ARD-Serie „Die Zweiflers“: Eine schrecklich vielschichtige Familie
In der neuen ARD-Serie „Die Zweiflers“ gelingt Serienschöpfer David Hadda eine Seltenheit des deutschen Fernsehens: Modernes jüdisches Leben wird in all seiner Vielschichtigkeit gezeigt. Das ist brutal ehrlich und unglaublich unterhaltsam.
ARD Degeto/HR/Turbokultur/Elliott Kreyenberg
Die neue ARD-Serie „Die Zweiflers“ zeigt modernes jüdisches Leben mit all seinen Facetten.
„Hierzulande hatten Juden nur eine Rolle, die sie spielen durften – die des Opfers“, das sagte Regisseur Dani Levy im Jahr 2005. Damals erschien mit seinem Film „Alles auf Zucker“ die erste moderne, deutsch-jüdische Komödie hierzulande, und der erste deutsche Film seit langem, in dem jüdische Menschen, aber nicht der Holocaust im Mittelpunkt standen.
Das ist nun knapp 20 Jahre her. „Alles auf Zucker“ räumte beim Deutschen Filmpreis 2005 ganze zehn Nominierungen und sechs Auszeichnungen ab. Ein Überraschungserfolg, der heute als Klassiker gilt. Dennoch: Weitere Filme oder Serien dieser Art gab es danach in Deutschland nicht mehr.
Bis jetzt. Denn nun erscheint mit „Die Zweiflers“ eine moderne Familiengeschichte, die jüdisches Leben außerhalb des klassischen Holocaust-Narratives in all seiner Vielschichtigkeit zeigt.
Perfekt ist in dieser Familie niemand
Steigt man in die Serie ein, findet man sich im Frankfurt der späten 2010er-Jahre wieder. Familienoberhaupt Symcha Zweifler (gespielt von Mike Burstyn) beschließt, sein Delikatessenimperium zu verkaufen. Aus diesem Grund hat er die Familie zusammengerufen: Seine Frau Lilka (Eleanor Reissa), seine Tochter Mimi (Sunnyi Melles), ihren Mann Jackie (Mark Ivanir), deren Söhne Leon (Leo Altaras) und Samuel (Aaron Altaras) sowie die Tochter Dana (Deleila Piasko).
Aus diesem Zusammentreffen entwickeln sich im Verlauf der sechs Folgen vielschichtige Handlungsstränge um die einzelnen Charaktere. So sieht sich Symcha beispielsweise mit seiner Vergangenheit konfrontiert, Samuel muss sich in seiner Beziehung immer wieder zwischen der Tradition seiner Familie und seinem Wunsch nach einem davon losgelösten Leben entscheiden, und Mimi übertritt regelmäßig Grenzen in ihrem Versuch, die Familie zusammenzuhalten. Es wird schnell deutlich: Perfekt ist in dieser Familie niemand. Die Zweiflers werden als echte, liebenswürdige Menschen mit Fehlern gezeigt, die einen ab der ersten Folge sofort in ihren Bann ziehen.
Jüdisches Leben in all seinen Nuancen
Es entstehen moralische Grauzonen, die die Charaktere authentisch wirken lassen, und die Konflikte, die in „Die Zweiflers“ abgebildet werden, glaubwürdig machen. Diese Konflikte sind in erster Linie die eines klassischen Familiendramas – die Liebe zum Detail, mit der sie erzählt werden, macht die Serie jedoch zu einer absoluten Neuheit des deutschen Fernsehens. Denn hier wird modernes jüdisches Leben in all seinen Nuancen gezeigt, aber nicht erklärt. Egal ob religiöse Bräuche gezeigt werden, die Großeltern Jiddisch sprechen oder jüdisches Essen gegessen wird: Alles wird mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit behandelt.
Dadurch entsteht ein ehrliches Abbild von modernem jüdischem Leben, das einerseits an keiner Stelle einen plakativen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und absolute Repräsentation erhebt – und gleichzeitig wohl gerade deutsch-jüdischen Zuschauer*innen erstmals eine echte Identifikationsmöglichkeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bieten dürfte.
In jederlei Hinsicht großartig
Serienschöpfer David Hadda hat in diesen sechs Folgen gemeinsam mit Team und Besetzung etwas Großartiges geschaffen. Jedes Detail ist sorgsam durchdacht und gezielt platziert – seien es der stets pointierte Humor, die großen Gefühle, das perfekt besetzte Ensemble, die detailorientierte Gestaltung von Set und Kostüm oder der gleichzeitig ungewöhnlich und vertraut wirkende Soundtrack, der sich ideal in das Visuelle einfügt. Trotzdem, oder gerade deshalb, wirkt die Welt der Zweiflers stets authentisch und niemals künstlich.
Für die Zuschauer*innen ist die Serie ein wahrer Genuss. Man lacht, man weint, man wird wütend, ist gerührt, und will unbedingt wissen, wie alles ausgeht. Kurzum – man fühlt mit dieser Familie mit.
„Die Zweiflers“ führt damit einmal mehr vor Augen, wie wichtig Repräsentation ist und weiterhin bleiben wird. Umso erschreckender, wie wenig sich in der deutschen Film- und Fernsehwelt bislang darum bemüht wurde, jüdisches Leben in einem anderen Zusammenhang als dem des Holocausts darzustellen.
Gut, dass sich das nun geändert hat – seit dem dritten Mai sind alle sechs Folgen der Serie in der ARD-Mediathek verfügbar. Frei nach dem Motto „besser spät, als nie“ lässt sich ohne weiteres klar sagen: Wie schön, dass es jetzt „Die Zweiflers“ gibt. Denn diese Serie ist nicht weniger als ein Meisterwerk.
Die Zweiflers
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