Debatte

Desinformation und Deepfake: Was kann die Demokratie schützen?

Nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zielen Desinformationskampagnen darauf ab, die demokratische Gesellschaft zu zersetzen. Die SPD diskutiert mögliche Maßnahmen.

von Lea Hensen · 29. Mai 2024
Saskia Esken beim netzpolitischen Abend der SPD

SPD-Chefin Saskia Esken klärt beim netzpolitischen Abend der SPD am Dienstag im Berliner Willy-Brandt-Haus über die Risiken von Desinformation auf.

Desinformationen verbreiten sich rasant, doch manchmal haben auch politische Akteure daran ihren Anteil, die sich unter Umständen gar nicht darüber bewusst sind. Ferdi Akaltin beobachtet als Kommandeur des Zentrums operative Kommunikation der Bundeswehr Desinformationskampagnen. „Man hat ungefähr sechs Stunden Zeit, eine Falschmeldung zu widerlegen. Sonst kriegt man sie nicht mehr weg, die Meldung wird dann für ganz viele Menschen wahr“, sagt er. 

Beim netzpolitischen Treffen der SPD im Rahmen der Digitalmesse re:publica 2024 erklärt Akaltin, dass sich nicht nur Verschwörungstheoretiker*innen oder halbautomatisierte Netzwerke wie Bots und Trolle an der Verbreitung einer Falschmeldung beteiligen. Auch extreme Parteien griffen Fake News auf, um die Panikmache für sich zu nutzen. Medien nutzten solche Nachrichten für sogenanntes Clickbaiting, denn schlechte News verbreiten sich besser als gute. Und auch gemäßigte politische Parteien oder die Regierung würden teilweise mit auf den Zug springen, indem sie ihre politische Debatte danach ausrichten. So wurde nach dem Stopp russischer Gasimporte im Winter 2022 über die Möglichkeit eines Blackouts diskutiert, obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering war.

Was kann der Staat gegen Falschmeldungen tun?

Akaltin fordert am Dienstag im Berliner Willy-Brandt-Haus, dass Bildungseinrichtungen ein kritisches Medienverständnis vermitteln sollen. Auch müsse sich die Politik darüber abstimmen, auf welche Meldungen sie überhaupt eingeht. „Wenn kein Vertrauen mehr darin besteht, dass man sich Informationen beschaffen kann, sind wir verloren“, befürchtet SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken. 

Die FDP-Fraktion hat aktuell vorgeschlagen, einen „Hub für psychologische Verteidigung“ einzurichten, der sich gegen Desinformationskampagnen wehrt. Die Institution soll nach Ansicht der Liberalen regierungsunabhängig sein und ein nationales Warn- und Informationssystem zu hybriden und asymmetrischen Angriffen steuern. Esken lehnt ein derartiges „Wahrheitsministerium“ ab, sagt sie. Stattdessen lobt die Parteivorsitzende die Faktencheck-Initiativen von Portalen wie „Correctiv“ oder „Volksverpetzer“, die Falschmeldungen entlarven.

Welche Gesetzesinitiativen gibt es?

Esken sieht die Verantwortung auch bei den Sozialen Netzwerken selbst. Nachrichtendienste wie X (vormals Twitter) oder Facebook sind seit Jahresbeginn durch das EU-Gesetz über digitale Dienste dazu angehalten, gegen Desinformationen vorzugehen. Wenn sie das nicht tun, drohen ihn Strafen von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. Die Parteivorsitzende der SPD hofft, dass das neu gewählte EU-Parlament seine netzpolitischen Maßnahmen fortsetzen kann. „Wir haben die Pflicht als Politik dafür zu sorgen, dass sich diese Plattformen an die Regeln halten“, sagt sie.

Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag ihrerseits mehrere netzpolitische Gesetzesreformen angekündigt. Unter anderem steht eine Reform des Gesetzes aus, das Gemeinnützigkeit definitert. Zuletzt hat das Blogger-Portal „Volksverpetzer“ seine Gemeinnützigkeit verloren. Dadurch steht die Arbeit der Faktenchecker*innen auf der Kippe. Das Portal arbeitet spendenfinanziert, kann aktuell aber keine Quittungen mehr ausstellen, die Spender*innen brauchen, um die Beträge von der Steuer abzusetzen. 

Und was ist mit Künstlicher Intelligenz?

Bundeswehr-Kommandeur Akaltin betont die Gefahren durch Künstliche Intelligenz (KI). Unter anderem können Anwendung Fotos oder Videos von Menschen verändern und dadurch äußerst realistische Fälschungen erzeugen, sogenannte Deepfakes. „Wir befinden uns in einem Rüstungswettlauf, und der hat gerade erst begonnen“, sagt er. Die EU-Staaten beschlossen zuletzt einen weltweit einmaligen Rechtsrahmen für Systeme Künstlicher Intelligenz. Die KI-Verordnung (AI-Act) schränkt Anwendungen je nach Risikopotenzial ein und kann sie sogar verbieten. SPD-Chefin Esken spricht sich in dem Zusammenhang auch für eine Kennzeichnungspflicht von KI-Inhalten aus.

Esken fordert ein „digitales Vereinsheim“, das zivilgesellschaftlichen Initiativen eine sichere Alternative zu Plattformen wie X oder Meta bieten könnte. 
Im November 2022 eröffnete die SPD mit dem „Digital Hub“ einen parteiinternen netzpolitischen Think-Tank.

Weitere interessante Rubriken entdecken

0 Kommentare
Noch keine Kommentare