Meinung

Die Transformation meistern: Was die Wirtschaft jetzt braucht

Mit seinen Urteilen zum Klimaschutz sowie zum Haushalt stellt das Bundesverfassungsgericht die Politik vor ein Dilemma. Soll der Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft gelingen, braucht es jetzt klare Entscheidungen.

von Ines Zenke · 21. Februar 2024
Aus fossil wird erneuerbar: Damit der Umbau der Wirtschaft gelingt, braucht es jetzt klare politische Entscheidungen, sagt Ines Zenke vom SPD-Wirtschaftsforum

Aus fossil wird erneuerbar: Damit der Umbau der Wirtschaft gelingt, braucht es jetzt klare politische Entscheidungen, sagt Ines Zenke vom SPD-Wirtschaftsforum

Seien wir ehrlich. Das Bundesverfassungsgericht hat uns doch in eine gewisse Zwickmühle gebracht. Zunächst ist da der Beschluss aus dem April 2021. Der war zwar nicht so aufregend, wie mancher damals glauben machen wollte. Artikel 20a des Grundgesetzes mit seiner Verpflichtung zum Klimaschutz gab es vorher schon und dass ein Klimaschutzgesetz die Zukunft fest im Blick haben und (damals war das so) nicht 2031 enden sollte, überraschte nicht wirklich. 

ABER. Und das war das eigentlich Spektakuläre an dieser Entscheidung: Der erste Senat leitet die Beschwerdebefugnis aus einem drohenden Schaden, einer drohenden Grundrechtsverletzung ab. Würden jetzt „zu großzügig Emissionen zugelassen“, würden möglicherweise sehr große Treibhausgasminderungslasten auf die Beschwerdeführer*innen ab dem Jahr 2031 zukommen. Diese „Vorwirkung auf künftige Freiheit“ könnte Grundrechte verletzen. Der politische Prozess, so leitet es das Gericht ab, soll „zugunsten ökologischer Belange ... mit Blick auf die künftigen Generationen“ gebunden sein.

Das Dilemma der nicht finanzierbaren Transformation

Auf der anderen Seite gibt es das vom zweiten Senat im Bundesverfassungsgericht erlassene Urteil zum Haushalt vom November 2023. Dieses warf viele Ampel-Pläne über den Haufen, die Wirtschaft auf ihrem Weg zur Klimaneutralität 2045 zu unterstützen. Strenggenommen betraf das Urteil zwar nur Paragraf 2a des Gesetzes für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) mit fünf Sachpunkten. Spätestens aber nach der öffentlich geführten Kontroverse, wer schuld sei am Dilemma der nicht finanzierbaren Transformation, war allen klar, hier geht es um Grundsätze ordentlicher Haushaltsführung unter einer Schuldenbremse und mit Regeln, die jedenfalls nichts mit der vom ersten Senat entwickelten „Vorwirkung auf künftige Freiheit“ zu tun haben. Im Gegenteil. Nach den durchgeprüften Regeln geht es (u.a.) um Jährigkeit und Jährlichkeit eines verfassungsrechtlich korrekt aufgestellten Haushaltes. Der Blick nach 2031 hat da keinen Platz.

Einen dritten Senat im Bundesverfassungsgericht, der uns einen quasi neutralen, höchstrichterlichen Tipp zur Auflösung des Dilemmas geben könnte, gibt es nicht. Also müssen wir selbst ran, wobei das „wir“ natürlich die Politik meint. Über viele Punkte sind „wir“ uns einig. Unsicherheit ist Gift für private Investitionen. Bürokratie kann lähmend sein, weswegen ihr Abbau dringend ansteht. Wir brauchen Fachkräfte, was schon per se Vielfalt und einen stabilen demokratischen Wertekanon voraussetzt. Digitalisierung hilft, weswegen sie voranzutreiben ist. Infrastrukturen sind zu erhalten und zu modernisieren, denn ohne sie ist alles nichts. Schließlich braucht es preiswerte Energie, die transformationsbedingt in rauen Mengen als grün zur Verfügung stehen muss. Und auch sonst verlangt der Umbau der Wirtschaft „in Zeiten wie diesen“ Mut, Zuversicht und klare Rahmenbedingungen für Investitionen, die jetzt angereizt werden müssen „als gäbe es kein Morgen“.

Die Transformation erfordert zusätzliches Kapital

Die Mehrheit der Ökonom*innen stimmt darin überein, dass die sozialverträgliche Klimaneutralität bis 2045 nicht aus laufenden Einnahmen finanziert werden kann. Der zusätzliche Investitionsbedarf wird für die EU-Staaten auf zwei bis sechs Prozent des BIP geschätzt, ein erheblicher Teil davon entfällt auf öffentliche InvestitionenDiese Mittel durch Steuern zu generieren, hieße, die derzeit ohnehin schwache Wirtschaft weiter zu belasten und die Klimaambitionen zu gefährden. Die Transformation erfordert also zusätzliches Kapital. Die geeigneten Instrumente müssen schnell feststehen, wobei ein Mix von Ansätzen nötig ist.

In ihrer jetzigen Form jedenfalls wird die Schuldenbremse den Herausforderungen dieses Jahrhunderts nicht gerecht. Für ihre Anpassung plädieren auch die Wirtschaftsweisen. Denkbar sind Ausnahmen für Investitionen in die Klimaneutralität, das Schaffen rechtlicher Eigenständigkeit zweckgebundener Fonds, die reformierte Konjunkturkomponente. Dies gilt es, mit Anreizen für private Investitionen zu kombinieren. Das Wachstumschancengesetz mit an sich begrüßenswerten Investitionsprämien („Superabschreibungen“) setzt hier nur laue Impulse, die sich bestenfalls in der zweiten Nachkommastelle des BIPs zeigen werden, realwirtschaftlich aber irrelevant bleiben. Die fiskalischen Engpässe werfen auch hier zurück.

Unternehmen und Repräsentant*innen der institutionalisierten Wirtschaft haben sich in den vergangenen Tagen direkt an den Kanzler gewandt. Im Kern geht es darum, wie wir die Herausforderungen der Transformation bewältigen und dass wir diese als demokratisches Land erfolgreich bewältigen müssen. Hierfür brauchen wir einen breiten politischen und gesellschaftlichen Schulterschluss. Und die Einsicht, dass die Aufgaben jetzt zu lösen sind, was auch der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts so sieht.

Autor*in
Ines Zenke, Präsidentin des SPD Wirtschaftsforums Foto: Nana Heitmann
Ines Zenke

ist Präsidentin des Wirtschaftsforums der SPD e.V.

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4 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 21.02.2024 - 12:12

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und solange vor dem BVG geklagt werden kann- mit Aussicht auf Erfolg- ist die Geldbeschaffung problematisch, denn die Belange der zukünftigen Generationen werden ja nicht nur bei der Ökologie, sie werden auch bei der Ökonomie tangiert. Mehr Schulden auf Kosten der kommenden Generationen ist also ebenso angreifbar, wie die Zweckumwidmung der alten Schuldenbefugnisse es war. Entweder stellen wir sicher, dass Klagen vor dem BVG nur noch von der Bundesregierung angestrengt werden dürfen- oder wir suchen andere Finanzquellen. Ich plädiere für die Enteignung der Reichen- unter Wahrung eines Grundvermögens. Wer mehr als 40TEUR Jahreseinkommen hat, muss auf diesen Betrag zurechtgestutzt werden

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Mi., 21.02.2024 - 12:18

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Das ist doch mehr oder weniger "Gejammere" des Wirtschaftsforums der SPD. Privates Geld ist da in Hülle und Fülle - wie Heu! Aber der Staat macht sich selbst arm. Würde angemessen/gerecht besteuert, wäre auch öffentliches Geld sehr ausreichend vorhanden. Was tut die SPD für eine angemessene/gerechte Besteuerung der sehr und Superreichen??? Wieviel Rücksicht auf die FDP will die SPD noch nehmen ???
Es darf verwiesen werden auf:
https://interaktiv.morgenpost.de/vermoegen-deutschland-karte-vergleich/

Gespeichert von Bernd Schwarz (nicht überprüft) am Do., 22.02.2024 - 11:48

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Hallo Frau Zenke,

besten Dank für diese Darstellung und Meinung. Ich bin im Klimaforum der SPD engagiert. Darf ich sie auf einen Artikel meinerseits in dieser Meinungs-Rubrik aufmerksam machen als Ergänzung zu Ihrer Darstellung der ich insgesamt zustimme.
Hier der Link:
https://vorwaerts.de/meinung/warum-wir-alle-fur-mehr-klimaschutz-verant…

Die wichtigste "Conclusio" aus meiner Darstellung darf ich bitte hier kopieren als Ergänzung Ihres Meinungs-Artikels:
Ist es also im Rahmen der Daseinsvorsorge einfach eine Aufgabe des Staates und der Energieversorger, Transformations- und Klimaschutz-Maßnahmen umzusetzen? Welche Regelungen zur Definition der Verantwortung sind im Klimaschutzgesetz enthalten? Paragraf 8 des Bundesklimaschutzgesetzes beschreibt die Verantwortung zur Beschließung von Maßnahmen seitens der Regierung um die Summe der Jahresemissionsgesamtmengen einzuhalten. Diese Maßnahmen werden dann gemäß Paragraf 9 in einem Klimaschutzprogramm detailliert beschrieben und gesetzlich verabschiedet.

Mit anderen Worten und vereinfacht ausgedrückt: die Exekutive hat die Verordnungsermächtigung und die Gesellschaft (Firmen, Bürger, Körperschaften) ist verantwortlich für die Umsetzung und Finanzierung der technischen Investitionen für den Umbau des Energiesystems.
Insgesamt wird aus meiner Perspektive zu wenig auf einem energiewrtschaftlichen und technischen Level diskutiert und die SPD ist diesbezüglich in der Öffentlichkeit sehr schlecht aufgestellt.
Ihr Kommentar zu meinem Kommentar interessiert mich sehr !
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Schwarz

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Do., 22.02.2024 - 13:21

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"Soll der Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft gelingen, braucht es jetzt klare Entscheidungen."

Ein "klimaneutrale Wirtschaft" ist faktisch überhaupt nicht möglich oder man versteht unter "Wirtschaft" etwas, was nur mit menschlicher und tierischer Energie angetrieben wird. Und selbst da müsste ja noch das CO², das Menschen und Tiere ausatmen irgendwie "neutralisert" werden, von Methan und anderen Gasen ganz zu schweigen.