Intrige im Bundestagswahlkampf: Wie die CDU die Demokratie beschädigt
IMAGO/Sven Simon
Ein Jahr ist dieser beispiellose Skandal jetzt her. Und bis heute ist er ohne jegliche Konsequenzen geblieben. Wir erinnern uns: Nur wenige Tage vor der Bundestagswahl im September 2021 geschah in Niedersachsen Ungeheuerliches. Hier veranlassten ein Staatsanwalt mit CDU-Parteibuch, der dem CDU-geführten Justizministerium in Hannover unterstellt war, und eine CDU-Richterin gemeinsam Razzien in zwei SPD-geleiteten Bundesministerien: im Haus der damaligen Justiz-Ministerin Christine Lambrecht und im Finanzministerium des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Es ging – angeblich – um die Bekämpfung von Geldwäsche durch den deutschen Zoll. Ein Armutszeugnis für die politische Kultur in diesem Land, ganz besonders aber für die Verantwortlichen in der CDU – Friedrich Merz im Bund und Bernd Althusmann in Niedersachsen.
Wie die Union Scholz mit Dreck bewarf
Die Union nutzte das Thema, um Olaf Scholz unmittelbar vor der Wahl im Finanzausschuss des Bundestages zu „befragen“ – treffender gesagt, um ihn mit Dreck zu bewerfen. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet versuchte ebenfalls im TV-Triell mit dem Thema gegen Scholz zu punkten. Der unglaubliche Vorwurf dabei: Der SPD-Kanzlerkandidat würde Geldwäsche tolerieren. Es war der traurige Höhepunkt einer der schmutzigsten Kampagnen der CDU in einem Bundestagswahlkampf in der Geschichte. Man kann nur spekulieren, wieviele Stimmen die SPD das auf den letzten Metern so kurz vor der Wahl gekostet hat. Geschadet hat es ihr in jedem Fall.
Dazu hat im Februar 2022 das Landgericht Osnabrück in einem Aufsehen erregenden Urteil entschieden: Die Razzia im Justizministerium war rechtswidrig. Das Landgericht wertete sie als unverhältnismäßig und als unangemessen. Damit gab es der Klage des Bundesjustizministeriums recht. Das hatte gegen die Razzia Rechtsmittel eingelegt, das Bundesfinanzministerium hatte darauf verzichtet. Die SPD forderte schon damals Konsequenzen.
CDU-Jurist*innen handelten doppelt rechtswidrig
Das Ungeheuerliche: Der Staatsanwalt hatte vor der Wahl eine Durchsuchung der Ministerien nach Beweismitteln angeordnet, ohne vorher auch nur ein einziges Mal nach entsprechenden Dokumenten gefragt zu haben. Das Landgericht betonte in seinem Urteil dagegen, es gebe keinen einzigen Beleg, dass das Haus die freiwillige Herausgabe der fraglichen Beweise abgelehnt hätte.
Auch sei damals keine Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten gewesen. Ebenfalls habe keine besondere Eilbedürftigkeit bestanden. Es habe, so das Landgericht, keinerlei „Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten“ im Justizministerium gegeben. Die Folgen der Durchsuchung stünden in keinem Verhältnis zu deren negativen Folgen, auch mit Blick auf das „Ansehen“ der Bundesrepublik.
Im Juni 2022 erhielt die Staatsanwaltschaft Osnabrück vom dortigen Verwaltungsgericht eine weitere Rüge: Das Gericht stellte fest, dass Teile der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft unrichtig waren und künftig nicht wiederholt werden dürfen. So bezeichnete das Verwaltungsgericht die Verwendung des Begriffes Durchsuchung in der Mitteilung als rechtswidrig.
Die CDU stellt sich taub und stumm
Die Razzia war also nichts anderes als ein handfester Justizskandal. Sie war der schamlose Versuch der CDU, im Bundestagswahlkampf 2021 die Justiz als Knüppel zu missbrauchen in ihrem verzweifelten Kampf um die Macht und gegen die SPD. Das ist in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellos und erinnert an das Verhalten eines Donald Trump, der im Kampf um die Macht auch keine Hemmungen kennt.
Leider steht ein Jahr nach dem Skandal zu befürchten, dass sich solche unerhörten Praktiken der CDU wiederholen. Die hat nämlich keinerlei Konsequenzen gezogen. Nicht einmal eine Entschuldigung gab es, weder von CDU-Chef Friedrich Merz, noch von Niedersachsens CDU-Chef und Spitzenkandidat Bernd Althusmann. Seine Partei trägt die Hauptverantwortung für den Skandal und gibt sich im aktuellen Landtagswahlkampf als bessere Alternative zu Ministerpräsident Stephan Weil und seiner SPD. Das ist dreist!
Die Justiz wurde missbraucht
Es ist gut, dass der Rechtsstaat mit dem eindeutigen Urteil des Landgerichts den Skandal aufgeklärt hat. Schlecht ist, dass es überhaupt dazu kommen konnte, dass ein Staatsanwalt und einer Richterin mit CDU-Parteibuch ihre Stellung in der Justiz missbrauchen können, um gegen eine konkurrierende Partei vorzugehen. Ebenso schlecht ist, dass es bisher keine Konsequenzen gab für die Verantwortlichen. Wie sollen die Bürger*innen Vertrauen in die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Justiz haben, wenn solche Beamt*innen weiter ihres Amtes walten dürfen, als wäre nichts geschehen?
Dass eine Regierungspartei wie die CDU 2021 zu rechtsstaatswidrigen Methoden greift, ist ein Alarmzeichen für unsere Demokratie. Denn ein solches Verhalten kannte man bisher aus Diktaturen oder korrupten Regimen, aber nicht aus einer funktionierenden Demokratie. Es zeigt einmal mehr, dass der CDU nahezu jedes Mittel recht ist, um sich an der Macht zu halten. Auch darüber können die Wählerinnen und Wähler bei der Landtagswahl am 9. Oktober in Niedersachsen ein Urteil fällen.