ausserdem glaubt man in der Medienlandschaft einem Schwall von Des- und Information zu begegnen, der einen manchmal fassungslos zuruecklaesst - bei Krieg frage man doch bitte echte Militaerleute, von denen ich in D nur sehr bedachte kennen gelernt habe. Die Union spielt mit dem Feuer nur wg. MAchtwechsel. Die staendige Medienpraesenz fuehrt zu einem staendig aufgeregten sensationsluesternden Benehmen, statt ruhiger Besonnenheit, auch mit u. trotz entspr. Firepower. Hr. Scholz geht damit irgendwie um, um besonnen zu bleiben - schwieriger Job, derzeit, alle Achtung.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 06.03.2024 - 09:01

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Nun hat "der Putin" Bundeswehroffiziere abgehört,die einen möglichen Angriff auf die Kertschbrücke mit Taurus Raketen planten. Ist diesen Soldaten (Offiziere) und ihrer politischen Führung der Artikel 26 des Grundgesetzes nicht bekannt ???
Ich dachte immer eine solche Angriffsplanung sei grundgesetzwidrig ?

Gespeichert von Kai Doering am Do., 07.03.2024 - 23:20

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Die abgehörten Offiziere haben keinen Angriff geplant. Es wurde lediglich erörtert, unter welchen Bedingungen eine Lieferung von Taurus möglich sein könnte und was das für die Ukraine und Deutschland bedeuten würde.

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Fr., 08.03.2024 - 16:53

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Ich denke, als Militaer-Laie, dass Planspiele bei der schwierigen Aufgabe helfen hoffentlich ALLE(!) moeglichen Szenarien zu durchdenken, um die vlt. jetzt o. spaeter unausweichliche Frage des Einsatzes zu entscheiden. Es kommt zwar dann doch anders, als man denkt - "Kein Plan ueberlebt in Gaenze den ersten Feindkontakt" - aber man sollte schon eine realistische Einschaetzung vornehmen. Es sind ja nur Gedankenspiele und kein konkreter Einsatzplan, der nun in Aktion gebracht wird. Solange nix gemacht wird und ein Plan ein Plan bleibt, ist es sicherlich verfassungsgemaess. Truppenuebungen sind dann die naechste Stufe, denke ich - ausprobieren der Plaene. Letzteres sicherlich nicht mit Taurus auf die Kertschbruecke