Inland

Wohnungsbautag: Wie sich die Branche aus der Krise kämpfen will

In Deutschland fehlen bis zu 800.000 Wohnungen. Gleichzeitig ist die Baubranche in den vergangenen beiden Jahren massiv eingebrochen. Vorschläge, wie die Branche wieder in die Offensive kommt, gab es am Donnerstag beim Wohnungsbautag.

von Jonas Jordan · 11. April 2024
Ein Wohnblock in Berlin-Schöneberg

In Deutschland fehlen derzeit bis zu 800.000 Wohnungen.

Zum 15. Mal veranstaltet ein Verbändebündnis den Wohnungsbautag. Ein kleines Jubiläum also, doch Feierstimmung kommt am Donnerstag nicht auf. Dafür ist die aktuelle Lage der Branche zu ernst. Schon in einer Pressekonferenz am Vormittag schlägt Katharina Metzger, Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel, Alarm. Sie spricht von einem historischen, nie dagewesenen Absturz der Baubranche. Die Zahl der Baugenehmigungen breche dramatisch ein. „Wir erfahren keinerlei positive Signale“, sagt sie.

Auch Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, zeigt sich besorgt. Der Bedarf auf dem Wohnungsmarkt habe sich im vergangenen Jahr weiter erhöht. Insbesondere der bezahlbare Teil des Wohnungsneubaus leide große Not. Zuletzt seien nur 25.000 Sozialwohnungen pro Jahr gebaut worden. „Da müssen wir dringend dran arbeiten“, mahnt Siebenkotten.

Ein strukturelles Problem für die nächsten Jahre

Martin Gornig, Honorarprofessor für Stadt- und Regionalökonomie an der Technischen Universität Berlin, weist auf die enorme gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Wohnungsbaus hin. So habe das Wohnungsbauvolumen, also die Summe aller Investitionstätigkeiten im Bereich des Wohnungsbaus in Deutschland, im vergangenen Jahr 324 Milliarden Euro betragen – das Dreifache der Gesamtinvestitionen des Staates. Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland sei durch den Wohnungsbau ausgelastet. 

Allerdings blickt auch er mit Sorge auf den deutlichen Rückgang der Wohnungsbautätigkeiten in den vergangenen beiden Jahren. Dieser führe allein in diesem Jahr wohl zu Steuermindereinnahmen in Höhe von fünf Milliarden Euro. Allein bei den Bauanträgen gebe es aktuell einen Einbruch von 80 Prozent – nach Gornigs Ansicht ein strukturelles Problem für die kommenden Jahre. Sein logischer Schluss daraus: „Wir müssen also etwas anders machen.“

Klara Geywitz,
Bundesbauministerin

Wie kommen wir wieder zu einem Standard, der bezahlbar ist, ohne dass man ihn mit Milliarden subventioniert?

Was das sein könnte, macht Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) in ihrem Impulsvortrag unter dem Titel „Wachstumschancen für die Wohnungswirtschaft“ deutlich. „Wenn wir die Bau- und Wohnungswirtschaft nicht auf den Wachstumspfad bringen, wird alles andere auch nicht funktionieren“, mahnt sie mit Blick auf die konjunkturelle Lage im Land. Zugleich wirft Geywitz die Frage auf: „Wie kommen wir wieder zu einem Standard, der bezahlbar ist, ohne dass man ihn mit Milliarden subventioniert?“ Denn man brauche nicht jedes Mal „einen Mercedes auf der Baustelle“.

Die Antwort gibt die SPD-Politikerin direkt selbst und wirbt für die Einführung eines standardisierten „Gebäudetyps E“, mit dem aus ihrer Sicht auf einen Schlag eine Vielzahl von Vorschriften reduziert werden könne. Dafür notwendig sei eine Rahmenausnahme in der Musterbauordnung. Geywitz zeigt sich zuversichtlich, dass dies zeitnah umsetzbar sei. Zugleich macht sie deutlich: „Wir müssen alles tun, um den Wohnungsbau wiederzubeleben.“ Mit der sinkenden Inflation gebe es erste Anzeichen, dass dies gelinge.

Kühnert: „Großer gesellschaftlicher Konflikt unserer Zeit“

In der anschließenden Debatte der politischen Entscheidungsträger*innen mit den Verbandsvertreter*innen sagt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, dass die Absenkung von Standards zwar nicht die alleinige Lösung des Problems, aber eine Möglichkeit sein könne. Kühnert bezeichnet den Kampf um bezahlbaren Wohnraum als „großen gesellschaftlichen Konflikt unserer Zeit“, dessen Lösung angesichts der aktuellen Haushaltszwänge nicht einfacher werde.

Denn Kühnert macht klar: „Natürlich ist Wohnungsbau eine Priorität, aber die Summe aller Prioritäten ist im Moment nicht übereinzubringen mit den zur Verfügung stehenden Investitionsmitteln.“ Deswegen brauche es eigentlich einen parteiübergreifenden mehrjährigen Konsens darüber, was dieses Dilemma haushaltspolitisch bedeutet.

Warum Hamburg-Häuser sind günstiger sind

Wie trotz der schwierigen konjunkturellen Lage und haushaltspolitischer Zwänge trotzdem Wohnungsneubau möglich ist, verdeutlicht der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). „Wir haben gezeigt, dass man deutlich günstiger bauen kann“, sagt Tschentscher über die sogenannten „Hamburg-Häuser“. Wie das möglich ist? „Wir haben circa 4.000 DIN-Normen in Deutschland, aber nur 20 Prozent davon sind gesetzlich vorgeschrieben.“ Beim Bau der „Hamburg-Häuser“ habe die Hansestadt daher bewusst auf Vorgaben wie Parkplätze oder Fahrstühle verzichtet, um das Bauvorhaben möglichst günstig zu halten.

Eine weitere Möglichkeit, um kostengünstiger zu bauen, sieht der Hamburger Bürgermeister in seriellem Bauen. Wichtig sei in jedem Fall, die Bauwirtschaft trotz der schwierigen konjunkturellen Lage am Laufen zu halten. „Wenn die Bauwirtschaft erst Kapazitäten zurückführt, kommt die Wohnungsbauwirtschaft nicht mehr in Schwung. Deswegen müssen wir diese Disruption verhindern. In Hamburg versuchen wir daher die Bauwirtschaft lokal und regional mit Aufträgen zu versorgen“, sagt Tschentscher. „Aber auch dafür braucht es einen starken Haushalt.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 12.04.2024 - 07:34

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Das Problem ist nicht neu, denn schon vor 50 Jahren ging es um Wohnungsbau/Bodenspekulation (Jochen Vogels Vorschläge sind immer noch aktuell). Privatisierungen öffentlicher Wohnungsbestände (in Berlin in Tateinheit mit der PDS) galten mal als Wundermittel. Nun wird doppelt soviel Geld aufgewandt für Wohngeld (Subventionierung von Wohnungskonzernen) als für den Bau von Sozialwohnungen und es wird die Notlage der Bauwirtschaft beschworen. Seltsame Vorschriften und eine Energiepolitik. die die Gesetze der Mathematik und Physik missachtet (ach ja, das sind die "Grünen") tun ein Übriges.
Mein ehemaliger Nachbar hat sich mehr als 3 Jahre mit Banken und Ämtern rumgeplagt bis seine Baugenehmigung durch war; das Haus war dann innerhalb 8 Monaten bezugsfertig.