Meinung

Wie Ostdeutschland zum Motor der Transformation wird

Auch der deutschen Wirtschaft steht eine „Zeitenwende“ bevor. Ostdeutschland ist für diese Transformation bestens gerüstet. Doch das Erstarken von Rechtspopulist*innen gefährdet die Entwicklung.

Energiepart Lausitz in Brandenburg: Ostdeutschlands Potenziale bei den Erneuerbaren Energien sind groß.

imago | Andreas Franke

Deutschland befindet sich in einer Zeit der Umbrüche. Die viel beschworene „Zeitenwende“ ist allumfassend und betrifft auch die deutsche Wirtschaft und insbesondere aufgrund der hohen Energieabhängigkeit große Teile unserer Industrie. Diese befindet sich schon seit Jahren in einem umfassenden Transformationsprozess, der sich durch die Krisen der letzten Jahre weiter beschleunigt hat.

Energiewende, Antriebswende, Mobilitätswende, Klimawende – das sind keine Modebegriffe. Es sind Notwendigkeiten, um bei der weltweiten Konkurrenz um zukunftsfähige Produkte und Industrien mitzuhalten und Wohlstand zu sichern.

Auf die Industrie kommt es an

Denn die Wahrheit ist: Industrie war stets der Garant für Wohlstand in Deutschland. Umso schmerzlicher war die De-Industrialisierung Ostdeutschlands nach der Friedlicher Revolution und Wiedervereinigung. In Ostdeutschland ist es vor allem die Industrie, in der tarifgebundene Jobs zu finden sind und wo die Mitbestimmung stark ausgeprägt ist. Vergleichsweise hohe Einkommen in der Industrie sichern wiederum starke Binnenkaufkraft, die sich gerade auch in Wirtschaftskrisen stabilisierend auswirkt. Die Industrie sorgt in ostdeutschen Bundesländern auch in Krisenzeiten dafür, dass Wachstumsraten wie in Brandenburg über dem Bundesdurchschnitt liegen

Die vielen zeitgleichen Krisen, in deren Folge es zu Inflation, globalen Lieferkettenengpässen und überteuerter Energie kam, gefährden momentan das Wachstum und die Versorgung der Wirtschaft, vor allem aber auch den Wohlstand der arbeitenden Bevölkerung.

Den Vorteil Ostdeutschlands nutzen

Wir begreifen die Transformation als Chance. Gerade auch, weil in ostdeutschen Bundesländern in den letzten Jahren wichtige Grundlagen für die Transformation unserer Wirtschaft gelegt wurden. Der konsequente Ausbau Erneuerbarer Energien (EE) in den meisten ostdeutschen Bundesländern wird beim Umbau der Wirtschaft hin zu CO2-neutraler Produktion ein großer Vorteil Ost-Deutschlands sein gegenüber klassischen westdeutschen Industrieregionen. 

Diesen Vorteil müssen wir jetzt nutzen. Durch eine gute Industrie- und Standortpolitik mit einer gesteuerten und umsichtig durchgeführten Transformation kann Ostdeutschland zum Motor werden. Dafür braucht es aber ein demokratisches und zuversichtliches Klima, ohne das Wirtschaft in Umbruchzeiten nicht bestehen kann. Was es nicht braucht sind Ausgrenzung, düstere Zukunftsbilder und Antworten von Gestern und Vorgestern.

Hervorragende Potenziale in der Energiewende

Für uns als Gewerkschaftspartner in den Transformationsnetzwerken ist klar: Nur eine demokratische, vielfältige, mitbestimmte und zukunftsfähige Industrie- und Gesellschaftspolitik kann in Ostdeutschland den Wohlstands-Abstand zu großen Teilen Westdeutschlands endlich strukturell verringern. In der Antriebswende kann der Standort Ostdeutschland zukünftig so prägend werden wie es jahrzehntelang der Südwesten Deutschlands war. Hinzu kommen die hervorragende Potenziale in der Energiewende. Am Ende kann es durch die Transformation mehr statt weniger Arbeit geben.

In vielen Industriebereichen der Zukunft zeigt sich schon jetzt, dass entscheidende Ansiedlungen in Ost-Deutschland erfolgen. Ob Batteriekomponenten, der Ausbau Erneuerbarer Energien, Wasserstoff-Pipelines, Halbleiter oder E-Autowerke in Brandenburg und Sachsen: Wir haben die Flächen dafür, einen hohen Anteil an Facharbeitenden, starke Forschungs-, Wissenschafts- und Innovationstreiber. Zusätzlich haben wir nicht nur, aber vor allem in Berlin eine große StartUp-Szene, aus der viele neue Entwicklungen kommen, die auf industrielle Skalierung in einem modernen und klimaneutralen Umfeld warten.

Mut zur Vielfalt

All diese Potenziale für einen starken Wirtschaftsstandort Ostdeutschland brauchen ein demokratisches, optimistisches und Sicherheit gebendes Umfeld. Wer Talente in Ostdeutschland halten und neue durch Zuwanderung hinzugewinnen will, der braucht vor allem eins: den Mut zur Vielfalt in einer Willkommensgesellschaft. 

Doch das alles ist in Gefahr und wird durch das Erstarken von Rechtspopulist*innen bedroht. Wer keine Zukunftsantworten bietet, spaltet und ausgrenzt, gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands und schreckt Investoren ab. 

Die unseligen, an den Geist längst vergangen gewähnter Zeiten erinnernden Pläne des Rechtsextremisten-Treffens in einer Potsdamer Villa zeigen, wie wichtig es jetzt ist, diesem Gedankengut Einhalt zu gebieten. Das tun die vielen hunderttausende Menschen überall in Deutschland und zeigen so der Welt, dass Demokrat*innen in der Mehrheit sind. Das ist wichtig für unsere Gesellschaft, unsere Demokratie, aber eben auch für unseren Wirtschaftsstandort.

Worauf es jetzt ankommt

Gute Arbeit, Mitbestimmung, Vielfalt, demokratische Strukturen in allen gesellschaftlichen Bereichen und eine zukunftsfähige, Wohlstand schaffende Wirtschaft sind die besten Garanten gegen Rechtspopulist*innen, -extremist*innen und andere Feinde unserer Gesellschaft. Gemeinsam müssen wir als Politik, Sozialpartner*innen, Wirtschaft, fortschrittliche Verbände und Vereine mit den Transformationsnetzwerken und vielen anderen Initiativen die Herausforderungen für eine ökologisch und ökonomisch gerechte Zukunft meistern und die Zuversicht in die Zukunft schaffen, für die Ostdeutschland jetzt in der Transformation die besten Chancen hat. Auch darum geht es bei der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September.

Autor*in
Robert Drewnicki und Michael Schmiedel

sind gewerkschaftliche Projektleiter der Transformationsnetzwerke ReTraNetz Berlin-Brandenburg bzw. MoLeWa in Leipzig.

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4 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mo., 16.09.2024 - 22:07

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Baum und Strauch, so fällt kein Schatten auf die Fotovoltaik, abgesehen von dem, was die Windräder an Schatten werfen. Das ist also die ins Bild gesetzte Transmission in die Zukunft. Gelungen? Ich weiß nicht, mir wäre es lieber, es würden auch noch Wälder sich beteiligen am Abbau des CO2 Überschusses, aber davon ist weit und breit nichts zu sehen. Für Wälder ist ja wohl Brasilien zuständig, dem man die Abholzung des Regenwaldes nicht zugesteht, während man selbst........

Dem Einwand will ich wohl zustimmen. Ca. 6% der Fläche der BRD (Gebäude, Staßen, Parkplätze) sind versiegelt und darauf und darüber kann Photovoltaic sinnvoll sein. Absoluter Unsinn ist aber die zusätzliche Versiegelung durch Photovoltaic auf landwirtschaftlich nutzbarer Fläche (wie im Bild gezeigt). Unsere Bundesregierung fördert aber gerade nun mal diese zusätzliche Flächenversiegelung (der Hang zu Großprojekten). Wen wundert es noch, daß diese Regierung immer weniger Rückhalt findet ?

Gespeichert von Kai Doering am Di., 17.09.2024 - 12:28

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Auch wenn das nicht Thema das Artikel ist, eine kleine Richtigstellung: Beim Aufbau von Photovoltaik-Anlangen bleiben 99 Prozent des Bodens unberührt, lediglich ein Prozent der Fläche wird also bebaut. Von Versiegelung kann demnach keine Rede sein.