Meinung

Inflation: Was jetzt gegen die hohen Lebensmittelpreise getan werden muss

Nahrungsmittel werden immer teurer. Das trifft besonders Menschen mit geringem Einkommen. Gleichzeitig steigen die Gewinne der Lebensmittelkonzerne. Eine sozialdemokratische Wirtschaftspolitik muss dagegenhalten, fordert der Ökonom Gustav Horn. Und nennt konkrete Maßnahmen.

von Gustav Horn · 8. Oktober 2024
Brot mit Preisschild

Für Menschen mit geringem bis mittlerem Einkommen ist der Preisanstieg von rund 30 Prozent bei Lebensmitteln besonders belastend.

Jede und jeder kennt die Erfahrung. Der Gang zum Supermarkt wird zum ständigen Ärgernis und manchmal, wenn man sich etwas nicht mehr leisten kann, ist er einfach nur traurig. Die Preise für Lebensmittel sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren um gut 30 Prozent gestiegen. Insgesamt betrug die Inflationsrate nur, aber doch immerhin rund 16 Prozent. Aktuelle Werte zeigen zwar, dass sich der Preisauftrieb (1,6 Prozent) merklich beruhigt hat. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Preise hoch bleiben; sie steigen nur nicht weiter stark an. 

Der Befund lautet: Es ist sowohl absolut als auch relativ teurer geworden, sich zu ernähren. Das trifft gerade Menschen mit geringerem Einkommen sehr hart. Entsprechend groß ist der Zorn vieler. Wie konnte es dazu kommen, und vor allem, was kann man dagegen machen? 

Preise für Lebensmittel zu hoch

Auslöser waren die großen Energiepreissteigerungen, die  im Gefolge der Corona-Pandemie und im Zuge des Abbruchs der Lieferbeziehungen zu Russland wegen des Krieg in der Ukraine zu verzeichnen waren. Ohne Zweifel steigen die Kosten der Nahrungsmittelproduktion, wenn die Energie teurer wird. Das wird von den Lebensmittelkonzernen gerne an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben und erklärt, warum nach Jahren der Preisstabilität die Inflation überhaupt zurückkehrte. Es erklärt aber nicht die Dramatik des Preisanstiegs. 

Im Nebel überall steigender Preise lassen sich jedoch von den Unternehmen relativ unbemerkt die Gewinnmargen erhöhen, wie u.a. die Europäische Zentralbank EZB festgestellt hat. Das wurde in einigen Branchen sogar recht schamlos ausgenutzt. Hier wird die Lebensmittelbranche auffällig. Denn deren Preise sind besonders stark gestiegen und der Preisanstieg hält an, obwohl die Energiekosten mittlerweile deutlich fallen und der allgemeine Preisanstieg deutlich abflacht.

Geringe Einkommen besonders betroffen

Markant höhere Preise für Lebensmittel in so kurzer Zeit sind nicht nur ärgerlich, sondern bedrohlich. Sie treffen den Lebensstandard vieler Haushalte von niedrigeren bis mittleren Einkommen im Kern. Denn es schafft Zwänge. Auf ein schickes Auto kann man verzichten, auf Nahrungsmittel nicht. Insbesondere gilt, dass der Anteil der Nahrungsmittelausgaben bei niedrigeren bis mittleren Einkommen besonders hoch ist. Diese Haushalte sind also auch besonders hart betroffen, ihre Inflationsrate liegt daher über dem Durchschnitt. Zudem werden alle nahezu täglich beim Besuch des Supermarkts mit den höheren Preisen konfrontiert, was den verständlichen Ärger und den gerechten Zorn verstärkt.   

Diese missliche Lage zu überwinden, muss wesentlicher Teil einer sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik sein. Der erste und wichtige Schritt besteht in Impulsen, die zu höheren Einkommen führen, damit man sich die höheren Preise wieder besser leisten kann. 

Hier ist  im Übrigen bereits einiges geschehen. Die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3000 Euro, die Erhöhung des Mindestlohns und des Bürgergeldes dienten dazu, die Einkommen einer breiten Mitte und von Bedürftigen in Zeiten hoher Inflation zu stärken und sie damit in die Lage zu versetzen, den Inflationsschub aus eigener Kraft zu bewältigen. 

Was die SPD tun kann

Das reicht aber nicht aus. Denn hier werden die Lasten der Inflation vor allem auf den Staat umverteilt, während private Unternehmen weiter profitieren. Das könnte durch eine Übergewinnsteuer verhindert werden wie sie SPD-Chef Lars Klingbeil schon einmal vorgeschlagen hat.

Vor allem aber muss das Kartellamt die Wettbewerbsverhältnisse im Lebensmittelsektor einmal gründlich prüfen. Mindestens ist die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle empfehlenswert,die die Verbraucherinnen und Verbraucher besser informiert. In einer ausgeprägten Wettbewerbssituation hätte eine Ausdehnung der Gewinnmargen zumindest auf mittlere Sicht keine Chance, da die Konkurrenz mit niedrigeren Preisen dagegen kämpfen könnte.

Der nunmehr seit fast drei Jahren anhaltende Preisanstieg spricht derzeit gegen die Existenz gesunder Wettbewerbsverhältnisse auf diesem Markt. Er scheint unter der weitgehenden Kontrolle von großen und mächtigen Konzernen wie ALDI, Edeka, Rewe,Lidl und Co zu stehen. 

Noch wichtiger ist Vorsorge, die es erst gar nicht zu solchen Preisschüben kommen lässt. Die Volkswirtschafterin Isabella Weber hat Preisbremsen in strategischen Sektoren wie Energie z.B. durch abfedernde Lagerhaltung vorgeschlagen. Gelingt dies, fehlen die Anstöße für höhere Preise in anderen Branchen wie vor allem bei den Nahrungsmitteln. Es bildet sich erst gar  kein Nebel, hinter dem die Konzerne ihre steigenden Gewinnspannen verstecken könnten.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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3 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 09.10.2024 - 10:04

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Auch wenn ich die Erkenntnisse von Gustav Horn für richtig halte, so sehe ich da wenig Abhilfe weil die derzeitige Führungsriege der SPD felsenfest mit der neoliberalen Ideologie (Idiotie) verwachsen ist. Übergewinnsteuern können ein Mittel sein um Auswüchse zu korrigieren, aber leider erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Sozialdemokratisch Politik sollte sich mal wieder mit der Begrenzung von Monopolmacht (hierspeziell im Energie- und Lebensmittelbereich) kümmern, ebenso mit der ganzen Privatisierungsmisere bei Wohnen und Mieten, die maßgeblich an der Abschöpgfung von Einkommen verantwortlich ist (gerade in Berlin verhindert Frau Giffey die Umsetzung des Volksbegehrens seit Jahren).

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mi., 09.10.2024 - 10:39

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Es ist doch eine seltsame Entwicklung: Die Lebensmittelpreise in den Läden steigen, während die Erzeuger auf den alten Preisen für ihre Produkte sitzen bleiben, oder diese in manchen Fällen sogar sinken.

Es ist vor allem der Unterschied zu sehen, dass den Erzeugern, also meistens den Landwirten, die Preise von den Abnehmern, Agrarindustrie u.a., diktiert werden, während alle anderen Verkäufer selbst entscheiden, welchen Preis sie nehmen wollen. Hinzu kommt, dass die Landwirte allein die Risiken, z.B. einer schlechten Ernte durch Nässe, Trockenheit, Frost u.ä. zu tragen haben, während der Zwischenhandel etwaige Risiken sofort auf die Preise umlegt.

Auch ist bei den Diskussionen, so etwa bei den Protesten im letzten Winter, zu bedenken, dass die meisten Subventionen nicht an den Großteil der Landwirte, sondern an die Agraindustrie und manche Konzerne fließen, die nebenher eine Großlandwirtschaft betreiben, um diese als Steuersparmodell zu missbrauchen und dabei die kleineren Betriebe kaputt machen.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 10.10.2024 - 10:24

Antwort auf von Peter Boettel (nicht überprüft)

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Ich lebe hier in Brandenburg auf dem Land und zu meinen Feunden gehören auch Bauern (echte, solche mit Gummstiefeln). Deren Erzeugerpreise steigen leider nicht oder kaum, auch bei sich ständig erhöhenden Energiepreisen. Dazu kommen ein von der EU angeheizter Bürokratieboom samt den ganzen Landratsämtern und Veterinärbehörden. Einerseits wird Familienbetriebsmäßiges ÖKo/Bio angepriesen, andererseit werden von Staatswegen Konzernagrarbetriebe gefördert. (ich meine jetzt nicht gut gemachte ökologisch sinnvoll und soziale LPG Nachfolgebetriebe).