Meinung

Warum die AfD politisch bekämpft werden sollte, aber nicht durch ein Verbot

Parteien, die die demokratische Grundordnung beeinträchtigen, können aufgelöst werden. Wäre ein Verbotsverfahren gegen die AfD also sinnvoll? Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie findet nein.

von Claus Leggewie · 21. Februar 2024
Karlsruhe entscheidet: Über ein mögliches Verbot der AfD würden im Falle eines Verbotsantrages die Richter*innen des Bundesverfassungsgerichtes urteilen.

Karlsruhe entscheidet: Über ein mögliches Verbot der AfD würden im Falle eines Verbotsantrages die Richter*innen des Bundesverfassungsgerichtes urteilen.

Es wirkt wider den gesunden Menschenverstand, eine Partei aus demokratiepolitischen Gründen nicht verbieten zu wollen, die doch ganz offensichtlich dabei ist, die Demokratie zu entwerten und zu zerstören. So ist durchaus nachvollziehbar, dass demokratische Politiker, eminente Verfassungsrechtler und wortgewaltige Publizisten einen Verbotsantrag gegen die AfD stellen wollen oder befürworten – wehret den Anfängen, kein neues ’33! Ja, es wird einem speiübel, eine derart toxische Partei verteidigen zu müssen. Es bleibt aber bei dem demokratiepolitischen Grundsatz, dass man einen Wettbewerber um parlamentarische Mehrheiten nicht durch ein Verbot bekämpfen darf, sondern ihn durch argumentative Vernunft und außerparlamentarische Gegenmacht einhegen muss und kann.

Unsere Demokratie ist stark genug

Deutschland muss den Weg in die Autokratie nicht gehen, unsere Demokratie ist stark genug. Der Lackmustest für die Verbotsbefürworter ist übrigens: Was würden sie sagen, wenn ein (sagen wir „ungarisch“ besetztes) Gericht demnächst einem Verbotsantrag gegen Grüne und/ oder Linke entsprechen würde? Die AfD arbeitet schon daran.

Es ist magisches Denken, ein Verbot würde den Bodensatz autoritärer Einstellungen und Haltungen verkleinern, die rund ein Fünftel der Deutschen an den Tag legen. Im Fall eines Verbots würde sich ein Teil derjenigen, die nicht trotz, sondern wegen der Ankündigung ethnischer Säuberungen in die AfD eingetreten sind, radikalisieren (= zur Tat schreiten), ein anderer Teil als Nicht-Wähler zurückziehen (= die Stimmung versauen) und ein Teil den Kulturkampf in der Mitte bei Union und SPD weiterführen (= die politische Kultur weiter nach rechts drehen).

Verbot schüfe neue Sympathisanten

Hinzu kommen pragmatische Gründe: Der Kipppunkt der AfD ist jetzt, während ein Verbot, dessen Ankündigung zusätzliche Sympathisanten schüfe, in Monaten oder Jahren verhängt (und nach der aktuellen Rechtsprechung in Karlsruhe und Straßburg wohl gar nicht ausgesprochen) würde. Die AfD bekäme den Karlsruher Reha-Stempel und könnte sich als wahre Rechte etablieren. Entscheidend ist die Haltbarkeit der Brandmauer.

Fazit: Demokratie kann in Karlsruhe keine juristische Lebensversicherung gegen Risiken abschließen, die sie in Dresden, Gelsenkirchen, in der Wetterau oder auf der schwäbischen Alb eingegangen ist.

 

Autor*in
Claus Leggewie

ist Professor für Politikwissenschaft. Seit 2007 ist er Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI).

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6 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 21.02.2024 - 13:40

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Die einen sagen, man müssen sich den Themen zuwenden, die die AfD stark haben werden lassen. Die anderen sagen, und deren Meinung teile ich uneingeschränkt, ein solches Vorgehen würde nur dem Original zugute kommen. Unsere Spitzenkandidatin in Sachsen hat dies auch gesagt, und wer wollte daran zweifeln, dass gerade sie berufen ist, sich dazu zu äußern.

Gespeichert von Matteo Broski (nicht überprüft) am Do., 22.02.2024 - 10:41

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Ich denke, dass ein Verbot gegen die Alternative nicht die erwünschte Wirkung erzielen würde. Besser wäre eine demokratische Enteignung der AfD. #change_my_mind #B90Gruene4life #TikTok

Gespeichert von Chantal Messing (nicht überprüft) am Do., 22.02.2024 - 20:20

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"Es bleibt aber bei dem demokratiepolitischen Grundsatz, dass man einen Wettbewerber um parlamentarische Mehrheiten nicht durch ein Verbot bekämpfen darf, sondern ihn durch argumentative Vernunft und außerparlamentarische Gegenmacht einhegen muss und kann."

Dieser Grundsatz kann nicht gelten. Das ist reine Utopie.
Man muss sich eingestehen, dass viele Menschen für Argumente schon längst nicht mehr erreichbar sind. Man muss sich auch eingestehen, dass vielen Menschen die Vorstellung, andere abzuschieben zu wollen/ können, attraktiv erscheint. Man muss sich eingestehen, dass manche Menschen sich wertiger fühlen als andere. Man muss sich eingestehen, dass manche Menschen den Staat verachten und die Saat von Fake-News, Telegram, TikTok und Co aufgegangen ist.
Man muss sich eingestehen, versagt zu haben und nun das Schlimmste verhindern zu müssen.

Wer sich auf die Stufe der AfD stellt, diese also als ebenwürdigen politischen Mitbewerber akzeptiert, der muss in der Konsequenz auch einen Höcke als Kanzlerkandidaten beim Kanzlerduell akzeptieren.

Ich sage: Nein! Das Grundgesetz verpflichtet zum Handeln. Es schützt Parteien vor willkürlichen Verboten, aber es sieht auch einen Mechanismus vor, der Verfassungsfeinde einen Riegel vorschiebt.

Die AfD hat 2021 bereits die notwendige Satzungsänderung für eine Einzelspitze geschaffen. Höcke weiß, was er will und das sagt er auch.

Wer die AfD also als politischen Mitbewerber akzeptiert und den Positionen der AfD auch noch eine Bühne schenkt, indem man sie groß macht, der dient nicht nur der AfD, sondern macht sich ihr sehr nützlich.

Ich sage: Völlig falsche Strategie!

Weidel wird jetzt nach und nach entmachtet, damit Höcke übernehmen kann. 33 kann ein echtes 33 werden. Wenn es nicht schon eher passiert...

Es ist naiv zu glauben, man könnte mit Inhalten überzeugen, wo auf der Gegenseite mit Emotionen "gearbeitet" wird.

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Fr., 23.02.2024 - 13:21

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Claus Leggewie hat einen kurzen, knackigen, klugen Artikel geschrieben. In der Jetzt-Zeit würde ein Verbot der AfD dieser einen Märtyrerstatus verleihen. Nach dem Motto: 'Wir werden verfolgt, geächtet, diskriminiert, verleumdet, n u r weil WIR Deutschland lieben und retten wollen'. Auch darauf wartet die AfD nur.
Die AfD muss gesellschaftspolitisch gestellt, demaskiert werden. Dazu sind wir alle aufgerufen. Nicht nur JETZT - auch in ZUKUNFT !

Die demokratische Politik hilft hier am meisten, wenn sie die unumgehbare Sozial-ökologische Transformation gesellschaftspolitisch gerecht und ökologisch zielführend ohne schuldhaftes Zögern bewerkstelligt.