Präsidentschaftswahl in Rumänien: „Niemand weiß, wofür Georgescu steht“
Völlig überraschend hat der weithin unbekannte Extremist Calin Georgescu den ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl in Rumänien gewonnen. Welche Chancen er in der Stichwahl hat und warum eine Präsidentschaft Georgescus ein Problem für die EU wäre, sagt Anna-Lena Koschig Hölzl von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
IMAGO / Xinhua
Erstrundensieger Calin Georgescu: Inhaltlich spielt er stark die nationalistische Karte, vermischt mit mystischen, esoterischen und religiösen Inhalten.
Calin Georgescu hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien gewonnen. Er ist parteilos und war bis zu seinem Erfolg am Sonntag im Land weitgehend unbekannt. Wie ist es ihm gelungen, auf dem ersten Platz zu landen?
Viele Rumänen mussten am Morgen nach der Wahl erstmal googeln, wer Calin Georgescu ist. Das liegt vor allem daran, dass es im Grunde zwei Wahlkämpfe gegeben hat – einen auf den Straßen und in den etablierten Medien und einen in den sozialen Netzwerken. In letzteren war und ist Georgescu omnipräsent.
Kann das seinen Wahlerfolg erklären?
Nicht allein, aber es hat sicher einen sehr großen Anteil. Man muss wissen, dass TikTok und soziale Medien insgesamt in Rumänien ein Riesending sind. Es gibt neun Millionen TikTok-Nutzer*innen, auch neun Millionen Facebook-Nutzer*innen. Soziale Medien haben eine wirklich hohe Reichweite und eine große Bedeutung bei der Meinungsbildung im Land. Calin Georgescu hat voll auf die sozialen Medien gesetzt. Das hat sich ausgezahlt.
Aber: Wo kein Brennholz, dort kein Feuer. Ohne den extremen Frust in der Bevölkerung über die vorherrschende Politik und die etablierten Parteien, hätte diese Kampagne nie derart zünden können.
Zwei unterlegene Präsidentschaftskandidaten haben die Wahl angefochten, u.a. weil Georgescu Wahlwerbung nicht als solche gekennzeichnet haben soll. Was ist da dran?
Mittlerweile wurde einer der Beschwerden stattgegeben und es wurde die Neuauszählung der Stimmen angeordnet. Belegt ist mittlerweile auch, dass Wahlwerbung als solche nicht gekennzeichnet war und Georgescu, anders als angegeben, durchaus ein Budget für seinen Wahlkampf verwendet hat. Indem beispielsweise Influencer bezahlt wurden.
Anna-Lena
Koschig Hölzl
Georgescu teilt eine Bewunderung für totalitäre Systeme und für autoritäres Herrschen.
In Deutschland verbinden viele TikTok vor allem mit Tanzvideos, obwohl dort schon lange politische Inhalte verbreitet werden. Was macht Georgescu auf seinem Kanal?
Inhaltlich spielt er stark die nationalistische Karte, vermischt mit mystischen, esoterischen und religiösen Inhalten. Dazu kommen antisemitische Positionen, Bewunderung für die Legionärsbewegung in Rumänien oder den Diktator des Zweiten Weltkriegs Antonescu. Ein starkes Motiv ist, Rumänien nach außen zu beschützen, also souveränistische Positionen. Dabei greift er auch ökologische Themen auf: das saubere Wasser, den rumänischen Boden oder rumänische Produkte, die glorifiziert werden. Das verfängt gerade bei der Landbevölkerung, die einen großen Anteil in Rumänien hat und die er offenbar gut erreicht hat mit seiner Kampagne. Georgescu ist gut vernetzt mit Impfgegner*innen, auch in Deutschland. Der designierte amerikanische Gesundheitsminister Kennedy hat gerade angekündigt, Georgescu zu unterstützen. Er selbst sagt über sich, dass er keinen Wahlkampf macht, sondern von Gott gesandt wurde.
Was würde es für Rumänien bedeuten, würde Georgescu am 8. Dezember tatsächlich zum Präsidenten gewählt werden?
Das ist extrem schwer vorherzusagen, aber der pro-EU- und pro-NATO-Kurs Rumäniens wäre sicher stark gefährdet. Auch hat er angekündigt, die Ukraine nicht weiter unterstützen zu wollen, mit dem Argument Frieden zu bringen. Georgescu teilt eine Bewunderung für totalitäre Systeme und für autoritäres Herrschen. So lässt sich auch seine Putin-Bewunderung erklären. Er bewegt sich auf derselben souveränistischen Linie. Und das heißt Abgrenzung nach außen, Anti-NATO, Anti-EU.
Die EU müsste sich mit Georgescu an der Spitze also auf einen anderen Umgang mit Rumänien einstellen?
Ja, das steht zu befürchten. Vor allem, weil Georgescu völlig unberechenbar ist. Bisher weiß ja niemand, wofür er eigentlich steht, geschweige denn, wohin er sich im Präsidentenamt entwickelt. Die Flughöhe der Absurdität, auf der er unterwegs ist, verheißt aber in jedem Fall nichts Gutes.
Direkt nach der Wahl gab es massive Proteste, nicht nur in Bukarest. Wie bewerten Sie die?
Die Demonstrationen zeigen, dass die Zivilgesellschaft in Rumänien erkennt, welche Gefahr die aktuelle Situation mit sich bringt. Im Rest Europas wird oft viel zu wenig wahrgenommen, dass Rumänien in den vergangenen Jahren immer ein sehr verlässlicher Partner gewesen ist und sich die Gesellschaft eine weitere Zukunft in Europa wünscht. Den anderen EU-Staaten sollte deshalb sehr daran gelegen sein, weitere Beziehungen aufzubauen und die demokratischen Kräfte in Rumänien zu stärken – unabhängig davon, wie die Präsidentschaftswahl am Ende ausgeht.
Anna-Lena
Koschig Hölzl
Die Regierungsparteien, also die Sozialdemokraten und die Nationalliberalen, stehen unter Schock.
Wie werden denn Georgescus Chancen eingeschätzt, die Wahl zu gewinnen?
Die werden für nicht sehr schlecht eingeschätzt. Georgescu tritt in der Stichwahl voraussichtlich gegen Elena Lasconi von der national-liberalen USR an. Lasconi selbst ist eher dem konservativen Lager ihrer Partei zuzuordnen. Sie hat sich zum Beispiel gegen uneingeschränkte Abtreibungsrechte ausgesprochen. Für ihre Wahlchancen ist dieses Profil sicher ein Vorteil, da die rumänische Gesellschaft eher konservativ ist. Die Frage ist aber, wie sie ihre Gegner darstellen werden. Und leider muss man auch sagen, dass es ein Nachteil sein könnte, dass Lasconi eine Frau ist. Rumänien ist, was die Repräsentation von Frauen angeht, in der EU Schlusslicht. Ob das Land bereit ist für eine weibliche Präsidentin, kann man zumindest anzweifeln.
Welche Rolle spielen die anderen Parteien, deren Kandidat*innen im ersten Wahlgang ausgeschieden sind?
Das wird die spannende Frage. Die „Allianz für die Einheit der Rumänen“, die in ihren Positionen vergleichbar ist mit der AfD, hat sich bereits für Calin Georgescu ausgesprochen. Ihr Kandidat war im ersten Wahlgang mit knapp 14 Prozent der Stimmen auf dem vierten Platz gelandet. Entscheidend dürfte sein, ob sich die Sozialdemokraten für Elena Lasconi aussprechen, denn sie haben eine recht große Stammwählerschaft, auch wenn sie diese für die Präsidentschaftswahl nicht mobilisieren konnten.
Ihr Präsidentschaftskandidat Marcel Ciolacu, der immerhin Ministerpräsident Rumäniens ist, ist bei der Wahl nur auf dem dritten Platz gelandet. Woran lag das?
Zum einen haben die Sozialdemokraten ihre Wähler*innen nicht gut mobilisieren können, weil drei Wahlsonntage – erste Runde der Präsidentschaftswahl, die Parlamentswahl und die zweite Runde der Präsidentschaftswahl – direkt aufeinander folgen. Man war sich in der PSD zu sicher, mit Ciolacu in jedem Fall in die Stichwahl zu kommen. Zum anderen ist aber auch nicht zu unterschätzen, dass es in Rumänien ein großes Anti-PSD-Wählerpotenzial gibt. Das liegt zum einen an der Gesellschaftsstruktur, zum anderen aber auch daran, dass der PSD immer noch Intransparenz und Korruption anhängt, was sicher nicht unbegründet ist. In den letzten Tagen vor der Wahl war Ciolacu dann noch mit einer Korruptionsaffäre konfrontiert, weil er sich Luxusflüge von einem umstrittenen Immobilienunternehmen hat bezahlen lassen.
Sie haben die Parlamentswahl am kommenden Sonntag angesprochen. Welchen Einfluss wird der Ausgang der ersten Runde der Präsidentschaftswahl auf diese haben?
Die Regierungsparteien, also die Sozialdemokraten und die Nationalliberalen, stehen unter Schock. Das merkt man eindeutig. Beide versuchen nun natürlich, auf den letzten Metern noch ordentlich zu mobilisieren. Gerade bei den Sozialdemokraten gibt es da noch Luft nach oben, wenn sie bei der Parlamentswahl ein besseres Ergebnis einfahren wollen. Zugleich ist die Dynamik auf der rechten Seite nicht zu unterschätzen. Die Parteien sehen sich durch Georgescus Erfolg im Aufwind. Eine Vorhersage, welchen Einfluss die Parlamentswahl haben könnte, ist insgesamt schwierig, weil es keine zuverlässigen Umfragen gibt. Entscheidend dürfte aber die Frage sein, wie groß der Zugewinn rechter Parteien ist und ob es überhaupt eine Regierungsmehrheit im demokratischen Spektrum geben wird.
Die Gesprächspartnerin:
Anna-Lena Koschig Hölzl leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bukarest.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
Georgescu
„Niemand weiß, wofür Georgescu steht“
Aber der vorwärts weiß daß er ein Extremist ist.
Ein bischen mehr Logik, bitte.