Thüringen nach der Landtagswahl: „Die Situation ist hochkomplex“
Nach der Landtagswahl in Thüringen appelliert SPD-Chef Georg Maier an die CDU, eine Regierung ohne die AfD zu bilden. Die nächste Bewährungsprobe für die Brandmauer gegen die Rechtsextremist*innen sieht Maier in der ersten Landtagssitzung.
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Thüringens SPD-Chef Georg Maier: Würde jemand von der AfD zum Landtagspräsidenten gewählt, wäre das der nächste Schritt zur Aushöhlung der Demokratie.
Erstmals in der Nachkriegsgeschichte hat mit der AfD in Thüringen eine rechtsextreme Partei die meisten Stimmen bei einer Landtagswahl erhalten. Wie groß ist der Schaden, den die Demokratie in Thüringen genommen hat?
Der Schaden ist beträchtlich. Mit 32 von 88 Sitzen verfügt die AfD über eine Sperrminorität im Landtag und sie wird sie nutzen, um weiter Schaden an der Demokratie anzurichten. Denn genau das ist die Strategie der AfD: Sie will die Demokratie aushöhlen und so zerstören. Die Sperrminorität ist da ein willkommenes Instrument, weil die AfD damit zum Beispiel die Wahl von Verfassungsrichtern blockieren kann. Damit kann ein wichtiges Verfassungsorgan gelähmt werden. Auch die Landesverfassung kann ohne die AfD nicht mehr geändert werden. Und: Der Landtag kann nur noch aufgelöst werden, wenn die AfD dem zustimmt. Sie entscheidet also letztlich darüber, ob es Neuwahlen gibt oder nicht. Gerade in einer politischen Patt-Situation wie wir sie im Moment haben, hat die AfD damit sehr viel Einfluss.
Im Thüringer Landtag hat eine mögliche Koalition aus CDU, SPD und BSW keine Mehrheit. Was bedeutet das für die Regierungsbildung?
Die Situation ist hochkomplex. Mit 44 zu 44 Sitzen gibt es eine Patt-Situation im Landtag. Das bedeutet, dass eine mögliche Regierungskoalition auf jeden Fall einen Partner außerhalb dieses Bündnisses braucht – sei es eine Person oder eine Fraktion, die die Koalition unterstützt. Klar ist: Der Ball für eine Regierungsbildung liegt jetzt bei der CDU und Mario Voigt, weil die Union die stärkste demokratische Kraft ist. Die AfD wird dabei nicht berücksichtigt, wie ich hoffe.
Mit der scheidenden Greizer Landrätin und künftigen Landtagsabgeordneten Martina Schweinsburg gibt es bereits eine prominente Stimme aus der Thüringer CDU, die Sondierungsgespräche mit der AfD fordert. Hält die Brandmauer bei der Union?
Die AfD steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes und ist völkisch. Für Demokraten verbietet sich deshalb jede Form der Zusammenarbeit. Das muss jedem klar sein, der solche Forderungen erhebt. Aus meiner Sicht vertritt Martina Schweinsburg in der Thüringer CDU noch eine Einzelmeinung, aber das kann sich im Laufe der Zeit natürlich ändern. Mein Appell an die CDU und Mario Voigt ist daher, die Reihen geschlossen zu halten und zu versuchen, eine demokratische Regierung zu bilden, auch wenn es nicht einfach wird.
Georg
Maier
Würde jemand von der AfD zum Landtagspräsidenten gewählt, wäre das der nächste Schritt zur Aushöhlung der Demokratie, denn er könnte reichlich Sand ins parlamentarische Getriebe streuen.
Die SPD würde aber weiter regieren wollen?
Das ist nicht so sehr eine Frage des Wollens. Wir werden aber auf jeden Fall unseren Beitrag für stabile demokratische Mehrheiten leisten, wenn es notwendig ist – nicht aus einem Selbstzweck heraus, sondern aus staatspolitischer Verantwortung. Wenn wir mitregieren, werden wir aber auf jeden Fall auch die Inhalte zur Geltung bringen, die uns wichtig sind und für die wir im Wahlkampf geworben haben. Einen Automatismus gibt es da aber nicht. Möglicherweise ist auch der Weg in die Opposition der sinnvollere. Ich schließe deshalb weder das eine noch das andere aus.
Der neue Landtag in Thüringen muss sich spätestens am 1. Oktober konstituieren und eine*n neue*n Landtagspräsident*in wählen. Traditionell macht die stärkste Fraktion. Was erwarten Sie von der konstituierenden Landtagssitzung?
Die erste Landtagssitzung wird die erste Bewährungsprobe, wieweit die Brandmauer gegen die AfD hält. Das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten hat nach der Geschäftsordnung die stärkste Fraktion, und das ist nun mal die AfD. Wenn der Vorschlag keine Mehrheit bekommt, gehen die Meinungen darüber auseinander, ob für den zweiten Wahlgang eine andere Fraktion einen Vorschlag machen kann. Aus Sicht der SPD ist das so. Damit könnte also im zweiten Wahlgang jemand zum Landtagspräsidenten gewählt werden, der nicht der AfD-Fraktion angehört. Dafür müssen die demokratischen Reihen allerdings geschlossen bleiben. Würde jemand von der AfD zum Landtagspräsidenten gewählt, wäre das der nächste Schritt zur Aushöhlung der Demokratie, denn er könnte reichlich Sand ins parlamentarische Getriebe streuen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
"Der Schaden ist…
"Der Schaden ist beträchtlich. Mit 32 von 88 Sitzen verfügt die AfD über eine Sperrminorität im Landtag und sie wird sie nutzen, um weiter Schaden an der Demokratie anzurichten"
Da hat wohl wieder jemand die Demokratie nicht verstanden. Wenn eine demokratisch gewählte Partei Sitze in einem Parlament erhält, ist das ein ganz normales demokratisches Verfahren. Das diese dann die ihr rechtmäßig zustehenen Mittel nutzt, um die politische Enscheidungen im Sinne ihrer Wähler mit einer Sperrminorität zu verhindern ist ebenso ein völlig legitimer Vorgang in einer Demokratie. Es ist wirlich noch sehr viel politische Bildung in der SPD nötig, da anscheinend selbst grundlegenende demokratische Prinzipien noch nicht verstanden wurden.