Geschichte

Gleichstellung: Warum es weiterhin ein langer Kampf ist

Gleichberechtigung sollte selbstverständlich sein, doch der Weg dahin ist weit. Der Blick zurück zeigt: Die SPD-Frauenbewegung hat viel erreicht – was noch getan werden muss.
von Susanne Dohrn · 16. Mai 2023
Das Bundesverfassungsgericht urteilt 1993 zum Paragraph 218 - mit dabei sind die SPD-Politikerinnen (v. l.) Herta Däubler-Gmelin, Regine Hildebrandt, Heidi Wieczorek-Zeul und Inge Wettig-Danielmeier.
Das Bundesverfassungsgericht urteilt 1993 zum Paragraph 218 - mit dabei sind die SPD-Politikerinnen (v. l.) Herta Däubler-Gmelin, Regine Hildebrandt, Heidi Wieczorek-Zeul und Inge Wettig-Danielmeier.

„Heraus mit dem Frauenwahlrecht.“ Die Reichstagswahl 1912 vor dem 1. Weltkrieg findet ohne die Frauen statt. Das Wahlrecht fordern sie vergeblich, aber sie dürfen Parteien beitreten. Luise Zietz setzt 1908 in der SPD durch: „Die weiblichen Mitglieder sind im Verhältnis zu ihrer Zahl im Vorstand vertreten. Doch muss diesem mindestens eine Genossin angehören.“ Diese Genossin war bis 1917 Luise Zietz.c

„Meine Herren und Damen!“ 1919 durften Frauen wählen, und zum ersten Mal spricht in der Weimarer Nationalversammlung 1919 eine Frau – Marie Juchacz (SPD). Auf den Wahllisten waren Frauen unterrepräsentiert. In der Nationalversammlung sind 37 der 423 Abgeordneten Frauen, 19 von der SPD.

„Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“. So steht es in der Verfassung der Weimarer Republik von 1919. „Grundsätzlich“ bedeutet, dass Frauen „Vorbehaltlich der durch die Verschiedenheit der Geschlechter nötigen Ausnahmen“ gleichberechtigt sind, so ein Zentrums-Abgeordneter. Die SPD und ihre Frauen fordern vergeblich die Streichung der Einschränkung.

„Keiner darf fernbleiben, ich gehe hinüber, auch wenn sie mich in Stücke reißen“. Das kündigt die SPD-Abgeordnete Luise Schröder an, als am 24. März 1933 im Reichstag die NSDAP mit dem Ermächtigungsgesetz ihre Diktatur errichtet. Die SPD-Fraktion stimmt dagegen. 1947/48 ist Luise Schröder kommissarische Oberbürgermeisterin von Berlin.

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Die Formulierung im 1949 verabschiedeten Grundgesetz stammt von der Sozialdemokratin Elisabeth Selbert. Der Satz schafft die Voraussetzung für Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) aus dem Jahr 1900. Im 1949 gewählten Bundestag beträgt der Frauenanteil 6,8 Prozent.

„Mein Bauch gehört mir!“ 1974 stimmt die sozialliberale Koalition für die Straffreiheit eines Schwangerschaftsabbruchs bis zur zwölften Woche. Weil die Union erfolgreich dagegen klagt, ändert der Bundestag 1976 das Gesetz. Ein Abbruch bleibt rechtswidrig, aber straffrei, wenn eine schwere körperliche oder seelische Gefahr für Leib und Leben der Schwangeren besteht. Rechtswidrig ist ein Abbruch bis heute, bleibt aber innerhalb der ersten drei Monate und nach einer Konfliktberatung straffrei. In der DDR war eine Abtreibung seit 1972 straffrei.

„(Die Frau) ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Die Regierung von Helmut Schmidt macht damit 1976 Schluss. In der Reform des Ehe- und Familienrechts wird die „Hausfrauenehe“ durch das Partnerschaftsprinzip ersetzt: „Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen.“ Bei Scheidungen wird das Verschuldensprinzip abgeschafft.

„Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“ Der Satz im Hamburger Programm der SPD ist Ergebnis des Ringens um die Gleichstellung auch in der SPD. Sie mündete in der Erkenntnis: „Es geht nicht ohne harte Quote.“ So formulierte es Inge Wettig-Danielmeier, 1981 bis 1992 Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF). Auf dem Parteitag in Münster 1988 wird die Quote beschlossen, gegen viele Widerstände von SPD-Chef Hans-Jochen Vogel durchgesetzt. Heute heißt es in den Statuten: „In den Funktionen und Mandaten der Partei müssen ... Frauen und Männer zu je 40 Prozent vertreten sein.“

„Das gesamte Elterngeld ist die Idee der SPD.“ Das stellt die Ex-Familienministerin Renate Schmidt (SPD) 2006 klar. Im 2005 gewählten Bundestag erhält die CDU das Ministerium und erntet die Lorbeeren für die Einführung des Elterngeldes 2007. Mütter und Väter, die nach der Geburt eine Auszeit vom Beruf nehmen, erhalten einen Teil ihres Gehalts vom Staat.

„Die Quote ist überfällig.“ Die ASF-Vorsitzende Elke Ferner setzt sich für mehr Frauen in Führungspositionen ein. 2016 tritt das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in Kraft. Für viele Aufsichtsräte gilt seither eine Geschlechterquote von 30 Prozent. 2021 wird das Gesetz auf Unternehmensvorstände ausgeweitet.

„Der Grundsatz ‚Nein heißt Nein!‘ gehört ins Sexualstrafrecht.“ Das fordert SPD-Generalsekretärin Katarina Barley im Juni 2016. Ein klares „Nein“ muss genügen, sonst ist es Vergewaltigung. 2016 nimmt der Bundestag den Gesetzentwurf an.

„Unser Ziel: Null Prozent Lohnunterschied.“ Das fordert die SPD anlässlich des Equal Pay Day 2023. Frauen verdienen im Schnitt immer noch 18 Prozent weniger als Männer. Es bleibt viel zu tun. Der Frauenanteil in der SPD im Bundestag beträgt 41,7 Prozent.

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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