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Brandenburg: SPD gewinnt Wahl, Woidke kann Ministerpräsident bleiben

Die SPD hat die Landtagswahl in Brandenburg gewonnen. Sie wird klar stärkste demokratische Kraft und landet auch vor der rechtsextremen AfD. Davon hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke im Vorfeld seinen Verbleib im Amt abhängig gemacht.

von Jonas Jordan · 22. September 2024
Ein Küsschen für den Sieger: Ministerpräsident Dietmar Woidke und seine Frau Susanne auf der Wahlparty der Brandenburger SPD in Potsdam.

Ein Küsschen für den Sieger: Ministerpräsident Dietmar Woidke und seine Frau Susanne auf der Wahlparty der Brandenburger SPD in Potsdam.

Mit Spannung wurde das Ergebnis der Landtagswahl in Brandenburg erwartet. Zum einen weil sich SPD und AfD zuletzt in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, zum anderen weil der beliebte Ministerpräsident Dietmar Woidke angekündigt hatte, nur dann im Amt bleiben zu wollen, wenn seine SPD vor der AfD landet, die in Brandenburg vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird. „Wenn man den Menschen sagt, dass es bei der Wahl ganz wesentlich um Dietmar Woidke geht, kann ich nicht einfach sagen: Wenn es schiefgehen sollte, mache ich aber trotzdem weiter“, begründete der seit elf Jahren amtierende Ministerpräsident seine Ankündigung im Interview mit dem „vorwärts“.

Im Wahlkampf setzte Woidke nicht nur auf kreative Werbung mit seiner Glatze, aber auch auf drei wesentliche inhaltliche Punkte: Stabilität und Sicherheit, gute wirtschaftliche Entwicklung, die bei allen Menschen ankommt, und eine starke Gemeinschaft. Dafür warb die SPD im Endspurt in den Tagen vor der Wahl noch einmal überall im Land, auch mit kreativer Unterstützung der Jusos. Offenbar hat sich das ausgezahlt. Nicht nur durch eine hohe Wahlbeteiligung, die im Vergleich zu vor fünf Jahren um knapp zwölf Prozentpunkte auf einen Rekordwert von mehr als 73 Prozent stieg. Die SPD konnte auch 30 Prozent ihrer Stimmen aus dem Lager der bisherigen Nichtwähler*innen rekrutieren – ein für den Wahlsieg nicht zu vernachlässigender Faktor.

SPD liegt vorne

Denn laut dem vorläufigen Ergebnis kommt die SPD auf 30,9 Prozent und liegt damit vor der AfD mit 29,2 Prozent. Die CDU erreicht mit 12,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer ostdeutschen Landtagswahl und landet damit noch hinter dem erstmals angetretenen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 13,5 Prozent. 

Den Wiedereinzug in den Landtag verpassen Grüne (4,1 Prozent), Linke (3) und BVB/Freie Wähler (2,6). Sonstige Parteien kommen auf 4,6 Prozent, darunter auch die FDP.

Woidke will mit CDU sprechen

Dietmar Woidke wirkte erleichtert, als er schon um kurz nach 18 Uhr auf der Wahlparty der Brandenburger SPD ans Mikrofon trat, links neben ihm seine Frau, rechts neben ihm der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Daniel Keller. „Es war ein hartes Stück Arbeit, das wir hinter uns gebracht haben. Wir haben gesagt, wir nehmen diesen Kampf auf“, sagte der Ministerpräsident mit feuchten Augen und beschwor zunächst noch die „Euphoriebremse“. Trotzdem fügte er an, „dass es wieder einmal die Sozialdemokraten waren, die Extremisten auf ihrem Weg an die Macht gestoppt haben. Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte des Landes noch nie gegeben hat.“

Später, im Interview im Potsdamer ARD-Wahlstudio, nannte Woidke neben dem Ziel, das Land „gegen eine Partei, die in Teile offen rechtsextremistisch ist“, zu verteidigen, auch die Geschlossenheit und Entschlossenheit seiner Partei als Basis für den Wahlerfolg. Denn die Zahlen zeigen im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren (26,2 Prozent) einen deutlichen Zuwachs bei der SPD. Mit Blick auf die Bildung der kommenden Landesregierung kündigte Woidke an: „Wir werden als erstes mit der CDU reden und dann schauen, ob es weitere Partner braucht.“ Denn Brandenburg stehe in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen.

Platzeck: „Dietmar Woidke hat alles reingeworfen. Es ist sein Erfolg.“

Im ZDF äußerte sich auch der frühere brandenburgische SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck zum Wahlerfolg seines Nachfolgers. „Dietmar Woidke hat alles reingeworfen, was ging. Er hat für sehr viel Klarheit gesorgt. Es ist sein Erfolg“, sagte Platzeck. Die Partei habe in einer schwierigen Situation entschlossen und geschlossen hinter und zu ihm gestanden. Das habe dazu beigetragen, dass „diese sagenhafte Aufholjagd“ gelingen konnte. Nach Platzecks Einschätzung könne dieser Wahlerfolg nun auch bundesweit für Rückenwind bei seiner Partei sorgen. „Ich gehe fest davon aus, dass das auch der Bundes-SPD wieder ein Stück Mut und Rückenwind gibt. Das liegt fast auf der Hand. Die 30 zu reißen, ist schon eine Zahl, die man sich gut merken kann.“

Woidke selbst forderte, aus der Landtagswahl, die Lehre zu ziehen, Politik insgesamt besser erklären zu müssen. „Was die Bundesebene betrifft, gibt es einiges nachzuholen. Wir müssen wieder näher an die Menschen heranrücken, mehr mit ihnen reden.“ Auch seien alle demokratische Parteien gefordert, ihre Kommunikation in den sozialen Medien zu verbessern und dieses Feld nicht der AfD zu überlassen.

Lob von Esken, Schwesig und Kühnert

Von der Bundesebene seiner Partei bekam Wahlsieger Woidke viel Zuspruch. So sagte die Vorsitzende Saskia Esken in der ARD: „Es ist wirklich beeindruckend, was in den vergangenen acht Wochen gelungen ist. Das ist die Leistung eines sehr, sehr beliebten Ministerpräsidenten und seiner Landesregierung, die einfach einen guten Job gemacht haben.“ 

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte schon um kurz nach 18 Uhr in der ARD: „Dietmar Woidke und seiner Brandenburger SPD ist eine furiose Aufholjagd in den vergangenen Wochen gelungen von Umfragewerten unter 20 Prozent bis zu diesem Ergebnis. Das hat mit einer guten Leistungsbilanz, einem gestandenen Ministerpräsidenten und auch dem persönlichen Zutrauen in ihn zu tun. Diesen Erfolg nimmt der Brandenburger SPD schon jetzt keiner mehr.“  

Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und gebürtige Brandenburgerin, schrieb bei X: „Gratulation an Dietmar Woidke und die SPD in Brandenburg! Sie haben eine starke Aufholjagd hingelegt. Es sieht nach den Prognosen danach aus, dass die SPD stärkste Kraft vor der AfD und Dietmar Woidke Ministerpräsident bleibt.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mo., 23.09.2024 - 09:58

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Nicht die SPD hat in Brandenburg gewonnen, sondern allein Dietmar Woidke. Wenn jetzt die im Wahlkampf ausgeladenen SPD-Größen diesen Sieg für sich verbuchen so kann ich nur sagen, daß sie auch diesen Schuß vor den Bug nicht gehört haben.
Inter den Kulissen wird deutlich, daß die SPD kaum noch Verankerung in ihrer traditionellen Wählerschaft, den Arbeitnehmern, hat und das wieder auszubügeln gehört zu den Hauptaufgaben der Partei; hier im Land und auch im Bund.
Das Abschneiden der agd kann ich ganz und gar nicht gut finden, allerdings muss auch in Betraht gezogen werden daß die Regierungspolitik die Menschen so in die Zweifel trieb, daß sie meinten die afd wählen zu müssen. Den Geßlerhut: "..... in Teilen rechtsextremistisch Partei (afd) " sollte man mal langsam von der Stange nehmen und ihre menschenverachtenden Ziele und Politik argumentativ widerlegen. Positiv ist zu verbuchen, daß die Partei, die die grundlegenden Gesetze der Ökonomie und Naturwissenschaften nicht kennt oder kennen will nun außerhalb des Parlaments zurecht kommen muss.
Summa summarium wünsche ich Dietmar Woidke ein glückliches Händchen bei der Regierungsbildung und einer Politik im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Mo., 23.09.2024 - 10:24

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„SPD gewinnt Wahl, Woidke kann Ministerpräsident bleiben.“
Der Ertrinkende greift nach jedem Strohhalm – wer könnte so hartherzig sein, ihm diese Hoffnung zu nehmen.

Die Analyse der Wählerbewegungen zeigt, dass nicht Woidke und schon gar nicht die SPD gewählt worden ist: Die Bevölkerung Brandenburgs hat die Wahl gewonnen, die durch strategische Stimmabgabe die AfD als stärkste Kraft verhindert hat. Dass Woidke daran nicht ganz unbeteiligt war - zugegeben. Eine solche Sternstunde der Demokratie lässt sich aber leider nicht beliebig oft wiederholen.
Schon der Ausgang der Koalitionsverhandlungen wird bereits bei dem einen oder anderen Wähler Zweifel an seiner Wahlentscheidung wecken.

Von der Entscheidung Woidkes, einen Wahlkampf ohne Berliner Unterstützung machen zu wollen, will ich gar nicht reden.

Gespeichert von Rainer Kramm (nicht überprüft) am Mo., 23.09.2024 - 11:23

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So hat sich das MP Dietmar Woidke sicherlich nicht vorgestellt - beide Parteien CDU und BündnisGrüne sind raus - nun sitzt eine Partei, die der SED-Zeit in der DDR nachtrauert, mit auf der Regierungsbank!
Die AfD hat Sperrminorität erreicht!
Man hat nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen die falschen Schlüsse gezogen - eine Partei kann nicht die Lösung gegen AfD und BSW sein!
Was jetzt Herr Woidke - jetzt ist viel Fingerspitzengefühl gefragt - wie erklären sie den Genossen die Haltung von BSW zu den westlichen Werten?

Als Genossen freut man sich, trotzdem ist die Freude über den Wahlsieg nicht groß sein, weil der Weg wie es weitergeht offen bleibt.

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mo., 23.09.2024 - 14:20

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sich, Kurs halten, auch bei gegenwind. jetzt geht es überall bergauf. Wenn jetzt die Koalition in Frage gestellt wird, nun auch von Nuripour, dann sage ich: Auf gehts, wir stellen uns der Neuwahl auf Bundesebene, gerade jetzt, wo wir derart starken Rückenwind verzeichnen können. Scholz ist unser Mann, das haben auch die Brandenburger er- und bekannt

Gespeichert von Matias Leão Ra… (nicht überprüft) am Mo., 23.09.2024 - 14:56

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Die deutsche Sozialdemokratie hat sich sehenden Auges in die Klemme gebracht. Sowohl des Rechtsextremismus verdächtige AfD wie auch die autoritär sozialistischen Nationalisten der BSW umfassen in Brandenburg zusammen 42.7 % der abgegebenen Stimmen. War die AfD bisher entlang der polnischen Grenze entlang geseucht, hat sie jetzt weite Teile der Ostseeküste erreicht. Nicht auszudenken, wie Prof. Wieler früher vor dieser Epidemie gewarnt hätte.

Allen Unkenrufen zum Trotz verharrt die SPD in einer Schockstarre. Scholz will einem Biden-Effekt trotzen. Die Ampelkoalition hat im dritten Jahr der Amtsperiode gerade 38 % ihres Koalitionspapiers, unter erheblichen Geburtsschmerzen, umgesetzt. Landtagswahlen degenerieren mit Hilfe der SPD zur Abstimmung über die Bundespolitik. Dem Terror von jeweiligen islamistischen Einzeltätern folgt wie immer der Horror der hilflosen Parlamentarier und Parteivorständen. Bei dieser parteiübergreifenden Kakophonie ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis die Wahlberechtigten sich, einer Soziose gleich, sich einer Massenhysterie gegenüber Emigranten abergläubisch nicht entziehen können. Was soll die "irreguläre" Migration sein, wenn wie auf Flucht vor Kriegsfolgen und politischer Verfolgung beruht? Menschenhandel wird nicht effektiv bekämpft. Illegale Beschäftigung wird nicht a la Portugal bekämpft. Menschenschlepper werden nicht bekämpft. Die Bürokratie gegen verschleppte Anerkennung von Berufs- oder Studienabschlüssen wird nicht bekämpft. Es gibt mit einer Vermögenssteuer keine generationsübergreifende Steuergerechtigkeit. Hier kann die marktgläubige SPD einen Unterschied machen können, macht sie jedoch nicht. Ordnungspolitische Leere anstatt prozesspolitischer Akzente.

Alle drei Tage kommt eine Frau, soziologisch betrachtet, durch ein Femizid zu Tode, jeden Tag sterben sieben Menschen bei Verkehrsunfällen, jeden Tag sterben 28 Menschen an Suizid. Aufschrei? Würde das kosmetische Kontrollieren der Schengen-Grenzen von einer nicht im Bundestag vertretenden Bundesministerin irgendetwas daran ändern? Interessiert dies überhaupt jemanden? Aber ein einziger islamistischer Amokläufer soll die soziale Kohäsion der Gesellschaft zerlegen können?

Zudem zu glauben, dass ausgerechnet die löblichen Jusos einen kreativen Beitrag dazu getan hätten, dass in weiten Teilen die SPD von Rentnern gewählt wurde, schlägt schon den Boden aus dem Fass. In fünf Jahren erreicht Dietmar Woidke das gesetzliche Rentenalter. Der Rentenreform seit 01.01.2023 zum Trotz, ist die politische Nachfolgesicherung nicht in Sicht, weder in den Bundesländern noch in Berlin.

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